Nofretete-Büste vor 100 Jahren entdeckt:Die Schönheit aus dem Wüstensand

"Beschreiben nützt nichts, ansehen", notierte der Archäologe Ludwig Borchardt nach dem Fund der Nofretete-Büste. Das altägyptische Antlitz mit den Zügen einer heutigen Hollywood-Schönheit ruhte mehr als 3000 Jahre im Wüstensand. Inzwischen empfängt die Königin jährlich rund eine Million Besucher in Berlin. Zur Jubiläums-Schau dürfen sie sie sogar berühren - ein bisschen.

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Nofretete

Quelle: dpa

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"Beschreiben nützt nichts, ansehen", notierte der Archäologe Ludwig Borchardt nach dem Fund der Nofretete-Büste. Mehr als 3000 Jahre lang war die Schönheit im Wüstensand vergraben. Nun empfängt die Königin ihre Besucher in Berlin, jedes Jahr etwa eine Million Menschen.

Am 6. Dezember 1912 bargen Mitarbeiter der Deutschen Orient-Gesellschaft im ägyptischen Amarna das Abbild einer königlichen Schönheit, die bald weltberühmt werden sollte. Projektleiter Ludwig Borchardt notierte im Grabungstagebuch: "Lebensgroße, bemalte Büste der Königin, 47 cm hoch. Mit der oben gerade abgeschnittenen blauen Perücke, die auf halber Höhe noch ein umgelegtes Band hat. Farben wie eben aufgelegt. Arbeit ganz hervorragend. Beschreiben nützt nichts, ansehen. Pendant zu der Büste des Königs (...). Nur die Ohren u. etwas von der r. Seite der Perücke bestoßen." Ausgerechnet an diesem Tag hatte Borchardt hohen Besuch an der Grabungsstätte, was ihm offenbar gar nicht recht war.

Fundjournalkarte im Neuen Museum in Berlin

Nofretete, Ägypten

Quelle: SZ

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So notierte der Archäologe: "Während dieser Funde herrscht mehr Aufregung unter den Besuchern (Prinz Johann-Georg von Sachsen mit Frau und Schwägerin sowie Prinzessin Mathilde v. Sachsen) als vielleicht wünschenswert. 4h15 (16.15 Uhr) ab zum Haus. Senussi meldet er habe noch 3 Gipsköpfe u. einen Granitfuß gefühlt. 4 Wächter an die Stelle gelegt. Tee auf der Veranda. Bei Sonnenuntergang gehen die Gäste zum Dampfer, der mittlerweile in die Nähe von Hagg Qandil gekommen ist, zurück. 7h30 treten wir alle 6 in Kaki zum Dinner an. 9h30 zum Haus zurück. Tagebuch. 12h40 zu Bett nach diesem Duseltage."

Ausgrabungsstätte des Nordpalastes der Königin Nofretete in Tell el-Amarna, Ägypten

Nofretete, Ägypten

Quelle: dapd

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Der Fundort Amarna liegt auf halber Strecke zwischen Luxor und Kairo. Hierher hatte der Pharao Echnaton, Gatte von Nofretete, seine Königsstadt Achet-Aton verlegt, um dem Sonnengott Aton zu huldigen. Im Südteil der Stadt stießen die Forscher auf eine ungewöhnlich gut erhaltene Werkstatt: Sie gehörte Thutmosis, Oberbildhauer des Pharaos. Mehr als 50 Kunstwerke in den verschiedensten Fertigungsstadien fanden die Archäologen in dem Haus: Modelle, Entwürfe, Gipsabdrucke, fertige Skulpturen. Aber nur der Kopf der Nofretete war reich bemalt.

Modelle für Gipsnachbildungen der Büste der Nofretete stehen in Berlin in der Gipsformerei der Staatlichen Museen

Nofretete, Ägypten

Quelle: dapd

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Auf der Kalksteinbüste finden sich zwar keinerlei Hieroglyphen. Aufgrund ihrer charakteristischen "Krone" konnte Borchardt sie jedoch der Nofretete zuordnen. Schon auf anderen Porträts der Königin war sie damit abgebildet worden. Die Büste wird zur "späten Amarna-Phase" gezählt, den letzten Regierungsjahren Echnatons. Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Abbild seiner Gemahlin um etwa 1340 vor Christus gefertigt wurde. Sie soll das Bildhaueratelier von Thutmosis nie verlassen haben. Bis zum 6. Dezember 1912.

Nofretete, Ägypten

Quelle: Getty Images

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Insgesamt wurden in Amarna mehr als 10.000 Fundstücke geborgen. Wie damals noch üblich, teilten Deutsche und Ägypter den Fund je zur Hälfte, Nofretete kam nach Berlin. Und obwohl mit Datum vom 20. Januar 1913 ein exaktes Teilungsprotokoll vorliegt, wurde die schöne Königin schon bald zum Zankapfel zwischen den beiden Ländern. Schon bei der ersten öffentlichen Präsentation 1924 in Berlin forderte Kairo das wertvolle Stück zurück. Wohl auch um dies zu verhindern, hatte ihr Entdecker Borchardt verhindern wollen, dass die Büste überhaupt ausgestellt wird. Bis heute schwelt der Streit zwischen Ägypten und Deutschland.

Nofretete, Ägypten

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Der Frauenkopf mit den mandelförmigen Augen, der geraden Nase und den geschwungenen, vollen Lippen gilt neben der Mona Lisa als berühmteste Frau der Kunstgeschichte. Für den Vorsitzenden der Deutschen Orient-Gesellschaft, Markus Hilgert, ist es faszinierend, dass ein 3400 Jahre altes Kunstwerk "uns immer noch so sehr anzieht: Sie ist uns in ihrer Schönheit vertrauter als andere Kunstwerke aus ihrer Zeit". Ihre Gesichtszüge, so Hilgert, näherten sich unserer Ästhetik an: Dieses altägyptische Antlitz könnte auch einer Hollywood-Schauspielerin gehören.

Nofretete

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Ihr Name passt zu ihrem Aussehen: Nofretete kommt von "Neferet iti" ("Die Schöne ist gekommen"). Sie war Gemahlin des Königs Echnaton, den sie mit etwa 16 Jahren heiratete. Nofretete gebar ihm als Hauptgemahlin sechs Töchter. Ob sie auch die Mutter des durch seine goldene Totenmaske berühmten Pharao Tutanchamun war, ist in der Wissenschaft umstritten.

Nofretete, Ägypten

Quelle: Jose Ignacio Soto/iStockphoto

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Echnaton führte erstmals einen Monotheismus in Ägypten ein, indem er den Gott Aton zum einzigen Gott für die ägyptische Königsfamilie erhob.

Nofretete auf der Berliner Museumsinsel

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Seit 2009 residiert die schöne Dame im nördlichen Kuppelsaal des von David Chipperfield sanierten Neuen Museums. Hinter schusssicherem Glas blickt sie majestätisch auf den Besucherstrom.

Nofretete, Ägypten

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Etwa eine Million Berliner und Touristen wollen sie jährlich aus der Nähe bewundern.

Nofretete, Ägypten

Quelle: dapd

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Das Ägyptische Museum und die Papyrussammlung Berlin eröffnen zum Jahrestag die Sonderausstellung "Im Licht von Amarna. 100 Jahre Fund der Nofretete". Die Schau ist von 7. Dezember 2012 an bis zum 13. April 2013 im Neuen Museum auf der Museumsinsel zu sehen. Neben der weltberühmten Büste der Pharaonengattin werden erstmals Hunderte nie gezeigte Schätze von den damaligen Ausgrabungen vorgestellt - darunter Amphoren und Vasen, Vorratsgefäße und wertvoller Schmuck. Eine Büste von Nofretetes Gemahl Echnaton, die in mehrere Stück zerschlagen war, wurde extra für die Ausstellung restauriert.

Nofretete, Ägypten

Quelle: dpa

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Besondere Höhepunkte sind das Grabungstagebuch und das Protokoll über die damalige Fundteilung zwischen Deutschland und Ägypten. Der Nofretete selbst wird eine Bronze-Replik zur Seite gestellt, so dass blinde (und auch sehende) Besucher die Schönheit der Königin ertasten können. In diesem Jahr werden noch mehr Menschen als sonst erwartet, die der Pharaonin mit dem Schwanenhals ihre Aufwartung machen.

© Süddeutsche.de/dgr/kaeb mit Material von dpa und AFP/rus
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