Preiskampf bei Kreuzfahrten:Die große Billigwelle

Immer größere Kreuzfahrtschiffe wurden vor Jahren in Auftrag gegeben, 2010 drängen allein elf auf den Markt - und der Kampf um die Gäste beginnt.

Michael Kuntz

Die Sehnsucht nach einer entschleunigten Urlaubsreise auf dem Wasser scheint groß zu sein. Kreuzfahrten wiesen zwar in den vergangenen Jahren jene sagenhaften Wachstumsraten auf, von der die Tourismusindustrie ansonsten nur träumen konnte. So sind die meisten Flugreisen längst mit dem Makel des Schnäppchens behaftet. Für viele Touristen scheint die Auswahl ihres Urlaubszieles von einem möglichst niedrigen Preis abzuhängen. Die Finanz- und Wirtschaftskrise verstärkt diesen Trend.

Anstatt in die klassischen sonnigen Urlaubsländer Italien und Spanien, geht es gern zu Billigzielen in der Türkei und Ägypten, dann aber ins Hotel mit fünf Sternen. Dort machen All-inclusive-Angebote die Kosten berechenbar.

Einzig Kreuzfahrten sind bisher noch nicht zur Massenware verkommen. Doch das könnte sich nun ändern.

Denn in diesem Jahr drängen gleich elf neue Schiffe auf die Weltmeere.

Das größte kann 5400 Passagiere an Bord nehmen. Um etwa 25.000 Plätze, also ungefähr die Einwohnerzahl von Lindau am Bodensee, vergrößert sich das Angebot insgesamt. Das sorgt für Unruhe in einer zweistellige Wachstumsraten und ordentliche Renditen gewohnten Branche. An teuren Kreuzfahrten verdienen viele gerne mit, schließlich machen etliche Menschen zum ersten Mal in ihrem Leben eine Schiffsreise.

Da ist der Informationsbedarf hoch. Das freut die Reisebüros, die in diesem Bereich noch zeigen können, dass sie mehr als ihre Buchungssysteme beherrschen.

Doch der bislang trotz Wirtschaftskrise noch einigermaßen heile Kosmos der Kreuzfahrten zerfällt längst in zwei sehr verschiedene Welten. Da gibt es die schwimmende Kleinstadt mit Party rund um die Uhr und Hamburger mit Pommes an den Büfetts. So gondeln Amerikaner gern durch die Karibik, aber auch die großen Ostseefähren bieten zum Beispiel diese konzentrierte Art der Schnellerholung.

Die klassische Kreuzfahrt verliert ihren Nimbus des distinguierten Lebens an Bord mit Hummer und Kaviar beim Kapitänsdinner, zu dem der Gast im Smoking aus seiner kleinen Kabine kommt. Die neuen Großschiffe wollen es allen recht machen - sie demokratisieren die Kreuzfahrt, bieten schlichte fensterlose Schlafstätten oder komfortables Ambiente mit Balkonen, die Wahl zwischen Kantinenbüfett oder Luxusrestaurant.

Größe zählt, so lautet das Credo der Admirale in der Tourismusindustrie. So baut Aida in ein paar Tagen den halben Hamburger Hafen um, damit das neue Clubschiff Aidablue getauft werden kann - von der Designerin Jette Joop. Mit ihrem Hang zum Gigantismus wenden die Kreuzfahrt-Manager genau das Geschäftsprinzip an, das bereits die Veranstalter von Flugreisen in Sieger und Verlierer neu sortierte. Mit der Größe der Charterjets wuchsen die Gewinne, aber auch das Risiko, leere Sitze zu befördern. Die eigene Fluggesellschaft galt erst als ein Muss für Reiseveranstalter, oft erwies sie sich später als eine Last.

Die großen Schiffe gehören großen Unternehmen. Aida und die Tui sind dabei. Sie drehen derzeit ein großes Rad. Die Rechnung wird aufgehen oder auch nicht - wie etwa bei Transocean, dem Traditionsunternehmen, das 2009 Konkurs anmelden musste.

Etwas ungünstig ist es jetzt schon, dass die vor Jahren in Auftrag gegebene Flotte ausgerechnet zu einer Zeit fertig wird und vermarktet werden muss, in der die potentiellen Kunden überlegen, ob die Wirtschaftskrise zu Ende ist oder erst anfängt. Und nun ein Bettenberg auf hoher See. Die elf Riesenpötte, für die Milliarden Euro investiert wurden, müssen nach Taufe und Jungfernfahrt ausgelastet werden - das ist eine herausfordernde Aufgabe.

Erste Indizien für ein Umdenken sind bereits da: Gern gesehen an Bord sind inzwischen Familien mit Kindern, die noch vor ein paar Jahren eher in Begleitung ihrer Großeltern geduldet wurden. Eine Brauerei an Bord - früher war das undenkbar. Auch kleinere Zielgruppen werden gern angesprochen. So gibt es zweifellos Menschen, die zwar über Geld verfügen, aber über keinen guten Leumund bei den großen Auskunfteien. Sie werden nun mit einem speziellen Angebot umworben: Eine Kreuzfahrt mit Ratenzahlung ohne Schufa-Auskunft.

Es ist nicht zu übersehen. Wer schon immer einmal auf See Urlaub machen wollte, für den sind die Zeiten günstig. Es wird weitere Sonderangebote geben. Auch die Kreuzfahrt ist auf dem Wege, zur Massenware zu werden. Wer auf Entschleunigung, Individualität und Ruhe wert legt, der kann sich ja auf einem Frachtschiff einmieten.

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