Quallen im Mittelmeer:"Rasierschaum hilft"

Einige Mittelmeerstrände werden derzeit von Quallenplagen bedroht. Vor der nordspanischen Küste sichtete man gar eine lebensgefährliche Quallen-Art. Ein Meeresbiologe erklärt, warum die Tiere immer wieder so unvermittelt auftauchen und was hilft, wenn man Kontakt mit ihnen hatte.

Lena Prieger

An mehreren Stränden in Europa wird auch in diesem Jahr die Badefreude durch Schwärme von Quallen getrübt. An der Atlantikküste vor der nordspanischen Region Kantabrien wurden nach Angaben des Automobilklubs ADAC Portugiesische Galeeren gesichtet. Sie zählen zu der Gattung der Staatsquallen, und eine Berührung kann sehr schmerzhaft und in einigen Fällen sogar lebensbedrohlich sein.

Quallen im Mittelmeer, iStock

Die Leuchtqualle kommt im Mittelmeer sehr häufig vor.

(Foto: Foto: iStock)

Die Techniker Krankenkasse (TK) meldete außerdem Feuerquallen-Alarm an einigen Mittelmeerstränden, vor allem entlang der südfranzösischen Côte d'Azur. An manchen Stränden warnten gelbe Flaggen die Badenden vor der Gefahr. sueddeutsche.de sprach mit dem Meeresbiologen Prof. Ulrich Sommer vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel (IFM-GEOMAR) über das Phänomen der Quallenplagen.

sueddeutsche.de: Der ADAC berichtet von giftigen Quallen an der nordspanischen Küste. Warnungen vor Quallenplagen im Mittelmeer gibt es Jahr für Jahr. Wie kommt es, dass die Tiere so plötzlich und in Scharen auftauchen?

Ulrich Sommer: Im Mittelmeer lebt vor allem Pelagia noctiluca, die Leuchtqualle. Bei Kontakt mit ihr kommt es zu sehr schmerzhaften Verätzungen, die aber nicht lebensbedrohlich sind. Solche Plagen gibt es immer wieder. Quallen leben in großen Schwärmen, die von Strömungen an die Küsten getrieben werden. Dabei ist nicht vorherzusehen, wo sie landen. Insgesamt kann man tatsächlich von einer weltweiten Zunahme von Quallenplagen sprechen.

sueddeutsche.de: Wie erklärt man sich diesen Zuwachs?

Sommer: Es gibt drei gängige Erklärungsansätze: Den Klimawandel, Überfischung und die Einleitung von Abwässern in die Meere. Keine der Begründungen ist jedoch ausreichend erforscht und bewiesen.

sueddeutsche.de: Wieso ist das nicht möglich?

Sommer: Das liegt vor allem daran, dass zur Ökologie der Quallen bisher wenig untersucht worden ist. Es ist sehr schwierig, in diesem Bereich experimentelle Forschung durchzuführen. Quallen sind empfindlich und sterben unter Versuchsbedingungen schnell. In der Natur treten sie sehr unregelmäßig auf. Deswegen kann man auch die Quallendichte eines Meeres kaum bestimmen.

sueddeutsche.de: Es wird gemeldet, dass in Nordspanien auch Staatsquallen gesichtet wurden. Sie gelten als lebensgefährlich.

Sommer: Hier geht es um die Portugiesische Galeere, Physalia physalis. Kontakt mit ihr kann tatsächlich lebensbedrohlich sein. Sie lebt vor allem in wärmeren Gewässern und kann auch mal im Mittelmeer vorkommen.

sueddeutsche.de: Was würden Sie Badeurlaubern raten?

Sommer: Auf jeden Fall sollte man die Strandsperrungen beachten und natürlich nicht ins Wasser gehen, wenn man dort Quallen sieht. Wenn tote Quallen am Strand liegen, können sich noch abgerissene Tentakel im Wasser befinden. An ihnen sitzen die giftigen Nesselzellen. Insgesamt schätze ich die Gefahr für Badeurlauber aber geringer ein als die Lawinengefahr für Skifahrer.

sueddeutsche.de: Was ist zu tun, wenn man nun aber doch unfreiwilligen Kontakt mit einer Qualle hatte?

Sommer: Man sollte die betroffene Stelle auf keinen Fall mit Süßwasser abwaschen, sonst explodieren die giftigen Nesselkapseln erst recht. Waschen mit Essig hilft, aber wer hat schon eine Flasche Essig mit am Strand. Auch Rasierschaum ist ein gutes Mittel. So explodieren die Nesselkapseln im Schaum und man kann ihn hinterher vorsichtig abschaben. Manche Badeaufsichten sind inzwischen sogar mit Rasierschaum ausgestattet.

sueddeutsche.de: Und woran erkennt man, womöglich mit einer gefährlichen Quallen-Art in Berührung gekommen zu sein?

Sommer: Am Schmerz. Ernsthaft: Wenn Fieber oder Atemnot auftreten, sollte man auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen. Wer schmerzhaften Kontakt mit Quallen ganz vermeiden will, der sollte Urlaub an der Ostsee machen. Die hier vorkommenden Ohrenquallen brennen gar nicht.

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