Radfahren im Schwarzwald:Hügel der Hochgefühle

In der Gegend um Freiburg gibt es ein grandioses Rennradrevier. Allerdings sollte man dieses nicht unterschätzen: Die Bergrouten im Südschwarzwald fordern die Fahrer manchmal ebenso sehr wie die großen Pässe der Alpen.

Von Sebastian Herrmann

Radfahren im Schwarzwald: Die Bergrouten im Südschwarzwald fordern Rennradler manchmal ebenso sehr wie die großen Pässe in den Alpen.

Die Bergrouten im Südschwarzwald fordern Rennradler manchmal ebenso sehr wie die großen Pässe in den Alpen.

(Foto: Schwarzwald Super)

Morgens um halb sechs in Münstertal am Rande des Schwarzwalds. Die Sonne kämpft noch hinter den Gipfeln im Osten mit der Snooze-Taste ihres Weckers, als ein Pulk Rennradler aufbricht, um durch die Dunkelheit zu rollen. Es ist kalt an diesem Morgen im September, und die Radler sind froh, dass die Route gleich bergauf führt, sodass sie sich an ihrer Anstrengung aufwärmen können. Der Asphalt schlängelt sich durch ein enges Tal, vorbei an mit Holzschindeln verkleideten Schwarzwaldhäusern. Es ist still, nur gelegentlich sind Geräusche zu hören, wenn jemand einen Gang wechselt. Es geht los - los über die schönsten Straßen und Berge des Südschwarzwalds.

Als es steiler wird und sich die Straße in einigen Serpentinen nach oben windet, öffnet sich das Tal. "Von der Landschaft her ist das fast der tollste Teil der Runde", sagt Steffen, ein Lehrer aus Freiburg, der neben einem beneidenswert mühelos bergauf fährt. Bereits hier das Highlight der Runde auszurufen, ist ein bisschen gemein, denn in der monochromen Dunkelheit des frühen Morgens lässt sich allenfalls wohlwollend erahnen, dass es genau hier an diesem Ort so besonders schön ist. Aber als dann der erste Höhenzug erreicht ist und die Sonne daran denkt, langsam aufzustehen, breitet sich eine Szenerie wie eine Kitschpostkarte aus. Wolken decken das Tal unter einem zu, das Morgenlicht tüncht sie an den Rändern in Pastellfarben, auf der Weide neben der Straße wachen Kühe auf und glotzen Radler an, die nun von Glück statt Kälte überwältigt werden.

Es ist kaum anders möglich, als sich Rennradler in der Gegend um Freiburg als glückliche Menschen vorzustellen. Direkt an den Rändern der Stadt beginnen die Flanken des Hochschwarzwaldes, Täler und Berge, die auch bei Tageslicht höchstes Lob verdienen. Ein grandioses Rennradrevier - und wer gleich im Rahmen einer Überdosis Fahrradglück die besten Strecken erkunden möchte, kann dies beim "Schwarzwald Super!" versuchen, einem Rennradmarathon, der seit vier Jahren stets Anfang September organisiert wird und in der längsten von drei möglichen Routen über alle hohen Berge rings um Freiburg führt. Das ist enorm großartig und zugleich enorm anstrengend.

Die erste Abfahrt an diesem Tag treibt die Kälte zurück in die Glieder. Bergab trifft der Neid nicht mehr Steffen, sondern den Radkurier Moritz, der ein Tempo anschlägt, als müsste er eine lebensrettende Organspende ins Uniklinikum liefern. Zum Glück sind die Straßen so früh am Morgen fast frei von Autos. Die Organisatoren des "Schwarzwald Super!", Laurin Schwarz und Johannes Kratzert, beide in der Freiburger Radkurierszene zu Hause, lassen den Radmarathon über sehr ruhige Straßen verlaufen.

"Es geht um Straßenästhetik", sagt Johannes, der nachdenkliche Routenmeister, "eine Straße ohne Mittelstreifen ist schöner als eine mit. Noch schöner sind sie, wenn sie auch keinen Seitenstreifen haben." Im Süden der Strecke, auf dem Weg zum 1080 Meter hohen Hochkopfpass, befinden sich viele sehr ästhetische Straßen. In einer engen Serpentine rollen die Radler an einem Milchhof vorbei. Bauer und Bäuerin stehen ans Gatter gelehnt. "Guten Morgen", kräht der stets fröhliche Radkurier Moritz zu ihnen rüber. Das Paar feixt in tiefstem Badisch zurück. Alle lachen. Also alle, die den Spruch verstanden haben, das heißt, keiner außer den Einheimischen.

Reiseinformationen

Anreise: Für Rennradrunden durch den Südschwarzwald bieten sich zahlreiche Ausgangspunkte an. Neben Freiburg zum Beispiel Münstertal, Kirchzarten, Oberried, Todtnau, Hinterzarten oder Waldkirch. Von Norden her erreichbar per Auto über die A5, von Ostten aus über die B31. Per Bahn oder Fernbus ist vor allem Freiburg gut angebunden.

Routen: Auf der Homepage des Radmarathons "Schwarzwald Super!" lassen sich unter www.schwarzwald-super.de/strecken-2017 verschieden lange Strecken einsehen und als GPX-Dateien herunterladen. Weitere Routenideen zum Beispiel unter www.gpsies.com oder www.bikemap.net. Informationen zu den Pässen gibt es unter www.quaeldich.de. Allgemeines: www.hochschwarzwald.de

Die Idee für den "Schwarzwald Super!" entsprang dem Druck, sich bei Wochenendtouren zwischen lauter großartigen Optionen entscheiden zu müssen. Johannes - man duzt sich unter Radlern - hat eine Weile in Hamburg gelebt, und wenn er in Freiburg zu Besuch war, habe es geheißen: "Welchen Berg fahren wir heute?" Wenn so viele Möglichkeiten bestehen, fällt die Wahl schwer. Also planten Johannes, Laurin und ihre Mitstreiter eine Route, die dem Motto folgt: Wir wollen alles!

Nach dem Hochkopf führt die Strecke über Todtnau hinauf zum Schauinsland, einer der wenigen Abschnitte, in denen es Verkehr hat. Nach der rasanten Abfahrt über Oberried und Kirchzarten schwitzen die Radler dafür wieder ganz ohne Autos über die alte Straße auf den Thurner - Wald, Wiesen, Gehöfte und steile Rampen. Oben, am Thurnerwirtshaus, sprechen an diesem Tag alle vom Kandel, der vielleicht schwersten Prüfung, die der Südschwarzwald zu bieten hat. Die Abfahrt zu dessen Fuß ist ein Traum, vorbei an der Hexenlochmühle, die Wilde Gutach entlang und weiter nach Waldkirch. Der Kandel besteht den Vergleich mit Alpenpässen: Mehr als 900 Höhenmeter am Stück sind zu bewältigen, mit vielen steilen Abschnitten, fast die ganze Zeit im Wald.

Auch der Rinken in der Nähe des Feldbergs ist teils steil, liegt ebenfalls die meiste Zeit im Wald - dafür fahren dort keine Autos. Später am Belchen dämmert es, ein langer Tag im Sattel geht zu Ende. Eine letzte kurze Steigung, dann eine sehr lange und an diesem Tag sehr kalte Abfahrt zurück ins Münstertal. Vorbei an Felswänden, hinein in enge Täler und die Sonne, die sich gerade hinter der Rheinebene in den Feierabend verabschiedet. Auch dieses Tal verdient eine Auszeichnung für die höchst liebliche Landschaft. Doch es ergibt keinen Sinn, hier ständig Superlative zu vergeben: Der Südschwarzwald im Ganzen ist einfach ein traumhaftes Rennradrevier - und statt sich gleich an nur einem Tag eine Überdosis zu verpassen, lassen sich hier auch schier unzählige, ebenso fordernde wie fantastische Tagestouren fahren.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: