Regional und saisonal:Bloß kein Stress

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Im Ottmanngut in Alt-Meran beginnt der Tag mit einem Slow-Food-Frühstück. Die Auswahl variiert täglich, aber der Chef entscheidet, was auf den Tisch kommt.

Von Ingrid Brunner

Das Frühstück in der Pension Ottmanngut ist ein Genuss für Auge und Gaumen. (Foto: MGM Jessica Preuhs)

Ein Mehr-Gänge-Menü schon am Morgen? Da zuckt wohl nicht nur ein Frühstücksmuffel zusammen. Doch Ivo De Pellegrin hat schon so manchen vom Genussfrühstück ohne Eile überzeugt. Der junge Koch ist Vorsitzender der Slow-Food-Bewegung Südtirol - und er nimmt die Slow-Food-Philosophie ernst. Deshalb tut er sich auch keinen Ganztages-Job in einem Spitzenlokal an und bekocht lieber die Gäste der Frühstückspension Ottmanngut. In diesem sorgfältig restaurierten Haus in Alt-Meran beginnt der Tag gut für Menschen, die mit Selbstbedienung am riesigen Hotelbüffet nicht glücklich werden. Sie sitzen lieber im Garten zwischen Zitronenbäumchen, Oleanderbüschen und Zypressen und lassen sich überraschen, was Kellner Alex Sanchi ihnen bringt. Sie haben gar keine andere Wahl, denn jeden Morgen variiert die Speisenfolge ein wenig - je nach Saison und was der junge Biobauer Lukas Unterhofer vom nahe gelegenen Valentinhof gerade anbieten kann.

Doch stets beginnt es mit hausgemachten Marmeladen, etwa von der Quitte oder Himbeeren aus dem Passeiertal, dazu gibt es frisches, selbstgebackenes Sauerteigbrot und herrliche Nusscroissants, von denen eines vermutlich bereits den Energiebedarf für den ganzen Tag decken würde. Man muss ja nicht alles essen - guter Gedanke, eigentlich: Aber wenn der frisch gerührte Stracciatella-Joghurt mit Johannisbeeren, kredenzt in einer alten Silberschale, erst vor einem steht, was soll man tun? Und dann erst der Käse: einer heißt Ginebro, ein in Wacholder eingelegter Weichkäse - den lässt man doch nicht stehen.

Der Garten der Pension ist wie eine Oase inmitten von Meran. (Foto: Ingrid Brunner)

Unterdessen leistet der Gastgeber, der 30 Jahre alte Martin Kirchlechner, den Genießern Gesellschaft. Er erzählt von der Geschichte seines Elternhauses, das erst eine Buschenschenke, dann ein Gästehaus war und eine Zeit lang von Pächtern betrieben wurde. "1973 übernahmen meine Großeltern", erzählt Kirchlechner - "bis 2010, dann konnte die Oma nicht mehr." Was tun? Der Vater Arzt, der Bruder ebenfalls, die Mutter Lehrerin, alle winkten ab. Also verkaufen? Da sprang Enkel Martin ein. Er studierte in Wien Landschaftsplanung und -architektur und entschied spontan, Omas Erbe fortzuführen.

Zwei Jahre dauerten die Renovierungsarbeiten. Alle Möbel, die im Haus waren, hat er herrichten, einige aufwendig restaurieren lassen und damit die Zimmer ausgestattet. Er wollte das ausdrücklich so, sagt er, denn die Einrichtungsgegenstände erzählten ein Stück Familiengeschichte. Schließlich schafft sich jede Generation dem Geschmack der Zeit entsprechend andere Möbel an: So kamen Biedermeiersessel, Jugendstil-Betten, Art-déco-Anrichten zusammen. Die elf Gästezimmer tragen auch keine Nummern, sondern Namen, die an diese Familienhistorie erinnern. Die Suite "Bei Oma" zum Beispiel erinnert daran, wo die Großmutter gewohnt hat. Eine helle Stube, viel Platz, mit eigener Terrasse und Blick auf den Garten. Die Vefi-Suite erinnert an Tante Genoveva, auch sie hatte einen schönen Blick ins Grüne. Nun schauen da die Gäste raus.

Eine Villa Rustica in der Stadt, mit Lavendelbüschen, Rosmarin, Hortensien und Weinberg

"Echtheit ist mir wichtig", sagt er. "Echtheit in allem - in der Einrichtung, Echtheit beim Essen, so wie wir es selbst privat auch gerne haben." Schon in Wien habe man im Freundeskreis ständig über die Bedeutung von gutem und gesundem Essen diskutiert. Mit dem Koch Ivo De Pellegrin hat er einen Geistesverwandten getroffen. De Pellegrin hat an der Slow-Food-Universität in Brà studiert, was er tut, macht er mit Überzeugung. Nun also diskutiert Kirchlechner mit seinen Gästen über gutes Essen. Er charakterisiert sie als Genussmenschen mit Sinn für das Schöne.

Schon etliche Generationen der Familie des Betreibers sammelten Zitrusgewächse. (Foto: Ingrid Brunner)

Zum Abschluss gibt es an diesem Morgen ein Omelette mit Pfifferlingen, dessen feine Pilzaromen und dessen zart-luftige Konsistenz den Gast daran zweifeln lassen, ob er sich jemals wieder selbst an ein vermeintlich so einfaches Gericht wagen sollte. Am Ende des Mahls blickt man versonnen in den Garten, war doch gar nicht so viel, eigentlich. Das Grundstück liegt lang gezogen am Steilhang. Stauden in Terrakotta-Töpfen unterteilen es geschickt in mehrere Segmente - kleine Grünräume, in die sich die Gäste wie in einen privaten Garten zurückziehen können. Am Hang grünt und blüht es auf mehreren Ebenen: In riesigen Lavendelbüschen summen die Hummeln, dazu gibt es Rosmarin, Hortensien, weiter oben schließt sich ein Weinberg an.

Es ist eine Nische, die Kirchlechner sich da aufgetan hat. Ein spezielles Produkt sei sein Haus, "man muss uns kennen wollen", sagt er. Wer das möchte, kann im Ottmanngut auch mal zum Frühstück vorbeikommen. Allerdings nur gegen Reservierung, und um elf Uhr sollte man fertig gespeist haben, damit die anderen Gäste wieder ihre Ruhe haben. Einer geht gerade vorbei in Richtung Liegestuhl, ein Buch unter dem Arm. Er liest gerade den Roman "Eva schläft", erzählt er, "sehr gute Wahl", lobt Kirchlechner: Es gehe um die jüngere Geschichte Südtirols. Verdauungslektüre nach dem Frühstück.

© SZ vom 17.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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