Overseas Highway zu den Florida Keys:Tropische Perlen an der Betonkette

Florida Keys Overseas Highway

Nicht an vielen Orten kann man mit dem Auto auf das offene Meer fahren - auf dem Overseas Highway schon.

(Foto: iStock)

Auf den Florida Keys lebten einst Piraten, später Ernest Hemingway. Heute bietet der Overseas Highway eine Tour zur Südspitze der USA. Dort hat man sich geschworen, Key West dem Paradies so ähnlich wie möglich zu machen.

Von Irene Helmes

"Eine einsame Insel vor der Küste Floridas, schwül und sinnlich, umhüllt von der unheimlichen Drohung des Meers." Das war Key Largo, zumindest 1948 laut Kinotrailer des gleichnamigen Humphrey-Bogart-Thrillers. Eine nicht ganz so einsame Insel vor der Küste Floridas, schwül und touristisch, umhüllt von Bungalows, Hotels, Bootsverleihen, Kneipen und Fastfood-Lokalen, könnte man sieben Jahrzehnte später sagen.

Hübsch hässlich also? Nein, das ist höchstens der unmittelbare Blick von der "Route 1", biegt man von Floridas Festland auf diese erste größere Insel ein. Hinter der Bebauung gibt es teils nur wenige Meter von der Straße entfernt Mangroven, Palmen, Vogelschutzgebiete sowie mit dem John Pennekamp Coral Reef State Park eine der berühmtesten Tauchgegenden der USA. Und Key Largo ist erst der Anfang. Wie Perlen an einer Kette ziehen sich Hunderte, winzige bis mittelkleine Inseln von der Küste südlich von Miami hinaus ins offene Meer. Diese Kette wiederum ist keine Metapher. Sie ist aus Beton und Stahl und heißt Overseas Highway. Darauf rollen Autos in das meist strahlende Blau der amerikanischen Tropen, auf die Florida Keys.

Warum Hamsterrad, wenn es Flipflops gibt?

Hier im äußersten Süden der USA ist wenig zu spüren vom Rentnermekka, das gerade Deutsche oft mit Florida assoziieren. Die Nähe zur Karibik, zur multikulturellen Metropole Miami und zur Einsamkeit des Everglades-Nationalparks prägt die Atmosphäre. Es gibt Luxus-Resorts für die Reichen hier, doch besonders gern präsentieren sich die Keys als Heimat von Aussteigern und Querköpfen. Auf die Freibeuter, die einst die Inseln unsicher machten, finden sich noch Anspielungen wie die Station "Pirate Radio". Inzwischen hat sich hier so mancher seinen Hippie-Traum verwirklicht, wie knallbunte Schilder an Läden und die betont entspannte Attitüde der Einheimischen unterstreichen. Wozu sich im Hamsterrad der Städte kaputtstrampeln, wenn es ein Leben in Flipflops gibt?

Florida keys

Die Inseln der Florida Keys - verbunden werden sie vom "Overseas Highway".

(Foto: sde)

Ab und an wird es aber doch hektisch auf den Keys. Der Nationale Wetterdienst listet die Inseln als eine der am stärksten von Hurrikanen bedrohten Gegenden der USA. Obwohl sie seit Jahren von schlimmeren Stürmen verschont geblieben sind, bleibt das Risiko vor allem zwischen Mitte August und Ende September. Wenn diese Zeit aber überstanden ist und sich die Landsleute in New York und Chicago mit ihren Wintermänteln gegen Schneestürme wappnen, passiert auf den Florida Keys: eher nichts. Beziehungsweise das, wovon die Menschen im Wintermantel dann träumen. Der "Sunshine State" Florida hat seinen Namen verdient und die Keys bieten mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 25 Grad fast nahtlosen Sommer.

Palmen, Sonne, Meer - also auf zum Strand? Die Keys versprechen zwar das schöne Leben, doch als Badeparadies gehen sie nicht durch. Schließlich sollte man weder direkt von der "Route 1" ins Wasser hüpfen, noch sind Mangroven die geeignete Umgebung dafür. Ein Korallenriff verhindert fast überall, dass sich Sand an den Ufern sammelt. Neben der Insel Islamorada bietet sich Strandfans immerhin der Bahia Honda State Park als Stopp an. Wer den Eintritt zum Park bezahlt hat, kann sich je nach Laune Fahrräder oder Kajaks mieten oder direkt ein Plätzchen auf dem kilometerlangen weißen Sand suchen. Vom übermütigen Kopfsprung in den hier fast kristallklaren Atlantik sei aber abgeraten: So flach ist das Wasser hier, dass man teils Hunderte Meter watet, bevor etwas Ähnliches wie Schwimmen möglich ist.

Florida Keys

Der Strand des Bahia Honda State Park, 1992 zum damals schönsten Strand der USA gekürt.

(Foto: Irene Helmes)

Auf der Höhe von Bahia Honda lässt sich bewundern, was manche zu Beginn des 20. Jahrhunderts das achte Weltwunder nannten - die Overseas-Eisenbahn. Ein Jahrhunderthurrikan riss 1935 das noch junge Prestigeprojekt teilweise mit sich. Zugverkehr zwischen Miami und Key West ist seither wieder Geschichte. Die "Friends of Old Seven" versuchen heute zu retten, was zu retten ist, und die Relikte zum Teil eines neuen Ökotourismus zu machen. Angler und Jogger nutzen die Konstruktion der einstigen Eisenbahnbrücke für sich. Neben ihr verläuft heute mit der neuen Seven Mile Bridge einer der spektakulärsten Abschnitte des Overseas Highway - nun ist es nicht mehr weit bis nach Key West.

Florida Keys, Overseas Railroad, Bahia Honda State Park

Die Relikte der alten "Overseas Railroad" auf der Höhe des Bahia Honda State Parks.

(Foto: Maisna - Fotolia)

Unabhängigkeit - für eine Minute

Ohne größere Stopps erlaubt der Overseas Highway den Trip von Miami nach Key West in weniger als vier, von Key Largo aus in zwei bis drei Stunden. Für viele ist es das wesentliche Ziel, konzentriert sich in Key West doch alles, was die Inselkette ausmacht.

Dass die Bewohner der Florida Keys ein ganz eigener Schlag sind, dürfte spätestens am 23. April 1982 klar geworden sein. Da erklärten sie ihre Unabhängigkeit von den USA - für etwa eine Minute. Wie Gründungsmitglieder der "Conch Republic" noch heute berichten, wandte sich der Bürgermeister von Key West (nun "Premierminister") nach der feierlichen Proklamation umgehend an einen anwesenden Admiral der US-Marine, ergab sich im Namen der Aufständischen und verlangte eine Milliarde US-Dollar als Wiederaufbauhilfe.

Die US-Grenzbehörde hatte zuvor am nördlichen Ende der Inselkette Kontrollpunkte und Straßensperren errichtet, um Einwanderer ohne Papiere am Zutritt zum Festland zu hindern, was die Einheimischen wiederum als Schikane betrachteten. Eine Anekdote mit ernstem Anlass also. Zumal bis heute jährlich Tausende Flüchtlinge - meist Kubaner - versuchen, per Boot die Keys zu erreichen und von dort aus in ein besseres Leben zu starten.

Southernmost Point, Key West, Florida Keys, USA

Der südlichste Punkt der kontinentalen USA - ein zwiespältiges Fotomotiv.

(Foto: Naeblys - Fotolia.com)

Der vielfotografierte "Southernmost Point", vom dem aus nur noch 90 Meilen (etwa 145 Kilometer) bis nach Kuba fehlen, ist also ein zwiespältiges Wahrzeichen. Stören lässt sich die Touristenschar, die sich hier tagaus, tagein für einen Schnappschuss drängt, davon nicht. Genauso wenig wie von der Nähe zum großen Stützpunkt der Marineflieger von Key West, der sich hinter hohen Mauern und Stacheldraht verbirgt.

Key West scheint alles Störende oder allzu Ernste irgendwie wegzulächeln und kokettiert mit dem Kontrast zum als spießig und konservativ wahrgenommenen Rest des Landes. Die gerade einmal 25 000 Einwohner wünschen sich ihre Stadt als Insel der Seligen, als "aufgeklärte Gemeinschaft" aller denkbaren Modelle des Lebens und Liebens. In einer Deklaration namens "One Human Family" haben sie sich sogar dazu verpflichtet, ihre Heimat "dem Paradies so ähnlich zu machen wie wir nur können".

Das Flair von Key West ist ein Mix aus Nostalgie und einer denkbar unbekümmerten Begeisterung für gepflegten Trash. Die Wolkenkratzer von Miami und die gigantischen Shopping-Ungetüme seiner Peripherie haben Besucher im Verlauf des Overseas Highways längst hinter sich gelassen, sich entlang der Keys an eine fast völlig flache Welt gewöhnt, immer nur wenige Meter über dem Wasser.

Florida Keys

Aus der Zeit gefallen: Tanzende Statuen, gegenüber vom Hemingway-Haus in Key West.

(Foto: Irene Helmes)

Viele Straßen von Key West sind ganz ruhig, fast dörflich, gesäumt von höchstens dreistöckigen Villen aus Holz mit schattigen Veranden. Die Häuser sind oft verborgen hinter uralten Bäumen, deren Äste und Luftwurzeln den Ort wie den Außenposten eines Urwalds wirken lassen. Eine Gemeinschaft der Freigeister, umgeben vom Meer, mit fast immerwährendem Sommer und jeder Menge Bars: wenig überraschend, dass Ernest Hemingway hier einen Teil seines Lebens verbrachte.

Haus von Ernest Hemingway, Key West, Florida Keys, USA

Hemingways Haus, 907 Whitehead Street, im alten Zentrum von Key West.

(Foto: PHB.cz - Fotolia.com)

Bewunderer können heute - für den stolzen Eintrittspreis von 13 $ - das einstige Anwesen des Literaturnobelpreisträgers an einer der alten Straßen besichtigen - und nicht nur das. Denkbar, dass der Lebemann sich im Grabe umdrehen würde beim Anblick der Kitschhochzeiten, die mittlerweile in seinem Garten veranstaltet werden, sofern das Geld stimmt. Vielleicht würde er aber auch nur zu seinem Lieblingsdrink greifen und so breit grinsen wie auf den Fotos im Museum.

Kühlschrankmagnete und Sonnenuntergang

Ein paar Ecken neben den Zeugen aus Key Wests Vergangenheit stehen lässig geführte Touristenfallen: Souvenirshop neben Diner neben Souvenirshop neben Kneipe. Würde man alle Kühlschrankmagnete, echten und nachgebildeten Muscheln und bedruckten T-Shirts von Key West an eine Stelle schaffen und stapeln, sie ergäben wohl die höchste Erhebung der gesamten Florida Keys. Richtig böse sein kann man der Stadt für ihren Kommerz jedoch kaum, dazu trägt sie ihn schlicht zu ehrlich zur Schau.

Florida Keys

Souvenirshops, Cafés und Kneipen: Nachmittag im touristischen Herzen von Key West.

(Foto: Irene Helmes)

Die Besucher scheinen recht zufrieden und entspannt. Den berühmten Limettenkuchen Key Lime Pie brauchen sie nicht lange zu suchen, verhungern muss sicher kein Tourist in Key West. Ob auf der Duval Street oder um sie herum - wer trinken und feiern möchte, ist in Key West herzlich willkommen, im Zweifel auch mit weißen Socken in Sandalen und der grellen Ausstaffierung eines Junggesellenabschieds. Der Sonnenuntergang am Mallory Square von Key West schließlich, nun ja, hier gilt es einem Missverständnis vorzubeugen.

Florida Keys

Sonnenuntergang mit Riesenschatten: Blick vom Mallory Square in Key West.

(Foto: Christoph Schnellbach)

Wer in Ruhe das vielgerühmte Farbenspiel genießen will, wird kaum glücklich werden zwischen Imbissbuden und Straßenkünstlern, die kleine Schweinchen durch Reifen hüpfen lassen, sowie den Kreuzfahrttouristen, die ihr iPad für das bestmögliche Bild in die Luft heben, bevor sie zurück an Deck stapfen. Am besten stürzt man sich also ohne Hoffnung auf Romantik mit Verve ins Getümmel von Key West. Oder aber steigt wieder ins Auto und kehrt um Richtung Norden bis zu einer ruhigeren Stelle. Schließlich ist auf den Florida Keys alles nur eine kurze Fahrt entfernt.

Informationen

Anreise: Nächster großer, internationaler Airport ist Miami. Von dort mit dem Mietwagen auf der "Route 1", auch "Dixie Highway" genannt, über Florida City/Homestead nach Süden.

Beste Reisezeit: November bis Mai, die Hochsaison liegt zwischen Dezember und Februar.

Weitere Auskünfte: Offizielle Fremdenverkehrsseite der Florida Keys & Key West www.fla-keys.de/

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