Papua-Neuguinea:Mit Muscheln zahlen - oder doch nicht

Was man für eine Handvoll Muscheln wirklich kaufen kann - ein Selbstversuch.

Margit Kohl

In Papua-Neuguinea liegt das Geld nicht auf der Straße. Es liegt am Strand. Und noch dazu reichlich. Muscheln, so weit das Auge reicht.

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(Foto: Foto: Kohl)

Sie sind oft das einzig zuverlässige Zahlungsmittel hier. Die Staatsbank druckt bisweilen nicht ausreichend Bargeld, sodass die entlegenen Winkel des Landes oft leer ausgehen. Dort besinnen sich die Einheimischen sowieso lieber ihrer alten Traditionen.

Die Frauen gehen dann Muscheln sammeln, zerstoßen sie zu kleinen Plättchen, bohren ein Loch hinein und fädeln sie auf lange Schnüre, während die Männer den Rundschliff besorgen. Die Tolai Exchange Bank in Papua Neuguinea ist die einzige Bank der Welt, die dieses Muschelgeld in harte Währung wechselt.

Doch selbst die eingetauschten 1-Kina-Münzen sind noch nach der gleichnamigen Muschel benannt, aus der das traditionelle Geld hergestellt wird. Auch deshalb haben die Münzen wie dieses ein Loch in der Mitte.

Seltene Dinge sind immer wertvoll. Und was sie hier im Hochland gar nicht haben, sind Muscheln.

Das alles fällt mir ein, als ich auf einem der Märkte in Goroka auf die ausgelegten Waren blicke. Auf den am Boden ausgebreiteten Decken bieten Händlerinnen buntgestreifte Bilums an.

Die großmaschig gehäkelten Einkaufsnetze haben so lange Trageriemen, dass die Frauen die Henkel als Stirnband um den Kopf legen, um den gefüllten Beutel auf dem Rücken nach Hause zu tragen.

Mein Gepäck ist ebenfalls schon gut gefüllt und voller Muscheln und Schneckenhäuschen vom Strand der Trobriand Inseln. Weil die Highländer schließlich Muscheln für ihren Schmuck brauchen und diese bisweilen auch als Zahlungsmittel akzeptieren, ist es an der Zeit, ein wenig Feldforschung zu betreiben. Ich biete also einer Händlerin eine weiße Kauri-Schnecke für einen ihrer Bilums an.

Brautpreis in Muscheln

Die Frau schüttelt den Kopf. Also lege ich noch eine Kina-Muschel dazu, die Frau schüttelt noch energischer den Kopf. Noch immer nicht genug, denke ich. Vielleicht wollen sie ja die unbearbeiteten Muscheln nicht, weil sie nicht so viel wert sind wie die in mühsamer Handarbeit bearbeiteten Muschelgeldstränge. Also lege ich noch eine Muschelkette drauf.

Die Frau springt auf und verschwindet.

Na ja, vielleicht wundert sie sich ja nur, so wie wir uns wundern würden, wenn jemand aus dem Baltikum in München seine Weißwürste mit einem Stück selbstgefundenen Bernstein bezahlen möchte. Aber wer weiß, wohin uns die verdammte Finanzkrise nochmal bringen wird.

Inzwischen hat sich eine neugierige Menschentraube um die Verkaufsauslage gebildet, um dem ungewöhnlichen Handel beizuwohnen. Als die Händlerin mit einem Mann zurückkehrt, bedeutet dieser, dass er der Besitzer der Ware sei. Prima, denke ich, dann kann's ja weitergehen mit dem Gefeilsche.

Der Geschäftsmann prüft interessiert meinen Einsatz und schaut sich jede Muschel einzeln an.

Dann springt auch er wortlos auf und verschwindet. Große Verwirrung. Stimmengemurmel.

Doch alsbald kehrt er mit einem alten Mann zurück, der sich die ganze Sache besieht, lange schweigt und dann den Dolmetscher gibt.

"Wo ist das Problem?", frage ich. "Sind es zu wenig Muscheln?"

"Nein", sagt der Alte, "die Leute sind nur irritiert, dass du nicht mit Geldscheinen bezahlst."

"Geldscheine oder Muscheln", antworte ich, "da ist doch bei Euch kein Unterschied?"

"Doch", sagt der Mann. "Geldscheine sind noch seltener als Muscheln, und ihr Touristen seid oft die einzige Chance, an rares Bares zu kommen. Den Brautpreis können wir noch mit Muscheln bezahlen, eine Busfahrt oder ein Bier nicht."

Ohne zu feilschen, lege ich für den Bilum die geforderten Geldscheine auf die Decke und nehme meine Muschelwährung wieder mit. Zu Hause kann ich den Muschelstrang sicher noch als Halskette tragen, sofern ich mich an den Gedanken gewöhne, damit quasi einen Teil meines Bankkontos zur Schau zu stellen. Aber was soll's, schließlich tun Frauen, die sich ein Diamantkollier um den Hals legen, auch nichts anderes.

Die restlichen Muscheln allerdings bleiben besser hier, bevor deutsche Zöllner mit Verweis aufs Artenschutzabkommen eine Strafgebühr einfordern, welche die papuaneuguineanische Kaufkraft der Muscheln bei weitem übersteigen würde. Also, zurück an den Strand damit.

Soll sie doch ein anderer finden und damit steinreich werden.

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