Neuregelung bei der Bahn:Bei Verspätung Geld zurück

Bahnkunden haben vom 1. Oktober an bei erheblichen Verspätungen einen Rechtsanspruch auf Entschädigung. Eine entsprechende Regelung, die nur bei Fernreisen gilt, werde in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen, so Bahnchef Hartmut Mehdorn.

Von Jost Maurin

Bislang entschädigt die Bahn ihre Kunden nur auf freiwilliger Basis. Bei mehr als einer Stunde Verspätung sollen 20 Prozent des Fahrpreises erstattet werden. Die Bundesregierung begrüßte die Ankündigung. Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisierte die vorgesehenen Entschädigungen als nicht ausreichend.

Erstmals gelte die Regelung für die "gesamte Reisekette", betonte Mehdorn. Demnach hat auch derjenige Anspruch auf Entschädigung, der wegen einiger Minuten Verspätung einen Anschlusszug verpasst und erst eine Stunde später weiterreisen kann. Die Bahn wird den Plänen zufolge jeweils Gutscheine in Höhe von mindestens fünf Euro verteilen. Verspätungen wegen "höherer Gewalt" wie Selbstmorden oder Unwettern sind laut Mehdorn jedoch von der Entschädigungsregelung ausgenommen. Das betreffe 35 bis 40 Prozent der Fälle.

Kann die Reise bis 24 Uhr nicht wie geplant fortgesetzt werden, bezahlt das Unternehmen den Plänen zufolge bis zu 80 Euro für eine Übernachtung oder Taxifahrt. Zur Zeit bietet die Bahn dies erst ab 1 Uhr nachts an. Insgesamt seien die neuen Regelungen für die Kunden günstiger als die bisherigen, sagte Mehdorn.

Derzeit erhalten Fahrgäste von der Bahn auf dem Weg der Kulanz bei ICE-Verspätungen ab 30 Minuten Reisegutscheine für zehn Euro, ab 90 Minuten für 25Euro. Die neue, rechtsverbindliche Regelung gilt für alle Fernzüge. Sie soll am 1. Oktober in Kraft treten.

Künast: Gesetzliche Regelung überfllüssig

Damit gehen monatelange Verhandlungen zwischen Bundesregierung und Bahn zu Ende. Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucherschutz, sagte, die Selbstverpflichtung des Unternehmens mache eine gesetzliche Regelung überflüssig. Eine solche hätte auch nicht bis zum 1.Oktober umgesetzt werden können. Dennoch seien die neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen rechtsverbindlich, erläuterte die Grünen-Politikerin.

Die Klauseln zur Entschädigung könne die Bahn schon wegen der dann zu erwartenden "politischen Auseinandersetzungen" nur noch schwer wieder ändern. Außerdem werde eine "verkehrsträgerübergreifende Schlichtungsstelle Mobilität" künftig Fälle regeln, die nicht von den Geschäftsbedingungen erfasst seien. "Das ist schon ein wichtiger Schritt", lobte Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) die Erklärung der Bahn. Die Regelung sei "in Europa vorbildlich".

Die Kosten wollte Mehdorn nicht genau beziffern, sprach aber von einem Betrag in Millionenhöhe. Der Anteil der Züge, die mehr als 60 Minuten zu spät ankämen, liege im Promillebereich. Weniger als zehn Prozent der Züge hätten mehr als fünf Minuten Verspätung. Im Nahverkehr werde den Fahrgästen kein Entschädigungsanspruch eingeräumt, da die Busse und Bahnen von Verkehrsverbünden oder den Ländern betrieben würden.

Diese erhielten auch regelmäßig einen Ausgleich für Verspätungen. Auch wer seinen Fernzug zum Beispiel wegen einer verspäteten S-Bahn verpasse, habe keinen Anspruch auf einen Reisengutschein, erklärte Mehdorn.

"Das sind Peanuts"

Beim Fahrgastverband Pro Bahn stießen die Pläne auf Kritik. "Wir sind überhaupt nicht zufrieden", sagte Verbandschef Karl-Peter Naumann. "Die Entschädigungen, die da gezahlt werden, sind Peanuts." Sie lägen teils deutlich unter dem bisher von der Bahn aus Kulanz gezahlten Ausgleich. Bahncard-Kunden, die auf der Strecke von Hamburg nach Kassel 60 Minuten Verspätung einfahren, müssten sich für 5,40 Euro Entschädigung für einen Gutschein anstellen, rechnete Naumann vor.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) forderte nochmals eine gesetzliche Regelung. "Wenn man etwas kauft, hat man ein Recht auf Entschädigung. Das muss endlich auch für öffentliche Verkehrsmittel gelten", sagte Bahn-Expertin Heidi Tischmann. Die Ausnahmen für die Bahn im Bürgerlichen Gesetzbuch müssten gestrichen werden. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen bewertete die Neuregelung hingegen als großen Fortschritt für die Bahnkunden.

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