MTB-Tour in Los Angeles:Wildnis über Hollywood

Das Schild rät Mountainbikern zu einfachen Signalen: Mit den Armen wedeln und laut rufen. Wer sich auf eine Tour durch die Hügel über Los Angeles wagt, bekommt am Wegesrand handfeste Tipps - für Begnungen mit Kojote, Luchs oder Puma.

Jonathan Fischer

Der Sunset Boulevard ist noch keine Meile entfernt, da spitzen bereits braun-weiße Ohren aus dem hohen Gras. Auf dem großen Schild hier in den Hügeln über Los Angeles hatten sie bereits vor den Berglöwen gewarnt, die mitunter auch Menschen gefährlich werden könnten. Vor drei Jahren wurde hier ein Mountainbiker angegriffen und tödlich verletzt. Doch die braunweißen Ohren hier gehören zum Glück nur zu einem Reh.

Kalifornien Los Angeles Hollywood Mountainbike

Die Sonne sticht, die Waden brennen: auf einer Mountainbike-Tour in den Hügeln über Los Angeles.

(Foto: AFP)

Auf der Hinweistafel stand: An unübersichtlichen Stellen soll man sich bemerkbar machen, um keinen Puma zu überraschen. Und wenn man doch einem zu nahe kommt: mit den Armen wedeln und Krach schlagen. Derart gewarnt, begrüßt man die nächsten Kurven durch das Dickicht mit einem lauten "Hey" - obwohl ein Puma, der das Bergauf-Geschnaufe und Pedal-Gescharre überhört, sicherlich sowieso taub ist.

Beim Ausleihen eines geländetauglichen Fahrrads in Santa Monica hatte man noch darauf spekuliert, lediglich den geteerten Fahrradweg entlang der verschiedenen Strandabschnitte zwischen Venice Beach und Pacific Palisades entlangzuschnurren und dabei Beachvolleyballer, Wellensurfer und Kleinkünstler an sich vorbeiziehen zu lassen. Doch dann zeigt die Radkarte eben auch diese Berg-Tour. Warum also nicht die sportliche Herausforderung suchen?

Schon kurz nach dem Ende der Teerstraße, die zu der großen Pferdefarm am Eingang des Will Rogers State Historic Park führt, einem Teil des Topanga State Parks, zerfurchen Rillen den hartgebackenen Lehm. Es braucht einige Kraft und Geschicklichkeit, um auf dem Sattel zu bleiben.

Wildnis innerhalb der Stadtgrenzen

Höhenmeter um Höhenmeter geht es durch subtropische Vegetation. Stets im Blickfeld: die Santa Monica Mountains, eine einsame, olivgrüne bis rostrote, tief gefurchte Canyon-Landschaft, die bis auf knapp 1000 Meter reicht. Dreht man aber den Kopf, verändert sich das Panorama radikal: Hochhaus-Cluster, die aus dem Dunst von Los Angeles ragen, Stadtautobahnen und das Glitzern des Pazifiks. Ein berauschender Kontrast.

Über 17 Quadratmeilen erstreckt sich der Topanga State Park. Er ist Teil von Los Angeles. Keine andere Metropole hat ein derart großes Stück Wildnis innerhalb ihrer Grenzen. "Backbone Trail" verkündet ein Holzschild - der Einstieg in ein Wegesystem, das sich über 68 Meilen auf den Bergrücken der Santa Monica Mountains erstreckt und das die Pazifikküste mit den Hollywood Hills verbindet.

Von unten kennt sie jeder. Dank der weißen Hollywood-Riesenlettern auf dem Mount Lee sind sie die wohl meistfotografierten Berge Kaliforniens. Kaum ist man von der breiten Fire Road auf den schmalen "Backbone Trail" abgebogen, werden menschliche Begegnungen rar. Alle Viertelstunde ein einsamer Wanderer. Dann kommt eine als Ausflugsziel beliebte Eisenbrücke, die einen tief eingeschnittenen Canyon überspannt. Von dort hat man einen überragenden Blick auf das blendend weiße Getty Museum und über sämtliche Strandvororte bis zum internationalen Flughafen.

Kojote, Rotluchs - oder Puma?

Von jetzt an ist die nahe Großstadt kaum noch zu spüren: Eidechsen huschen über den Weg. Ein Kolibri umflattert eine Blüte. Ansonsten scheint alles Leben unter der Hitze den Atem anzuhalten: Die riesige Klimaanlage des Pazifiks, die das Leben in der Stadt selbst mittags noch erträglich macht, hat hier oben ihre Wirkung verloren. Und Schatten gibt es auch kaum: Sobald ein paar Eichen oder Maulbeerfeigenbäume sich über den Weg beugen, hält man unwillkürlich an, greift zur Trinkflasche und nimmt genug lauwarmes Wasser in den Mund, um bis zum nächsten natürlichen Sonnenschirm durchzuhalten.

MTB-Tour in Los Angeles: Der Topanga State Park - ein Stück Wildnis inmitten der Megacity Los Angeles.

Der Topanga State Park - ein Stück Wildnis inmitten der Megacity Los Angeles.

In der flirrenden Luft wirken die Farben intensiv. Das Azurblau des Himmels sticht in die Augen. Ginster flackert gelb. Und an offenen Hangabbrüchen leuchtet rosafarbenes und rostrotes Geröll, eine Hinterlassenschaft der Vulkane, die diesen Gebirgsstock einst formten. Und plötzlich liegt er vor einem: der Haufen auf dem Weg. Noch frisch. Woher kommt er? Hunde sind hier verboten. Bleiben noch drei größere Parkbewohner: Kojote, Rotluchs - oder Puma. Also wieder "hey, hey" rufen vor jeder Kurve.

Bis man an einen Grat kommt, der alle Ängste vergessen lässt: 100 Meilen weit reicht der Blick an smogfreien Tagen. Wie ein Paillettenkleid funkeln die Ausläufer von Los Angeles im San Fernando Valley. Dahinter ragen aus dem Dunst die Schneegipfel der San Gabriel Mountains auf. Endlich funktioniert auch die Klimaanlage wieder: Wenn schon die eiskalte Cola ein Wunschtraum bleibt - die Brise vom 800 Meter tiefer gelegenen Pazifik erfrischt fast genauso gut.

Abzweigung zum Sunset-Boulevard

An einer Gabelung des zwischenzeitlich zur Fire Road verbreiterten Trails erinnert ein Wegweiser daran, dass man doch nur ein halbes Dutzend Meilen vom nächsten Getränke-Automaten entfernt ist: "Sunset Boulevard". Der letzte Schluck Wasser schaukelt in der Flasche. Und die Waden sind arg verschrammt. Doch die große Abfahrt lässt noch auf sich warten.

Zunächst führt die Temescal Canyon Road in stetigem Auf und Ab über den Kamm eines Gebirgszuges. Ein langer Blick zur Aufstiegsroute auf der anderen Seite der Schlucht - da ist es beinahe passiert: Ein Zusammenstoß mit dem einzig anderen Mountainbiker auf der gesamten Tour. "Sorry", murmelt der Mann im Profi-Dress. Na, wenigstens kein überraschter Puma.

Rechter Hand tauchen die ersten Vororte von Los Angeles auf, Reichen-Wohnanlagen dicht an der Parkgrenze: Bougainvillea-Hecken, Swimmingpools, Dreifachgaragen verteilen sich über bewässerte Rasenflächen. Ihr Hellgrün und Türkisgrün scheint einem anderen Farbkasten entnommen zu sein als die staubigen Schattierungen der Buschlandschaft. Extrem künstlich sieht es aus. So wie ganz Los Angeles wie ein surreales, alles verschlingendes Lebewesen wirkt, das am Fuß einer unüberwindlichen Bergkette gestrandet ist.

Bleibt die Abfahrt über die Pacific Palisades und eine geteerte Serpentinenstraße zum westlichsten Zipfel des Sunset Boulevards. Willkommen in der Welt der achtspurigen Stadtautobahnen. Und verdammt: Auch ohne Puma auf der Kamera-Speicherkarte fühlt sich der Fahrradweg zurück zum Hotel wie ein ausgerollter roter Teppich an.

Informationen:

Anreise: Mit Air France nach Los Angeles und zurück ab 750 Euro, www.airfrance.de

Unterkunft: Four Seasons Hotel Beverly Hills, 300 South Doheny Drive, DZ ab 360 Euro/Tag, www.fourseasons.com/losangeles The Brentwood Hotel: 12200 Sunset Blvd, DZ ab 105 Euro/Tag, www.thebrentwood.com

Mountainbike-Verleih: Bicycle Ambulance, Santa Monica, Tel.: 001/310/39550 26, ab 23 Euro/Tag. Helen's Cycles, Beverly, ab 50 Euro/Tag, www.helenscycles.com

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