Mural Harbour Projekt:Mauerblüten

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Street Artists haben den Linzer Hafen in eine Freiluftgalerie verwandelt. Schon mehr als hundert Wandbilder verschönern Hallen, Mauern und Industriebauten entlang der Donau.

Von Stephanie Schmidt

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(Foto: Christian Boehm)

Polizist küsst Sprüher: Dieses Graffito nach einem Entwurf des Karikaturisten Haderer weckt Assoziationen an den sozialistischen Bruderkuss.

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(Foto: Christian Boehm)

Kunstwerk in der "Hafengalerie" des Mural Harbour Projektes.

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(Foto: Christian Boehm)

Kunstwerk in der "Hafengalerie" des Mural Harbour Projektes.

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(Foto: C. Boehm/PR)

Kunstwerk in der "Hafengalerie" des Mural Harbour Projektes.

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(Foto: Christian Boehm)

Kunstwerk in der "Hafengalerie" des Mural Harbour Projektes.

Kaum hat die MS Eduard abgelegt, sind die gut zehn Passagiere froh über ihre Parkas und Wollmützen. Es ist zwar schon Frühling, doch weht ein kräftiger Wind, der während der einstündigen Bootstour durch den Linzer Hafen an den Haaren zerrt und die Wangen rot färbt. Das raue Wetter passt gut zur Atmosphäre des Industriehafens mit seinen grauen, kantigen Bauten und all den aufeinander gestapelten Containern. Plötzlich taucht eine riesige grüne Schlange auf, zum Glück nicht aus dem Wasser. Sie windet sich an der Wand einer Lagerhalle. Auf seinem Graffito hat der Künstler die Schlange so dargestellt, dass der Betrachter ihr Innenleben samt Knochen und einem weiteren Ungeheuer erkennen kann. "900 Quadratmeter groß ist dieses Kunstwerk. Es stammt von Nychos, er ist bereits ein Star unter den Graffiti-Künstlern", erklärt Sabine Sinzinger, die gemeinsam mit ihren beiden Künstler-Kollegen Leonhard Gruber und Erich Willner Mural Harbour, die Outdoor-Graffiti-Galerie im Linzer Handels- und Container-Hafen, initiiert hat. Das Trio betreibt im Hafen ein Büro und eine Künstlerwerkstatt, in der Graffiti-Workshops stattfinden.

Für hohe Gebäude rollen Kräne mit Metallkorb an, dann arbeiten die Künstler in vierzig Meter Höhe

Im Linzer Hafen sind Graffiti salonfähig: In die seit circa zwei Jahren existierende Freiluft-Galerie kommen immer mehr Menschen, um die überlebensgroßen bunten Motive auf den Fassaden zu beäugen. 135 Hektar Fläche umfasst der Hafen, davon 39 Hektar Wasserfläche. Die Mural-Harbour-Gründer arbeiten eng mit dem Eigentümer des Geländes, der Hafen Linz AG, zusammen. Sie unterstützt die Galerie auch finanziell. "2016 haben wir bereits mehr als 100 Bilder gezählt. Künstler aus 25 Nationen haben sie geschaffen", sagt Leonhard Gruber. Seit vergangenem Jahr veranstalte man Führungen. Sabine Sinzinger arbeitet wie auch Erich Willner als Guide und begleitet Besucher entweder auf dem Wasser oder bei Touren zu Fuß zu den besten Perspektiven auf die Kunstwerke. Dabei beschreibt die 36-Jährige auch Graffiti-Techniken. "Eine davon heißt Stencil", erklärt sie, "du schneidest eine Schablone aus Papier aus, heftest sie an die Wand und sprühst drüber." Wenn das nur so einfach wäre.

Kreischend steigen ein paar Möwen von den Dächern der hier ankernden Flusskreuzfahrtschiffe auf. Die Graffiti auf dem sogenannten Art Space dürften sie nicht erschreckt haben, sie kennen ja den Anblick. Die Passagiere der MS Eduard hingegen sehen die schaurig-schönen Werke zum ersten Mal. Auf eine spezielle Art gruselig ist ein Graffito, das Erich Willner nach einem Entwurf des österreichischen Karikaturisten Gerhard Haderer auf die Mauer gesprüht hat. Denn es erweckt Assoziationen an den sozialistischen Bruderkuss, auch wenn es keine Staatsmänner des einstigen Ostblocks zeigt, sondern einen Polizisten, der einen Sprüher küsst. Ein anderes Mural, das der 36-Jährige selbst entwarf und realisierte, lässt einen an das heikle Thema Selbstverletzung denken - es zeigt einen Mann, der sich ins Gesicht sprüht. Dahinter steckt aber Willners Erfahrung, dass Teilnehmer von Workshops oft nicht darauf achten, an welcher Stelle die Farbe aus der Sprühdose kommt.

Zwei Tage bis drei Wochen könne es dauern, bis ein Graffito fertig sei, erklärt Willner. Häufig müssen Kräne mit Metallkorb anrollen, in dem die Street Artists arbeiten. Mehr als vierzig Meter schweben sie dabei bisweilen über dem Boden. "Ich habe wahnsinnige Höhenangst", gibt Willner zu, "da hilft ein Bier, und sich mit einer Hand am Geländer des Korbs festzuhalten." Künstler für neue Projekte lernen die drei etwas anderen Galeristen auf internationalen Street Art Festivals kennen.

Man darf auf jeden Fall gespannt sein, was da noch kommt. "2017 wollen wir mit Skulpturen anfangen und Künstler einladen, die einzigartige Techniken beherrschen", sagt Leonhard Gruber. "Wichtig ist uns weiterhin die Öffnung gegenüber allen zeitgenössischen Kunstströmungen", betont der 41-Jährige. "Auf keinen Fall wollen wir eine reine Street-Art-Galerie werden." An Raum fehlt es nicht. Allein im Hafen habe man erst circa ein Zehntel der zur Verfügung stehenden Fläche bemalt. "Es gibt in Linz genügend Flächen, um ewig weiterzumachen", verrät Gruber.

Informationen zur Freiluftgalerie und zu geführten Touren zu Fuß oder per Schiff finden sich online unter www.muralharbour.at.

© SZ vom 06.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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