Olympia in Griechenland:Gemeinsam gegen den Verfall

Olympia

Will man von einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Griechen erzählen, von Freundschaften, die entstehen, dann ist Olympia der passende Ort.

(Foto: imago stock&people)

Olympia ist eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Griechenlands - und ein Symbol für die Misere des Staates. Aber man trifft hier Griechen und Deutsche, die sich nicht mit den Zuständen abfinden.

Von Monika Maier-Albang

Wieder stehen Wolken am Himmel, und es bedarf einiger Fantasie, sich den Garten im Sommer vorzustellen, wenn alles braun und dürr sein wird. Jetzt, im Frühling, blühen die Judasbäume fliederrot, das Strauchige Brandkraut wuchert, und der Mönchspfeffer versucht, es einzuholen. Odysseus soll sich mit den elastischen Zweigen dieser Pflanze an den Widder gebunden haben, der ihn aus der Höhle des Polyphem trug. Die Wilde Pistazie, der Stechende Mäusedorn und natürlich die Wilde Olive, mit der die Sieger bekränzt wurden, all das, was der Reiseschriftsteller Pausanias im zweiten nachchristlichen Jahrhundert beschrieb, als er Olympia besuchte, ist hier gepflanzt. Das meiste gedeiht, nur der Salbei nicht. "Diese Wiese ist zu feucht", vermutet Eleni Gazi. "Das Klima hier ist wie im Dschungel."

In Olympias Dschungel also, im Garten des Pausanias, steht der Besucher in Griechenlands Misere. Bürokratismus, Wirrnis um Zuständigkeiten, Fehlplanungen - alles ist hier zu finden. Und auch das Gegenteil. Will man von einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Griechen erzählen, von Freundschaften gar, die daraus entstehen, dann ist Olympia ebenso der passende Ort.

Den Garten legten Botaniker aus Athen auf dem Gelände der Ausgrabungsstätte an, nachdem ein Waldbrand 2007 die Hänge darüber kahl gefressen hatte. Grün und schön sollte alles wieder werden; nur fühlte sich danach von offizieller Seite niemand zuständig. Ein botanischer Garten aber brauche Pflege, schimpft Gazi. Deshalb kniet die Athenerin mit ihren 73 Jahren auf einer Plastikplane. Daneben steht Elke, die Eleni Gazi "meine Seelenschwester" nennt. Elke hieß einst Fröhlich, heute heißt sie Spiliopoulou. In Olympia lebt die 76-Jährige seit 1967. Sie war Lehrerin damals, jung und mutig, mit ihrem Auto setzte sie von Italien nach Griechenland über, kam am 21. April an, als das Militär putschte. Elke fuhr trotzdem weiter. Sie wollte die antiken Stätten sehen. Der Mann, der ihr in Olympia den Weg zum Zeus-Tempel erklärte, wurde ihr Ehemann.

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Ohne Elke, die Hotelbesitzerin, und Eleni, die Vorsitzende des Vereins Elix, gäbe es den Garten nicht mehr. Elke Spiliopoulou hat Geld aus Deutschland aufgetrieben, damit Eleni Gazi ab und an mit Freiwilligen anrücken kann. Neun junge Leute aus Zypern, Frankreich, Russland, Griechenland und Südkorea hat sie diesmal dabei; sie hacken gemeinsam mit Helfern vom Naturfreundeverein Olympia Unkraut von den Wegen, zupfen von Gras überwucherte, duftende Pfefferminze frei. Und die Ephorie, die Behörde, die für das Gelände zuständig ist? Eine der Mähmaschinen habe sie dort ausleihen wollen, erzählt Gazi - sie hat sie nicht bekommen. Die Wasserleitung ist defekt. Sie wird nicht repariert. Und den Freiwilligen, die zehn Tage ohne Bezahlung hier arbeiten, hätte Gazi gerne das Museum gezeigt. Dem Verein fehlt dafür das Geld, und der neue Verwalter, sagt sie, habe ihnen den Eintritt nicht erlassen. "So kann man Engagement ausbremsen."

Gärtner arbeiten als Wächter, damit die Öffnungszeiten erhalten bleiben können

Der neue Verwalter, Christos Matzanas, sitzt in seinem Büro auf einem Hügel über dem Gelände und er wirkt gar nicht wie jemand, der sich nicht kümmern wollen würde. Man trifft ihn spätabends; die Fahrt von Athen nach Olympia zieht sich; die entlang der Nordküste des Peloponnes verlaufende Autobahn ist eine Dauerbaustelle. Kein Problem, hatte Matzanas gesagt, er sei ohnehin lange im Büro, "viel Arbeit!"

Der Garten scheint für ihn tatsächlich nur ein nachrangiges Problem zu sein. Seit drei Monaten ist er in dem Amt, das er in Sparzeiten übernommen hat. Planstellen wurden nicht wiederbesetzt; gerade lässt Matzanas Gärtner zu Wächtern umschulen, damit er die Öffnungszeiten halten kann. Weniger als 15 Aufpasser auf dem Gelände könne er nicht verantworten, sagt Matzanas, und das sei "grenzwertig" wenig. Olympia mit seinem symbolträchtigen Stadion, den Ruinen des Zeustempels und der Werkstatt, in der Phidias die Zeusstatue schuf, ist eine der meistbesuchten touristischen Stätten des Landes. 450 000 Tickets habe man 2014 verkauft, sagt Matzanas - und die Zahl steige von Jahr zu Jahr. Glücklich ist man im Ort trotzdem nicht: Mehr werden nämlich nur die Kreuzfahrt-Touristen; Individualurlauber und Busreisende hielten sich zuletzt mit Griechenlandreisen zurück. Von den Passagieren aber, die in Katakolo anlanden, profitieren die Hoteliers nicht, Tavernenbesitzer und Souvenirhändler kaum. Zu kurz sind die Menschen am Ort. Und gegessen wird an Bord. Nun hoffen sie in Olympia, dass der Aufschwung kommt, der dem Tourismus im Land für dieses Jahr vorhergesagt ist, seit Urlauber keine Demos mehr befürchten müssen oder Streiks, die ihre Reiseplanungen behindern. Griechenland wird derzeit wieder mehr gebucht, auf dem Peloponnes mit den antiken Stätten, Stränden und dem überraschend bergreichen Hinterland wird man das merken. "Erfreulich" nennt Matzanas diese Wiederentdeckung, und er will gerüstet sein. Unterstände müssten her, damit die Wächter nicht bei Wind und Regen im Freien stehen. Der Eingang soll verlegt werden, um Platz für mehr Kassenhäuser zu schaffen - und weil der jetzige Zugang der neuen Grabung am Gymnasium, der einstigen Trainingsstätte der Sportler, im Weg ist.

"Wir sind beinahe verwandt": Es gibt hier eine lange Tradition der Zusammenarbeit

So buddeln die Griechen am Eingang. Und ihre deutschen Kollegen schütteln darüber den Kopf. Seit 1874 sind deutsche Archäologen in Olympia. Für das Deutsche Reich, später auch für die nationalsozialistischen Herrscher waren die Grabungen ein Prestigeobjekt. Für die Griechen war die Freilegung der panhellenischen Kultstätte identitätsstiftend. Was der Wissenschaft dient und was vor allem der Staatsräson, darüber herrschte in Olympia häufig Dissens. Die deutschen Forscher erwarten von der jüngsten Ausgrabung keine neuen Erkenntnisse über die Anlage, die Grabung, mutmaßen sie, sei eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, ersonnen von einem hohen Beamten aus der Region, der dadurch sein Ansehen mehren wolle. Das Deutsche Archäologische Institut will lieber unterhalb der ehemaligen Agora graben, wo die Sportler sich zum Festzug formiert haben dürften. Man hat keine Vorstellung, wie der Platz einst aussah und ob der reißende Fluss Alpheios überhaupt etwas übrig ließ. Aber genau das, dass man nicht weiß, was einen erwartet, mache den Reiz einer Ausgrabung aus, sagt der Grabungsleiter des Deutschen Archäologischen Instituts, Reinhard Senff.

Allerdings wissen die Forscher auch, dass man behutsam miteinander umgehen sollte, will man sein Ziel erreichen. Nach 140 Jahren gemeinsamer Grabungsgeschichte kennt jede Seite die Eigenheiten der anderen. Die Deutschen mögen genervt sein von den langen Entscheidungswegen der Griechen, die Griechen von der Besserwisserei der Deutschen - man sagt es nur nicht laut. Es sind die Reiseleiter, die berichten, dass im Winter Eimer unter dem undichten Dach des Museums stehen. Oder dass die Kassenhäuschen, die 2004 in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele auf dem Busparkplatz errichtet wurden, jetzt ungenutzt verrotten.

"Das sind Fehlplanungen, die uns selbst ärgern", sagt Elke Spiliopoulou, so wie sie immer "wir" sagt, wenn sie von Griechenland spricht. Sie hat Tsipras gewählt, sie hofft wie viele Griechen, dass das Linksbündnis sein Versprechen hält und die Korruption bekämpfen wird. Selbst wenn die Neuen polternd und ungeschickt auftreten, "unsere junge Regierung hat eine Chance verdient", fordert Spiliopoulou.

Mittagszeit auf dem Ausgrabungsgelände. Die Arbeiter haben sich Essen kommen lassen. Die vier Euro, die jeder gibt für Hühnchen mit Pommes, Weißbrot und Wein aus der Plastikflasche, leistet man sich sonst nicht mehr oft. Sogar die Osterlämmer haben in diesem Jahr viele beim Discounter gekauft, obwohl man für gewöhnlich zum Metzger geht. Zum Mittagessen nehmen sich die Arbeiter sonst etwas mit von daheim. Heute aber liegt das Bestellte auf den Säulentrommeln, die vielleicht einmal zusammengepuzzelt werden. Das Brot geht von Hand zu Hand, Griechen reichen es Deutschen, Deutsche reichen es Griechen, "wir sind hier doch beinahe verwandt", sagt einer der Griechen.

Olympia, das Dorf, entstand im Zuge der Grabungen. Die Grabungen fingen mit den Deutschen an, so denkt man hier. "Wenn die nicht wären, wär' hier doch gar nichts", sagt Alexandros Papalampros. Der Steinmetz stammt aus Olympia, war schon auf der Akropolis tätig, jetzt ist er wieder zu Hause und froh darüber. Die Deutschen, sagt er, seien ein sicherer Arbeitgeber. "Sie erwarten mehr, aber sie zahlen auch besser." Gerade arbeitet er an der Säule des Kallikrates. Der Flottengeneral, der am Hof Ptolemaios II. in Alexandria diente, hatte die Marmorsäule zu Ehren des Herrschers sowie dessen Schwester und Frau Arsinoë vor der Echohalle aufstellen lassen. Ein Großteil des Originals ist erhalten, die Ergänzungen fertigen Papalampros und sein Kollege Gerrit Höfig an. Höfig kommt aus Meißen, auch er ist Steinmetz. Nur habe er, wie er sagt, "in Sandstein gelernt, Alex in Marmor". Das passe gut zusammen. "Wir ergänzen uns."

Nur Zeit braucht es eben, bis hier etwas steht. Erstmals in einer Doktorarbeit beschrieben wurde die Säule 1971. Wer 2016 kommt, kann sie wohl schon sehen.

Informationen

Anreise: von München nach Athen fliegen verschiedene Airlines, hin und zurück ab ca. 190 Euro, weiter mit dem Mietwagen.

Reisearrangements: Der Studienreiseanbieter Studiosus hat mehrere Rundreisen mit Besichtigung von Olympia im Programm, z. B. acht Tage "Griechenland Höhepunkte". Hier werden auch die Akropolis, das Theater von Epidauros und Delphi besucht, ab 1295 Euro p. P. inkl. Flug. Bei der Familienreise "Land der Götter" ist ein Lauf durchs Stadion in Olympia geplant; ab 789 Euro (Kinder) und 1989 Euro (Erwachsene), www.studiosus.com

Weitere Auskünfte: Naturfreundeverein Olympia, www.olympianature.gr. Über die Organisation Elix können freiwillige Helfer für den Zeitraum von einer Woche bis zu zwölf Monaten in Naturschutzprojekten in Griechenland mitarbeiten, Elix kümmert sich auch um die Instandhaltung historischer Gebäude und Wege, www.elix.org.gr

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