Neulich in Tirol:"Gar ned so schlimm"

Neulich in Tirol: Früher ging's ja auch ohne moderne Bindung. Irgendwie.

Früher ging's ja auch ohne moderne Bindung. Irgendwie.

(Foto: Klaus Scholz/mauritius images)

Was tun, wenn am Gipfel des Padasterkogels die Bindung des Tourenskis streikt und so die Abfahrt sabotiert? Improvisieren! Und den Herrgott um Verzeihung bitten.

Von Florian Sanktjohanser

Dem Hubert stinkt's. "Und was mach ma jetzt?", ruft er in sein Handy. "Schickst uns an Helikopter rauf?" Seit einer Viertelstunde bearbeitet er meinen Ski, biegt ihn an einer Holzbank, drückt mit aller Bergführerkraft auf der Bindung herum. Es hilft nichts. Sie lässt sich nicht in den Abfahrtsmodus stellen. Das heißt: Wir sitzen auf dem Gipfel des Padasterkogels fest, 2301 Meter über dem Meer und beängstigend weit über dem Tal - während die Sonne die Gipfel ringsum schon nachmittags golden leuchten lässt.

Der Chef des Skiverleihs am anderen Ende der Leitung weiß auch keine Lösung. Ich spiele die Möglichkeiten durch. Zwei Stunden Tageslicht noch. Absteigen? Dauert zu lange. Im Telemarkstil abfahren? Wäre mangels jeglicher Erfahrung die Direttissima ins Krankenhaus.

Während ich vor mich hin brüte, fummelt der Hubert am Gipfelkreuz herum. Bald hält er den Strohkranz in der einen Hand und den Draht, der diesen gerade noch am Kreuz gehalten hat, in der anderen. "Der Herrgott wird's verzeihen", sagt meine Begleiterin. "Ja, aber der Wirt von der Hütte ned", sagt Hubert. Den Draht zieht er durch die Bindung und zurrt sie so am Ski fest. Die Enden hinten zusammen gedreht, fertig ist das Mac Gyversche Wunderwerk. "So, steig mal nei." Hält. Zumindest jetzt. Gut, dass keine Zeit zum Nachdenken bleibt.

Hubert steht schon an der Kante des winzigen Gipfelplateaus, schaut sich noch mal um und kurvt den Hang hinab. "Rutschen", schreit er von unten herauf. Ich zittere mich zwischen Grasbüscheln und Steinen durch, wage ein, zwei weite Schwünge. "Ned arg progressiv fahren", rät mir Hubert beim ersten Stopp. Klingt wie Hohn. Aber ich halte mich besser daran. Die letzte halbe Stunde pflügen wir über die Forststraße talwärts. Die Kiesel knirschen, die Oberschenkel brennen. Ich fühle mich wie ein Anfänger, der verkrampft auf der Piste herumkurvt. Es ist beschämend. Und anstrengend.

Unten am Parkplatz lacht der Hubert wieder. Auf mein Analysieren, Entschuldigen und Rechtfertigen sagt er irgendwas Nettes. War doch gar ned so schlimm. Dass ich mich in seinen Bergführeraugen blamiert habe, ist trotzdem klar. Nein, für ein gemeinsames Bier habe er jetzt leider keine Zeit mehr. Das dürfen wir dann später mit dem Chef des Skiverleihs trinken. Der so skilehrerhaft charmant ist, dass man ihm natürlich keine Minute böse sein kann. Ach, Tiroler müsste man sein.

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