Mountainbike-Tour im Pfälzerwald:Brettern, nicht protzen

Mountainbiken im Pfälzerwald? Da fällt dem Alpenangeber außer Saumagen und Weißweinschorle wenig ein. Bewegt er sich dann tatsächlich einmal durch das Mittelgebirge im Westen Deutschlands, wird er schnell kleinlaut. Eine Bekehrung auf zwei Rädern.

Sebastian Herrmann

Reise

Etwa 1600 Quadratkilometer umfasst der Pfälzerwald. Buchen, Kiefern und andere Bäume verstellen die Aussicht, dafür lässt es sich hervorragend radeln.

(Foto: Mountainbikepark Pfälzerwald)

Der Erfolg trägt einen Ranzen. Darin transportiert er die Überheblichkeit, ohne die der Erfolg nicht leben kann. Das klingt nach einem dämlichen Spruch aus einem Abreißkalender. Trotzdem stimmt das, und zwar für viele Bereiche des Lebens. Und es muss nicht der große Durchbruch sein, der diesen Ranzen voll Überheblichkeit schwellen lässt. Es reichen kleine Erfolgserlebnisse, die echte Könner nicht mal mit einem Schulterzucken quittieren würden. Zum Beispiel beim Mountainbiken - da überquert man ein paar Mal auf Stollenreifen die Alpen und hält sich anschließend für den Größten.

Das persönliche Heldenepos besteht aus Kapiteln, in denen das Rad über Gletscher getragen wird oder tagelang Schneefall, Regen und geschlossene Hütten ertragen werden. Natürlich schildern diese Geschichten auch halsbrecherische Downhills über Singletrails, die schier nicht enden wollen und die einem das Adrenalin nur so aus den Ohren sprudeln lassen. Dazu muss man wissen, dass Mountainbiker nicht bergab fahren, sondern Downhill machen und nicht Pfad sagen können, sondern von Singletrails reden.

Lauter solche Übertreibungen nisten im Hirn des Alpenangebers, während er sich auf dem Weg in den Pfälzerwald befindet, um dort ein paar Mountainbiketouren zu fahren. Vor allem schwappt da aber die Frage hin und her, ob das was taugen kann, mit dem Rad durch ein deutsches Mittelgebirge zu kurbeln?

Und was fällt einem in seiner Ignoranz schon zum Pfälzerwald ein? Nicht viel, deshalb erst mal ein paar Fakten zu diesem Flecken Deutschland, der sich ganz im Westen des Landes befindet, zwischen Kaiserslautern im Norden, der Rheinebene im Osten, den Ausläufern der nördlichen Vogesen im Süden und dem Saarland im Westen.

Es handelt sich um den größten zusammenhängenden Forst Deutschlands, ja sogar um eines der größten Waldgebiete Europas. Etwa 1600 Quadratkilometer stehen dort auf deutscher Seite mit Buchen, Kiefern und anderen Bäumen voll. An jenen wenigen Flecken im Wald, an denen Bäume fehlen, stehen meistens Burgruinen oder Aussichtstürme aus rötlichem Buntsandstein. Und obwohl kaum ein Fleck ohne Baum auskommt, stehen sehr, sehr viele Burgen, Burgruinen und Aussichtstürme in der Gegend.

Sonst fallen einem zum Pfälzerwald noch ein paar Begriffe wie Saumagen, strukturschwache Region und vielleicht Weißweinschorle ein. Der Anglizismus "Mountainbike" taucht im Zusammenhang mit dieser Gegend nicht im Kopf des alpinen Aufschneiders auf. Warum auch, denkt er sich, die höchste Erhebung des Pfälzerwaldes - die Kalmit - bringt es schließlich nur auf 672 Meter und 60 Zentimeter Höhe über dem Meeresspiegel, was soll da schon drin sein? Zumal die Talböden dieses Mittelgebirges in der Regel kaum mehr als 200 oder 300 Höhenmeter tiefer liegen.

Der Alpenangeber wird den Pfälzerwald nach ein paar Tagen ziemlich kleinlaut und ziemlich begeistert verlassen.

Nicht reden, radeln

Denn die Region bietet eine Mountainbike-Infrastruktur, die viele Ecken der Alpen im Vergleich verblassen lässt. 300 Kilometer offizielle Routen haben die Planer des Mountainbikeparks Pfälzerwald ausgeschrieben und markiert. In Trippstadt gibt es einen Bikepark mit Rampen, Schanzen und anderen Gemeinheiten. Nahe Hochspeyer existiert ein Singletrail-Parcours, auf dem sich die fahrtechnischen Fertigkeiten trainieren lassen, die Downhills erst zum Rausch werden lassen.

Und Rennen mit Mountainbike organisieren die radelnden Pfälzer auch noch in stattlicher Zahl: Den Pfälzerwald-Marathon, den etwas entspannteren Gäsbock-Marathon, das Nachtrennen "Schlaflos im Sattel" oder den Kalmit-Klapprad-Cup, bei dem ausnahmsweise auf Bergräder verzichtet und die höchste Erhebung des Pfälzerwaldes mit klassischen Klapprädern bezwungen wird.

Das Radlrückgrat der Region sind die offiziellen Strecken, die für den Mountainbikepark Pfälzerwald ausgewiesen worden sind und die sich durch schier unzählige Varianten über köstliche Pfade erweitern lassen. Bei einer Alpenüberquerung schwätzt man hauptsächlich von Singletrails, rutscht dann in Wahrheit viel zu oft auf schottrigen Pisten den Berg hinab und fragt sich dabei, wann der Quatsch ein Ende hat.

Im Pfälzerwald redet man nicht, man radelt: Hier schlängelt sich tatsächlich ein ganzes Adernetz aus engen Pfaden über die Flanken der bewaldeten Hänge, sodass man den Kollegen vom Magazin Bike trotz der abgestandenen Formulierung recht geben möchte: Diese Gegend ist das Singletrail-Mekka Deutschlands. Solche Pfade, solche Abfahrten sind in den Alpen schwer zu finden; nur ein Jammer, dass der Spaß nach 200 bis 300 Höhenmetern stets ein Ende hat.

Als Startpunkt in das Glück auf Stollenreifen eignet sich fast jeder Ort - Kaiserslautern, Trippstadt, Lambrecht, Pirmasens. Wer sich bis zuletzt alle Möglichkeiten offenhalten will, steuert Johanniskreuz an. Hier treffen alle fünf Routen aufeinander, die zwischen 48 Kilometer mit 850 Höhenmetern und 72 Kilometer mit 1850 Höhenmetern messen. Da sich auch Teilabschnitte fahren oder mehrere Touren kombinieren lassen, bietet der Wald Fahrten für Radler aller Leistungsstufen.

Die Strecken lassen sich selbst ohne Karte gut finden, allerdings nur mit einiger Konzentration: An vielen Kreuzungen und Abzweigungen im Wald öffnet sich ein kleines Gewirr aus Wegen, Pfaden und den dazugehörigen Markierungen. Und weil der Wald viele verborgene Schätze für Mountainbiker bietet, lohnt es sich auch, mit einem Guide aus der Gegend aufzubrechen.

Die Höhenprofile der Touren ähneln groben Sägeblättern: Es ist ein rechtes Zickzack und Auf-und-Ab. Ewige Anstiege voll Selbsthass und innerer Immigration, wie sie der alpine Radler kennt, fehlen hier. Der Pfälzer Radlpartner lässt das unkommentiert und tritt einfach recht forsch in die Pedale. Denn eine Tour mit insgesamt eher milden und kurzen Anstiegen fährt man anders, schneller vor allem. Am Ende keucht und pumpt das Herz des Alpenangebers dann kräftig, und er hat gelernt: Jede Steigung und Distanz hat das Potenzial, um einen in die Knie zu zwingen, das Tempo macht das Gift.

Die meisten Pfade sind griffig und gut zu fahren. Der Boden ist an vielen Stellen recht sandig, an einigen sehr sandig. Wenn es trocken und heiß ist, verliert man in manchen Kurven leicht den Grip oder bleibt bergauf hängen. Wenn es geregnet hat, bietet der sandige Boden einen großen Vorteil: Der Untergrund wird nicht schlammig und trocknet rasch ab. Eine Pfälzerwald-Besonderheit sind auch die vielen kleinen Kiefernzapfen, die häufig in großer Zahl auf den Pfaden liegen und bergab besser berücksichtigt werden sollten.

Gefahr für die Pedalen

Pfälzerwald

Der Pfälzerwald im Westen Deutschlands.

(Foto: SZ Grafik)

Gelegentlich tauchen Stellen auf, die einen auch bergauf technisch fordern: Rampen mit Wurzeln, enge Kehren oder Steine, an denen die Pedale hängen bleiben. Die gleichen Stellen werden bergab zu Sprüngen, Stufen oder Absätzen - jene Würze, die Pfade brauchen. Unter der Woche liegen die Trails verwaist unter den Stollenreifen. Selten tauchen andere Bergradler oder Wanderer auf. Stattdessen bestätigt einem Spinnenseide im Gesicht regelmäßig, dass man gerade als Erster des Tages diesen grandiosen Pfad gefahren ist.

Der Pfälzerwald ist dicht, die meiste Zeit kurbelt man bergauf oder rollt bergab, ohne Panorama. Nur selten bietet sich eine Lücke zwischen den Bäumen, und dann lassen sich entweder mehr Bäume erblicken oder es taucht eine Burgruine auf. Und weil der Wald so dicht und die Pfade so eng sind, bringt der Mountainbiker seine Leistungsabzeichen abends automatisch mit nach Hause. Bei trockenem Wetter wirbeln die Reifen reichlich Sand vom Boden auf, der sich als dunkle Schattierung über die Beine legt. Etwas Rot an Waden und Armen stammt von Brombeersträuchern, anderen dornigen Gewächsen oder Brennnesseln, die an vielen Stellen in die Pfade hineinhängen. So ist das eben, wenn die Singletrails wirklich welche sind und der Wald daran arbeitet, sich die Wege wieder einzuverleiben.

Die Leistungsabzeichen dürfen deshalb als Qualitätssiegel verstanden werden - die der Alpenangeber stolz zurück nach Hause trägt, um nun allen zu erzählen, dass er zum Experten in Sachen Singletrails geworden ist. Der Ranzen ist prall mit neuer Überheblichkeit gefüllt.

Informationen

Anreise: Mit dem Auto von Osten kommend über die A8 und A65 bis Landau in der Pfalz, von dort über Bundesstraßen weiter bis Johanniskreuz.

Guides, Technikkurse und Radverleih: Achim Perabo, Tel.: 0170/732 15 13, www.pro-sport-bikes.de; Hermann Daniel, Tel.: 0160/240 31 20, www.bike-pfalz.de; Jürgen Courret, Tel.: 0173/73 76 12 76, www.mountainbike-guide-courret.de

Unterkunft: Aufgeschlüsselt nach Tourengebiet unter www.mountainbikepark-pfaelzerwald.de, zentral gelegen in Trippstadt: Historischer Landgasthof Zum Schwan, DZ mit Frühstück ab 75 Euro, www.schwan-trippstadt.de, Tel.: 06306/92130

Weitere Auskünfte: Informationen, Touren und Karten unter www.mountainbikepark-pfaelzerwald.de

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