Begrünungs-Idee für Frankreichs Nationalsymbol:Pflanzenschutz für den Eiffelturm

Ein Ingenieurbüro will den Pariser Eiffelturm von oben bis unten begrünen - um das Mikroklima zu verbessern, die Natur in die Stadt zurückzubringen und den Blutdruck der Pariser zu senken. Der eiserne Turm soll zum Lebensbaum werden.

Stefan Ulrich, Paris

Eigentlich erhält diese 122 Jahre alte Dame aus Eisen bereits genug Aufmerksamkeit. Annähernd sieben Millionen Touristen erfahren oder erklettern sie jährlich, und die Menschenschlangen zu ihren Füßen sind die längsten in Paris. Künstler, Schriftsteller und Souvenir-Produzenten verewigen "la Tour Eiffel" in allen erdenklichen Varianten. Auch die Filmregisseure schmücken sich bis heute gern mit ihr, wie in "The Da Vinci Code", "From Paris with Love" oder "Midnight in Paris" zu sehen ist.

Jeder meint, den Eiffelturm zu kennen, denn dieses Symbol der Stadt Paris gehört längst zum vertrauten Mobiliar der Welt. Doch nun könnte die Dame noch einmal alle verblüffen, wie damals, 1889, als sie Gustave Eiffel für die Weltausstellung an der Seine errichtete. Der Figaro enthüllte am Mittwoch einen bislang geheimen Plan: Danach soll sich der 324 Meter hohe Eiffelturm für 72 Millionen Euro ein grünes Kleid aus 600.000 Pflanzen zulegen, um so zum "größten Baum der Erde" und zur "Lunge von Paris" zu werden. Frankreich könne damit in den Augen der Welt als "Blüte des Umweltschutzes" prunken, verheißt die Zeitung. Die Kosten sollen größtenteils Unternehmen tragen, die sich für nachhaltige Entwicklung engagieren.

Wütende Bürgerkommentare

Das - noch keineswegs beschlossene - Vorhaben hat sofort Empörung in Frankreich ausgelöst, dessen Seele bis heute ziemlich konservativ geblieben ist. Im Internet häufen sich wütende Bürgerkommentare. Das Millionenprojekt sei in diesen Krisenzeiten ein besonders schändlicher Skandal, heißt es. "Der berühmte französische Hahn ist stets bereit, sich aufzuplustern, selbst wenn er mit den Füßen in der Scheiße steht", schreibt ein Monsieur Olivier.

Die Stadt Paris und die Betreiber-Gesellschaft des Eiffelturms sahen sich daher gezwungen, die Begrünungs-Idee sogleich abzutun. Sie verfolgten kein solches Projekt, beteuerten sie. Die Ingenieursgesellschaft Ginger, die 3000 Mitarbeiter beschäftigt, versicherte dagegen, es werde sehr wohl an solchen Plänen gearbeitet. "Wir sind seit Monaten an diesem Projekt", sagte ein Sprecher von Ginger der Süddeutschen Zeitung. "Das ist keine verrückte Idee." Ginger führe bereits Gespräche mit der Regierung, der Stadt Paris sowie mit rechten und linken Politikern. Um den Eiffelturm ergrünen zu lassen, brauche man die Unterstützung beider Lager - zumal in diesen Wahlkampfzeiten.

Wasser aus einem Schlauchsystem

Das Unternehmen bestritt, dass es schon Kostenberechnungen über 72 Millionen Euro gäbe. Es bestätigte aber ansonsten den Bericht des Figaro. Demnach soll der Eiffelturm mit Netzen aus Hanf überzogen werden, an denen Jute-Taschen mit den Pflanzen befestigt werden. Diese sollen so angeordnet werden, dass der Eindruck entstehe, als ob die Vegetation sich ganz natürlich vom Boden aus nach oben ranke.

Ein zwölf Tonnen schweres Schlauchsystem soll automatisch Wasser und Nährstoffe zuführen. Nach den Plänen Gingers wird die Bepflanzung kommenden Juni beginnen und im Januar 2013 abgeschlossen sein. Nach vier Jahren werde die eiserne Dame dann aber wieder vollständig entblättert.

Der eiserne Turm als "Lebensbaum"

Derzeit werden die Pläne an einem mehrere Meter hohen Modell getestet. Als Vorbilder können zudem hängende Gärten dienen, wie sie die Pariser etwa vom "Musée du quai Branly" oder dem Geschäftsviertel La Défense her kennen. Die Befürworter der pharaonischen Aktion versprechen den Bürgern viele Vorteile. Der grüne Mantel werde Kohlendioxid, Feinstaub, Schwermetalle und Lärm schlucken, Sauerstoff produzieren, ein gutes Mikroklima schaffen, die Natur mit ihren Vögeln und Insekten in die Stadt zurückbringen und durch seinen wohltuenden Anblick den Stress und Blutdruck der Pariser senken. Der eiserne Turm werde sich in einen "Lebensbaum" verwandeln, hofft Jean-Luc Schnoebelen, der Direktor der Ginger-Gruppe.

Die Firma Sete, die den Eiffelturm betreibt, bestätigt, das Projekt zu kennen. Sie habe es jedoch nicht studiert. Vielmehr konzentriere man sich gerade auf die Umgestaltung der ersten Etage des Turms. Dieses Stockwerk werde von den Touristen bislang noch etwas vernachlässigt. Es soll nun in den kommenden beiden Jahren für 25 Millionen Euro erneuert werden.

Eislaufbahn in luftiger Höhe

Sete baut hier, 57 Meter über dem Erdboden, unter anderem einen neuen Kongresssaal, ein Restaurant, eine Boutique und einige der "schönsten Toiletten der Welt mit außergewöhnlichem Blick auf die Kapitale". Ein Teil des Bodens wird aus 36 Millimeter dicken Glasplatten errichtet, damit die Besucher den Rausch der Tiefe erleben können. Bevor diese Arbeiten beginnen, kommen jedoch erst noch die Wintersportler zum Zuge. Von Mitte Dezember bis Anfang Februar wartet der Eiffelturm in luftiger Höhe mit einer 200 Quadratmeter großen Eislaufbahn auf.

Bei Ginger wird derweil weiter am grünen Mantel geschneidert. Noch ist die Begeisterung der Franzosen gering. In einer Online-Umfrage des Figaro sprachen sich bis zum Mittwochnachmittag nur 27 Prozent für die hängenden Gärten aus. Dies muss jedoch nicht das letzte Wort sein.

Als Gustave Eiffel 1889 seinen Turm erbaute, waren viele Pariser schockiert. Künstler, Schriftsteller und Architekten nannten ihn "nutzlos", "monströs" und "barbarisch". Ihr Trost war nur, dass dieses "Skelett eines Rathausturms" (Paul Verlaine) nach 20 Jahren verschwinden sollte. Heute würde der Abriss der "Dame de fer" eine Revolution auslösen.

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