Prozess gegen Deutsche Bahn:Klo-Eklat vor dem Kadi

Das Bedürfnis ist drängend, eine Toilette in den neuen S-Bahnen jedoch nicht vorhanden - und so empfiehlt ein Bahnmitarbeiter, in einen Müllbehälter der ersten Klasse zu urinieren. Die Deutsche Bahn freut sich wenig über den praktischen Rat und brummt dem Schaffner ein Strafgeld auf. Doch der zieht vor Gericht.

Verdreckt, defekt, geschlossen: Zug-Toiletten sind für Passsagiere wie Bahn-Personal nicht selten ein Ärgernis. Mit der neuen Generation von S-Bahnen in Nordrhein-Westfalen wollte die Deutsche Bahn das Problem mit den anfälligen Örtchen auf besondere Weise lösen: Die neuen Züge sind schnell, leise und schick - und eine Erleichterungsmöglichkeit ist gar nicht erst vorhanden.

Dieser Umstand hat dem Unternehmen nun jedoch einen peinlichen Prozess vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht eingebracht. Hintergrund ist ein Vorfall, bei dem ein Fahrgast in einem Zug der Linie 9, die zwischen Wuppertal und Haltern pendelt, ein dringendes Bedürfnis anmeldete. Von einem 53-jährigen Bahnmitarbeiter wurde er laut Gerichtsakten jedoch auf den nächsten Halt vertröstet. Bis dahin werde er nicht durchhalten, erwiderte der Fahrgast.

Not-Toilette in der Luxusklasse

In der Not hat der Bahn-Beamte den Gast daraufhin in die erste Klasse geschickt, dort solle er sich erleichtern - "wenn es gar nicht anders geht". Beim Urinieren an einem Abfallbehälter wurde der Reisende jedoch von einem anderen Bahnmitarbeiter erwischt und zur Rede gestellt. Der geplagte Fahrgast entgegnete, er habe nur den Rat eines Kollegen befolgt.

Daraufhin war dem 53-jährigen Bahnmitarbeiter von seiner Arbeitgeberin in einem Disziplinarverfahren 100 Euro Bußgeld aufgebrummt worden, außerdem wurde er versetzt. Doch der Beamte wehrte sich und zog gegen vor Gericht: Für einen solchen Fall gebe es keine Dienstanweisung und damit könne er auch gegen keine verstoßen haben, argumentierte er.

Nun stellte sich das Düsseldorfer Verwaltungsgericht auf die Seite des Schaffners: Der Mitarbeiter habe nur den unvermeidbaren Schaden zu begrenzen versucht. Es habe sich um eine Ausnahmesituation gehandelt, sagte der Richter Norbert Klein - und außerdem habe der 54-jährigen Bahnobersekretär keine Wahl gehabt. Das Bußgeld muss er nicht zahlen.

Nach 36 Dienstjahren war Schluss mit der Zugbegleitung und der Beamte muss nun nachts Züge im Depot bewachen. Das löste ein zweites Gerichtsverfahren aus, das am Mittwoch gleich im Anschluss verhandelt wurde. Die bisher vorgetragenen Gründe für die Versetzung reichen nicht aus, machte das Gericht dabei klar. Doch die Bahn zog die Versetzung nicht zurück, sondern die Notbremse und wollte nach einer Vertagung noch einmal nachlegen.

Rechtsanwalt Marcus Schneider-Bodien zeigte sich verzweifelt über die Haltung der Bahn: "Ich habe die immer wieder gefragt, welche Alternative denn bestanden hätte. Keine Antwort." Verständnis fand sein Mandant dagegen beim Gericht: "Es gibt keine Richtlinie, wie Mitarbeiter mit solchen Fällen umgehen sollen", befand Richter Klein. Entsprechend sei auch kein Dienstvergehen zu erkennen.

Inzwischen hat auch die Deutsche Bahn eingelenkt und die Versetzung des Zugbegleiters im November wieder zurückgenommen.

Das Urteil zugunsten des Zugbegleiters, das betonte Gerichtssprecher Gerd-Ulrich Kapteina, sei keine Generalermächtigung für Fahrgäste, ihre Notdurft in der 1. Klasse zu verrichten.

Der Fahrgastverband Pro Bahn hat eine klare Meinung zum Klo-Eklat. "Bei einer zunehmenden Zahl älterer Menschen macht es schon Sinn, S-Bahnen mit Toiletten zu haben", sagte Karl-Peter Naumann, Bundesvorsitzender des Verbands. Dass ausgerechnet die neuen S-Bahnen keine Toiletten mehr an Bord haben, sei "nicht ganz glücklich". Vor die Alternative gestellt, sei es immer noch besser, kostenpflichtige Toiletten anzubieten als gar keine. Urinbeutel, wie sie in den Niederlanden verteilt würden, seien wohl kaum die Lösung.

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