Parkgebühren für Schiffe:Es wird eng am Kai

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Immer mehr Schiffe steuern die gleichen Häfen an. Die Reedereien müssen reservieren - möglichst schon auf Jahre voraus.

Von Frank Behling

Der Kreuzfahrtmarkt boomt - auch hierzulande: Laut Porgnose des Weltverbands der Kreuzfahrtindustrie CLIA rückt 2017 die Zahl von zwei Millionen Buchungen allein aus dem deutschen Markt in greifbare Nähe. Immer mehr Schiffe, immer mehr Angebote und immer mehr Ziele: Die Reedereien stehen dabei vor dem Problem, dass die Fahrtgebiete durch politische Veränderungen kleiner und die Häfen nicht größer werden. In den Häfen werden die Liegeplätze knapp. Etwa 550 Anläufe von Kreuzfahrtschiffen drängen sich von April bis September in den deutschen Häfen.

Der Kieler Hafen ist erfolgsverwöhnt. 2007 riss Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt beim Kreuzfahrtgeschäft erstmals die Marke von 100 Anläufen von Traumschiffen - lange vor Hamburg. Doch in diesem Jahr sieht es anders aus. Nach Anläufen gerechnet, droht dem Kieler Hafen ein Rückgang von 147 auf 135 Schiffsbesuche. Kiels Hafenchef Dirk Claus ist dennoch gut gelaunt. Das liegt an drei Buchstaben, die für das Ergebnis wichtig sind. "Wir stellen unsere Rechnungen nach der BRZ der Schiffe. Und da sieht es für 2017 in Kiel sehr gut aus", sagt Claus. BRZ ist die Bruttoraumzahl, eine Kennzahl der Raumvermessung der Schiffe. Bis 1982 vergleichbar mit der alten Bruttoregistertonne. Diese Vermessungen sind die Grundlage für die Berechnung der Liegekosten: Weltweit berechnen fast alle Häfen und künstliche Kanäle die Abgaben der Schiffe nach dem Raumgehalt. Und die Zahl der BRZ hat sich in der Hafenstatistik in Kiel innerhalb weniger Jahre von vier Millionen BRZ auf fast 9,3 Millionen BRZ mehr als verdoppelt, während die Zahl der Schiffsanläufe seit 2012 nahezu konstant zwischen 120 und 140 pendelt.

Für die Reedereien sind die Kosten für den Liegeplatz einer der Eckpfeiler in der Kalkulation bei den Hafenanläufen. Für ein durchschnittliches Schiff mit 2000 Betten liegen die Anlaufkosten fast immer im fünfstelligen Bereich. Weltweit zu den teuersten Häfen gehören St. Petersburg, Sydney oder die großen Metropolen der USA. In diesen Häfen fallen je nach Schiffsgröße pro Anlauf und Dauer bis zu 100 000 Euro Gebühren und Kosten an. Zum Vergleich: In dieser Preisklasse liegen auch die Kosten für die Passage des Panamakanals. Aber auch exotische Ziele wie Havanna, Mumbai oder Ushuaia zählen zu den hochpreisigen Häfen für Kreuzfahrtschiffe.

Neben den reinen Liegeplatzgebühren addieren sich andere Gebühren und Dienstleistungen für einen Anlauf zu einer Gesamtkalkulation. Lotsen, Schlepper und die Agentur, die für die Reederei die Formalitäten vor dem Anlauf klärt und auch Teile der Abfertigung übernimmt, werden zusammengerechnet. Bei der Nutzung von Terminals mit Abfertigungshallen kommen zusätzliche Mieten für Nutzung und Sicherheitstechnik hinzu. Besonders teuer wird es beim Reisewechsel. Das Check-in der Passagiere und auch der Umschlag der Koffer sowie die Überprüfung der einzelnen Gepäckstücke schlagen hier zu Buche. Die Übersicht der Kosten ist meist geheime Verhandlungssache. In vielen Häfen werden Rabatte ausgehandelt oder auch Pauschalpreise gemacht, die vom Verhandlungsgeschick der jeweiligen Reederei abhängen.

In Deutschland sind die großen Häfen meist im Besitz der Städte. Durch die öffentliche Beteiligung müssen auch die Gebührensatzungen transparent sein. Gebühren und Preistabellen sind im Netz einsehbar. Unterschiedlich sind nur die Abrechnungsmodalitäten. Mal wird von Anlauf zu Anlauf abgerechnet, mal aufs Jahr bezogen. Und es gibt auch dort ein Rabattsystem. So wird beim Seehafen Kiel das Hafengeld nicht pro Anlauf berechnet, sondern pro Reederei für das gesamte Jahr. Dabei addiert der Seehafen Kiel die Zahl der Anläufe und der Schiffsgrößen pro Reederei. Hafengeld, Kaigeld und Terminalnutzung sind jeweils getrennt aufgeschlüsselt.

MSC Cruises schickt 2017 mit der MSC Fantasia ihr bislang größtes Schiff nach Kiel. Die 20 Anläufe des 137 936 BRZ großen Schiffes ergeben am Ende der Saison eine Summe von 2,75 Millionen BRZ. Damit liegt MSC in der Gebührentabelle in Kiel im Bereich zwei bis 3,5 Millionen BRZ und muss so 15 Cent pro Bruttoraumzahl an den Seehafen zahlen. Das sind 413 000 Euro Hafengeld für das Jahr 2017 und 20 690 Euro pro Anlauf in Kiel. Hinzu kommt das Kaigeld, das für die Abfertigung der Passagiere entrichtet werden muss. In Kiel schwankt das von der Reederei zu entrichtende Kaigeld je nach Passagierzahl zwischen 50 Cent und 2,55 Euro pro Passagier. Auch hier summiert der Seehafen Kiel die Zahl der Passagiere aufs ganze Jahr pro Reederei. Bei der MSC Fantasia beträgt die Passagierzahl bei Belegung der Unterbetten (100 Prozent) 3274 Passagiere. Bei 20 Anläufen kommen dann 65 480 Reisende nach Kiel. Damit landet MSC in der Gebührenliste beim Kaigeld in der Kategorie 3 (50 000 bis 100 000 Passagiere) und muss 1,50 Euro pro Passagier entrichten. Macht für die ganze Saison 98 220 Euro. Bei voller Auslastung käme die MSC Fantasia auf über 80 000 Urlauber - bliebe aber in der Kategorie 3 und müsste 120 000 Euro Kaigeld zahlen. Erst mit dem Einsatz der MSC Meraviglia ab Kiel könnte MSC über die Marke von 100 000 Passagieren springen und würde pro Fahrgast nur noch einen Euro zahlen. Dann wäre der Einsatz des größeren Schiffes für die Reederei sogar günstiger. "Wer häufig kommt und viele Passagiere bringt, der wird bei den Gebühren belohnt", sagt Ulf Jahnke vom Seehafen Kiel.

Mit Kaigeld und Liegeplatzgebühren nimmt der Seehafen Kiel durch die MSC Fantasia 2017 bis zu 26 650 Euro ein. Die Kosten für Lotsen, Schifffahrtsverwaltung, Schlepper und Agenturen für Anmeldungen, Ausflüge und Gepäckabfertigung kommen da noch oben drauf.

In Hamburg ist bei den Liegegebühren ebenfalls die BRZ die Berechnungsgrundlage. Dort wird jedoch jeder Anlauf pauschal mit 0,2325 Cent berechnet. Hier müsste MSC gemäß der Tariftabelle der Hamburg Port Authority für die MSC Fantasia pro Anlauftag demnach 32 883 Euro an Hafengeld zahlen - fast 12 000 Euro mehr als in Kiel. Hinzu kommen dann Terminalgebühren von etwa 4500 Euro. Pro 100 BRZ eines Schiffes werden in Hamburg 3,25 Euro berechnet. Hinzukommt dann noch eine "Terminal Occupancy Fee" pro Passagier von 6,60 Euro. Bei der MSC Fantasia käme bei voller Auslastung allein durch die "Kopfpauschale" noch einmal ein Betrag von 26 400 Euro zusammen. Ergebnis: "Hamburg ist schon deutlich teurer als andere Häfen", heißt es bei der Reederei TUI Cruises, die in Hamburg sitzt, ihre Schiffe in diesem Jahr aber vorwiegend von Kiel und Bremerhaven aus fahren lässt. Hinzu kommt bei Hamburg die mehr als fünfstündige Revierfahrt auf der Elbe in den Hafen und dann wieder fünf Stunden elbabwärts in die Nordsee. Auch hier kommt ein fünfstelliger Betrag an Lotsgeld und Lotsabgabe (für Seezeichen und Infrastruktur) zusammen. Zum Vergleich: In den Ostseehäfen Kiel und Lübeck liegt die Revierfahrt vom Terminal bis auf die See bei weniger als einer Stunde.

Dabei ist Hamburg längst nicht mit New York oder St. Petersburg vergleichbar. Die mit Abstand größte Vergleichsmöglichkeit hat die Reederei Hapag-Lloyd Kreuzfahrten. Die Schiffe Europa, Bremen oder Hanseatic steuern Destinationen von Samoa bis Sylt an. "Grundsätzlich sind die Hafengebühren in den großen beliebten Kreuzfahrthäfen wie Hongkong, Sydney, Venedig oder Buenos Aires sehr hoch", sagt Gabi Haupt, Leiterin Produktmanagement der Europa. Die Kosten seien aber nicht das wichtigste Kriterium. Vor allem Sydney steche da hervor, so lässt sich der Hafen mittlerweile von jeder Reederei eine "Headtax", eine Prokopfpauschale zahlen. Und was Reedereien wie Hapag-Lloyd besonders trifft: Bei kleineren Schiffen wird eine erhöhte Headtax für eine Mindestpassagieranzahl von 1200 Passagieren gefordert. "Und zwar für jeden Tag."

Eine allgemeingültige Formel für die Berechnung der Liegegebühren gibt es nicht

Einen generellen Schlüssel gibt es bei der Zusammensetzung der Kosten nicht, da die Einzelkosten von Hafen zu Hafen nach Gegebenheiten, Leistungsumfang und Anforderungen variieren. So sind bei der Elbeinfahrt in Hamburg mehrere Lotsen notwendig, in Miami aber ist es ein Lotse für wenige Meilen.

Bei Hapag-Lloyd gilt: "Wir suchen die Häfen unserer Reiserouten danach aus, unseren Gästen das bestmögliche Kreuzfahrterlebnis zu bieten. Dazu gehört auch, beispielsweise einen Overnight in St. Petersburg oder Sydney einzuplanen, obwohl die Kosten dafür deutlich höher als ein Tagesanlauf sind", sagt Gabi Haupt. Bei Deutschlands ältester Kreuzfahrtreederei ist es bisher noch nicht vorgekommen, dass eine Destination aus Kostengründen nicht angelaufen wurde. Irgendwie wird immer eine Lösung gefunden. Doch rechtzeitige Planung ist wichtig. Da die Nachfrage nach Liegeplätzen steigt, gehen bei Häfen die Reservierungen inzwischen schon bis zu drei Jahren im Voraus ein.

© SZ vom 23.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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