Neues Besucherzentrum für Stonehenge:Ende der Peinlichkeit

Stonehenge Bild im neuen Besucherzentrum im Südwesten Englands nahe Amesbury

360-Grad-Ansicht von Stonehenge im neuen Besucherzentrum. Danach kann, wer mag, einen Minizug zu den echten Steinen nehmen.

(Foto: AFP)

Das alte Besucherzentrum neben dem prähistorischen Stonehenge, eines der bekanntesten Altertümer der Welt, war "eine nationale Schande". Dies erkannte das britische Parlament bereits vor 24 Jahren.

Von Petra Steinberger

Das erste, was an Stonehenge auffällt, ist, wie unauffällig es eigentlich ist. An einem ganz gewöhnlichen Tag ist erst einmal nichts zu spüren von spektakulären Sonnenuntergängen, wabernden Nebelschwaden oder vielleicht sogar umherirrenden Geistern der prähistorischen Erbauer.

Die viel befahrene A303 führt knappe hundert Meter südlich daran vorbei, als wäre nichts gewesen, und bis vor Kurzem führte noch eine kleinere Straße nördlich daran vorbei.

Schon etwas länger ist es her, da konnte man noch auf den Steinen herumklettern; irgendwann wurde dann mal ein Drahtzaun aus dem Baumarkt aufgestellt - zum Schutz gegen gefährliche, weil vielleicht Andenken klopfende Touristen und noch gefährlichere Neo-Hexen und Neo-Druiden, die gern zur Sommer- und Wintersonnwende ins beschauliche Devon einfallen.

Alles verlief drei Jahrzehnte lang recht unaufgeregt, man muss es ja nicht überstürzen, wenn es um die Frage geht, wie man eines der bekanntesten archäologischen Relikte der Erde ordentlich für die Nachwelt bewahrt - sicherheitstechnisch und ästhetisch. Das war für die Briten natürlich etwas peinlich gegenüber der Weltöffentlichkeit, aber "wir sind eine Insel, sind wir nicht?"

Das mit den Peinlichkeiten ist jetzt vorbei. Am Mittwoch eröffnete das neue Besucherzentrum Stonehenge, schlappe 24 Jahre, nachdem der Haushaltsausschuss des britischen Parlaments die damaligen, nun ja, Baracken für die Besucher als "nationale Schande" bezeichnet hatte.

Fast könnte man meinen, English Heritage, also das Staatsorgan, das sich um den Erhalt historischer Denkmäler kümmert, wäre 1984 just zu dem Zweck gegründet worden, so sehr baten und bettelten die Vorsitzenden um den angemessenen Respekt für "The Henge", und um das nötige Geld - ohne Erfolg.

Englandkarten mit Stonehenge

Druiden halten Ausstellung für viktorianische Peepshow

Doch nun soll alles gut werden. Rund 32 Millionen Euro hat der Neubau gekostet, ein Entwurf des australischen Architektenbüros Denton Corker Marshall. Er ist eindrucksvoll, greift die Stelen des Monuments auf, drängt sich aber nicht in den Vordergrund. Jetzt soll den Besuchern ordentlich gezeigt werden, was man weiß über Stonehenge - und was nicht.

das neue Besucherzentrum bei Stonehenge

Das neue Besucherzentrum nahe Stonehenge

(Foto: AFP)

An die 300 Objekte aus Ausgrabungen in und um Stonehenge werden dort zu sehen sein, darunter viele, die noch nie öffentlich gezeigt wurden. Vor allem aber schützt es die Steine: Denn bei über einer Million Besucher im Jahr musste etwas geschehen - das alte Besucherzentrum aus den Sechzigerjahren war auf 100.000 Besucher ausgelegt und klebte mehr oder weniger direkt an den Steinen.

Jetzt wird alles geboten, was der moderne Tourist erwartet, schön versteckt allerdings und 2,4 Kilometer entfernt vom Steinkreis: das obligatorische Café, Toiletten, Informationszentrum und Parkplätze. Die kleinere Straße wurde geschlossen, die A303 dröhnt zwar immer noch vorbei, aber vielleicht findet sich ja irgendwann in den nächsten dreißig Jahren eine Regierung, die die Umgehung oder den einst versprochenen Tunnel finanziert.

Nicht von ungefähr geht es in der ersten Ausstellung darum, wie The Henge im Lauf der Jahrhunderte interpretiert wurde: "In Stein gemeißelt - wie unsere Vorfahren Stonehenge sahen." Denn man sah allerlei darin: Merlin habe die Steine aus Irland herbeigezaubert, glaubte man - bis im 16. Jahrhundert ein Forscher herausfand, dass die Steine aus der Gegend um Marlborough stammten (33 Kilometer entfernt).

Der Kreis, meinten andere, sei für astronomische Berechnungen erbaut worden, eine Art Steinzeitcomputer sozusagen. Vor ein paar Monaten erst entdeckten Forscher, dass eine eiszeitliche Schmelzwasserrinne durch Stonehenge verläuft, genau in Richtung der Wintersonnwende. Was das bedeutet? Weiß keiner so genau.

Sommersonnwende in Stonehenge

Tausende Menschen trafen sich zur Sommersonnwende im Juni 2013 in Stonehenge

(Foto: dpa)

Außer, natürlich, die wachsende Schar moderner Druiden, die seit Jahrzehnten die Sonnwende im Steinkreis feiern wollen. Bis 1984 durften sie das, in jenem Jahr trafen sich an die 70.000 Neo-Druiden in Stonehenge. Dann fand man, das sei nicht besonders gut für die Steine; der Bauzaun kam - und seither schlichen sich die Druiden im Dunkeln an, wurden jedesmal brav von Polizisten abgefangen, mal mit, mal ohne Gewalt.

Auch über das neue Zentrum sind sie gar nicht glücklich. Dort sind menschliche Knochen ausgestellt - was "King Arthur", Chef eines Druidenordens, gar für eine viktorianische Peepshow hält.

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