Neulich in Kyaikhtiyo:Rock mitAntenne

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Myanmars neue Freiheit zeigt sich auch im Alltag: Jeder kann jetzt ungehemmt fotografieren.

Von  Monika Maier-Albang

Unterwegs nach Kyaikhtiyo, von wo aus es auf der Ladefläche eines Lasters hinaufgehen wird zum Goldenen Felsen. Der Fahrer des Busses plaudert seit der Abfahrt in Yangon ununterbrochen mit dem Beifahrer. Erst mit der Zeit versteht man, dass die Unterhaltung überlebenswichtig ist, weil der Fahrer des betagten Busses das Steuer auf der rechten Seite hat, obwohl in Myanmar Rechtsverkehr herrscht. Er sieht beim Überholen also nicht, was entgegenkommt. 1970 stellte der damalige Staatschef Ne Win von einem Tag auf den anderen von Links- auf Rechtsverkehr um. Weil er einen schlechten Traum hatte.

Taxifahrer behelfen sich vor jedem Überholmanöver mit hupen. Busfahrer in Myanmar, die noch keinen der neuen, mit Wlan und Videos ausgestatteten Überlandbusse steuern, haben stets einen Einflüsterer, der ansagt, ob die Gegenfahrbahn frei ist. Unser Beifahrer hat mittlerweile sein drittes Betel-Blatt aus der Dose geholt, das soll gegen Müdigkeit helfen. Wir sind trotzdem schon drei Ochsenkarren, einem überfüllten Pick-up und einem Laster bedenklich nahe gekommen. Jetzt wäre Beistand von oben gut. In der ersten Reihe sitzt ein Mönch. Aber was tut er? Meditiert nicht, betet nicht. Er telefoniert, und das seit drei Stunden.

Myanmar ist ein anderes Land, seitdem die Militärregierung ihre Macht stückweise abgibt. Man spürt den Aufbruch in vielen kleinen Dingen. Den privaten Gästehäusern, die es auf einmal vermehrt gibt und die sicher dazu beitragen werden, dass sich im Land eine Mittelklasse etablieren kann. Den E-Motorrollern in Bagan, die für Gäste das Fahren auf den Sandpisten einfacher, den Kutschern das Leben aber schwerer machen. Vor allem aber sieht man den Wandel an den Handys, die im Kernland auf einmal gefühlt jeder in der Hand hält. Mobiltelefone waren bis vor Kurzem ein Privileg der Einflussreichen. Manch alter Kader hat in seinem Longyi, dem traditionellen Wickelrock, noch ein unförmiges Mobiltelefon mit Antenne stecken. Die Jungen tragen Samsung oder Huawei. Die asiatischen Nachbarn erobern den Markt rasend schnell. Auf den Straßen Yangons machen die Handy-Händler ein gutes Geschäft. Im Angebot auf dem Abendmarkt: "Gebrauchtes", wo immer das herkommen mag, für 80,90 Dollar. Das ist viel Geld in Myanmar, aber doch erschwinglich für viele, die nun einen Zugang zur Welt bekommen, den es bislang für sie nicht gab.

Wobei die Myanmaren auch vormachen, was man mit dem Handy sonst noch anfangen kann. Gebetstexte darauf speichern, zum Beispiel. Um sie dann, auf dem Boden hockend, zu rezitieren. Oder sich möglichst unbewegt vor einem Riesen-Buddha ablichten. Wer sich als Tourist außerhalb einer Gruppe bewegt, muss damit rechnen, auf unzähligen solcher Familienfotos zu landen. Gerne mit Kind. Oder mit Oma. Oder mit Kindern und Oma. Manchmal aber wirft einem jemand auch das entschuldigende Lächeln zu, das man selbst schon so oft aufgesetzt hat nach einem geraubten Bild. Zu Hause im Dorf werden es die Pilger, die selbst als Gäste in Bagan oder Kyaikhtiyo waren, wohl herzeigen: Touristin begießt Mittwochs-Buddha am Shwedagon, Tourist klebt noch eine Schicht Blattgold auf den Goldenen Felsen, Touristin trägt unseren Longyi, wie witzig. Aber schön doch irgendwie, dass die Leute hier noch einen Blick für andere haben. Bald wird das vorbei sein. Dann starrt kein Kind mehr den großen, blonden Menschen hinterher, und das Handy hat längst einen Begleiter bekommen. Den Selfie-Stick zu importieren, haben die Chinesen sich wohl noch aufgehoben. Fürs nächste Jahr.

© SZ vom 19.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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