Bildband "Der Wilde Westen - Traum und Realität":Geschichte einer Eroberung

Ende des 19. Jahrhunderts war der Wilde Westen der USA zwar schon erschlossen, aber noch längst nicht jeder US-Bürger hatte eine Vorstellung davon. Das zu ändern wurde zum Ziel der National Geographic Society. Sie schickte Fotografen los, die ikonografische Momente des Westens schaffen sollten - mitsamt ihren Widersprüchen.

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USA Wilder Westen National Geographic Horseshoe Bend

Quelle: Frans Lanting/National Geographic

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Die National Geographic Society organisiert und unterstützt seit jeher viele aufsehenerregende Expeditionen, unter anderem an die Pole, in Wüsten und in den Himalaja. Angesichts solch spektakulärer Unternehmungen ist in Vergessenheit geraten, dass sich die 1888 in Washington, D. C. gegründete Gesellschaft in ihren Anfangsjahren ein bescheideneres Ziel gesetzt hatte, das sie neben allem anderen auch heutzutage noch verfolgt: die Amerikaner mit der Geografie des eigenen Landes besser vertraut zu machen.

USA Wilder Westen Nebraska National Geographic

Quelle: Jim Richardson/National Geographic

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Entdeckt und in Besitz genommen worden war der sogenannte Wilde Westen am Ende des 19. Jahrhunderts zwar bereits, aber eine realistische Vorstellung hatten viele jener Amerikaner, die nicht an den großen Siedlertrecks teilgenommen hatten, sondern an der Ostküste geblieben waren, keineswegs. Diese bildete sich erst heraus, als Fotografen in die Gegenden westlich des 100. Längengrads zogen. Das Magazin der National Geographic Society spielte eine relevante Rolle in diesem Prozess; durch die wiederholte Veröffentlichung einzelner Fotografien hat die Redaktion sogar dabei geholfen, einige ikonografische Motive des Westens zu schaffen.

QUINTON, MICHAEL S./ National Geographic

Quelle: Michael S. Quinton/National Geographic

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Darauf verweist der Autor James C. McNutt mit gehörigem Stolz in seinem Vorwort zu dem Fotoband "Der Wilde Westen - Traum und Realität". Es ist das Begleitbuch zu einer Ausstellung, die seit dem vergangenen Wochenende zugleich in zehn Museen zu sehen ist - darunter bei National Geographic in Washington, D.C., vor allem aber an verschiedenen Orten im Westen selbst, in Wyoming, Montana, Texas und, am Übergang in den einstmals Wilden Westen, in Oklahoma.

USA Wilder Westen National Geographic Oregon

Quelle: William. A. Allard/National Geographic

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Der Band präsentiert 200 Fotografien aus den vergangenen 100 Jahren; damit dokumentiert er gleichermaßen Traditionen und welchem Wandel sie unterliegen - und er zeigt eine Landschaft, wie es sie kein zweites Mal gibt auf der Erde. In der Summe ergeben die Bilder das Image des amerikanischen Westens, durchaus in all seinen Widersprüchen. McNutt verweist zu Recht darauf, dass man als Betrachter jedes Foto in diesem Buch in Beziehung setzt zu all den anderen Bildern dieser Landschaft, die man bereits gesehen und abgespeichert hat. Da spielen auch Filme hinein, vor allem die Western, die ebenfalls ganz erheblich zur Imagebildung beigetragen haben.

Nordamerika Wilder Westen Bildband National Geographic

Quelle: Joel Sartore/National Geographic

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Am spannendsten sind daher jene Motive, die scheinbar in einem Widerspruch zu diesem Image stehen oder bestimmte Stereotypen in einen neuen Zusammenhang transferieren.

Nordamerika Wilder Westen Bildband National Geographic El Paso

Quelle: Luis Marden/National Geographic

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Bildband "Der Wilde Westen - Traum und Realität":Nordamerika Wilder Westen Bildband National Geographic El Paso

Wobei diese Art der Vermischung von vorindustrieller Wildwestidylle und dem Voranschreiten angloamerikanischer Zivilisation bereits sehr früh eingesetzt hat: Luis Marden hat 1939 eine Frau in Rodeokleidung fotografiert, die ihr Pferd am Zügel hält; einen Saloon, vor dem man das Tier anbinden könnte, gibt es aber längst nicht mehr in El Paso mit seinen geteerten Bürgersteigen. Stattdessen wirft die Frau Münzen in einen Parkautomaten. Walter Meayers Edwards hat 1971 bewusst ein Westernklischee zitiert mit einer Aufnahme von Hunderten Motorradfahrern, die durch die Mojave-Wüste in Richtung Las Vegas rasen. Wie eine Büffel- oder eine Mustangherde sieht diese riesige Meute aus, die eine gigantische Staubwolke aufwirbelt.

Nordamerika Wilder Westen Bildband National Geographic Nevada

Quelle: William Albert Allard/National Geographic

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Der Fotograf Robb Kendrick wiederum hat vor fünf Jahren Porträtaufnahmen gemacht, die die Stilistik des späten 19. Jahrhunderts imitieren. Er hat sich dafür des Ferrotypie-Verfahrens bedient, mit dem seinerzeit billige und deshalb beliebte Direktpositive hergestellt worden sind. Sie zeichnen sich durch einen metallischen Glanz aus. Traditionell gekleidete Cowboys oder die Mitglieder einer Mennonitenfamilie erscheinen auf diesen Bildern, als wären sie ihre eigenen Vorfahren.

Nordamerika Wilder Westen Bildband National Geographic Yellowstone Nationalpark

Quelle: Michael Melford/National Geographic

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In dem Band sind daneben einige historische Dokumente zu sehen, etwa von der sich noch im Bau befindlichen Bay Bridge zwischen San Francisco und Oakland oder von der Aschewolke, die ein Sturmwind nach dem Ausbruch des Mount St. Helens 1980 binnen dreier Stunden 200 Kilometer weit übers Land getrieben hat.

Zeitlos erscheinen viele der Landschaftsfotografien; und doch sind sie in besonderen Momenten aufgenommen, bei außergewöhnlicher Lichtstimmung oder Wetterlage.

Nordamerika Wilder Westen Bildband National Geographic Nebraska

Quelle: Joel Sartore/National Geographic

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Bilder des amerikanischen Westens sind immer wieder auch die von dramatischen Horizonten. Dieser Westen hat sich vielerorts eine gewisse Wildheit bewahrt, allen zivilisatorischen Eingriffen zum Trotz. Büffel mit vereistem Fell im Yellowstone-Nationalpark geben davon Zeugnis.

Nordamerika Wilder Westen Bildband National Geographic Nebraska

Quelle: Joel Sartore/National Geographic

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Wo diese Naturkraft auf Menschen prallt, wird es oft auch kurios. Sehr komisch ist die Aufnahme von einem Arbeiter, der ausgestopfte Dickhornschafe in der Vitrine eines Jagdausstatters feudelt. Oder ein Foto Jonathan Blairs, auf dem die Beobachter eines Geysir-Ausbruchs zu beobachten sind. Bizarr ist ein anderes seiner Motive: Da bedrängen Menschen einen Bären mit ihren Kameras, als wäre das eigentlich wild lebende Tier eine Zirkusattraktion.

Nordamerika Wilder Westen Bildband National Geographic

Quelle: National Geographic

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John M. Fahey jun., Timothy T. Kelly, Declan Moore, Melina Gerosa Bellows (Hrsg.): Der Wilde Westen - Traum und Realität. Aus dem Englischen von Anke Wagner-Wolff. National Geographic, Hamburg 2012. 304 Seiten mit 200 Fotografien, 39,95 Euro.

Alle Bilder in dieser Galerie wurden von National Geographic zur Verfügung gestellt.

© SZ vom 31.10./1.11.2012/dd/dgr
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