Palio in Siena:Aus dem Rennen

Geht eine seit dem Mittelalter bekannte Tradition zu Ende? Italiens Tourismusministerin will den Palio in Siena abschaffen.

Rasende Reiter, bunte Fahnen, mittelalterliche Kostüme - der Palio von Siena zieht jedes Jahr Zehntausende Besucher aus aller Welt an. Am 16. August werden die verschiedenen Stadtviertel wieder zu einem der traditionellen Pferderennen auf der Piazza del Campo antreten. Für die toskanische Stadt sind diese Spektakel Teil ihrer Identität und wichtige Einnahmequelle.

Nun hat es ausgerechnet die italienische Tourismusministerin gewagt, laut darüber nachzudenken, ob Veranstaltungen wie der Palio noch zeitgemäß sind. Michela Vittoria Brambilla sagte: "Wenn Katalonien den Stierkampf aufgibt, könnten auch wir in Italien ein paar Rennen aufgeben." Es fänden zu viele Veranstaltungen statt, bei denen Tiere misshandelt werden. Berichte über derlei Gewalt gegen Tiere schadeten zudem dem Ansehen Italiens. Auch über den Palio in Siena müsse man darum nachdenken.

Das kam nicht gut an im stolzen Siena. Er werde die Ministerin anzeigen, hat Bürgermeister Maurizio Cenni angekündigt, wenn sie weiter von Tiermisshandlungen beim berühmtesten Fest seiner Stadt spreche. Siena halte sich an die von der Regierung erlassenen Schutzbestimmungen.

Schläge mit dem Ochsenziemer

Die Frage, wie es um den Tierschutz steht bei solchen Pferderennen, ist nicht neu. Die Wettkämpfe von Siena sind die bekanntesten, aber Palii gibt es in vielen Orten von Venetien bis Sizilien, und bei einigen treten auch Ochs und Esel an. In Siena sind Ochsenziemer erlaubt, mit denen die Jockeys Ross und Reiter der rivalisierenden Stadtviertel traktieren.

Aber schlimmer ist für die Kritiker, dass bei den wilden Jagden über die provisorischen Rennbahnen auf historischen Stadtplätzen Pferde stürzen und sich verletzen. Es gibt nicht wenige Berichte darüber, dass Pferde nach diversen Palii wegen ihrer Blessuren getötet werden mussten.

All das ruft immer wieder Tierschützer auf den Plan, die das als zu hohen Preis für eine Volksbelustigung empfinden. Im Mai zog eine Gruppe von ihnen beim Palio von Ferrara mit Totenkopffahnen und "Mörder, Mörder"-Rufen durch die Stadt. Sie dürften sich freuen über das, was die Ministerin nun angekündigt hat: Sie will sich für Zuschüsse an touristische Veranstaltungen einsetzen, bei denen keine Tiere ausgenutzt werden. Andrea Bachstein

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