Mount Everest:Auf den Gipfel - um jeden Preis

Everest-Bezwinger Edmund Hillary hat schwere Vorwürfe gegen andere Bergsteiger erhoben: Sie hatten einem Sterbenden Hilfe verweigert. Auch ein Deutscher kam diese Woche am Everest zu Tode.

Das Drama ereignete sich kurz vor dem Ziel: Der sehbehinderte Deutsche Thomas Weber verlor 50 Meter unterhalb des Gipfels sein Augenlicht komplett, wie es in einer Mitteilung des Expeditionsleiters Alexander Abramov auf der Webseite "www.mounteverest.net" hieß. Thomas sagte: 'Ich sterbe' und verlor das Bewusstsein", berichtete Abramow. Später konnte nur noch sein Tod festgestellt werden.

Widersprüchliche Berichte gab es zum Tod des berühmten australischen Bergsteigers Lincoln Hall. Der Australier, der zur selben Expedition gehörte, hatte laut Abramow den Gipfel erreicht, brach beim Abstieg dann aber wegen extremer Höhenkrankheit mit Gehirnödemen zusammen. Zwar habe der 50-Jährige weiter mit seinen Freunden per Funk sprechen können, als Sherpas versuchten, ihn den Berg hinunterzubringen. Neun Stunden später sei er aber gestorben, erklärte Abramow auf der Website.

Der australische Bergsteiger Duncan Chessell berichtete dagegen später, der 50-jährige Hall sei möglicherweise noch am Leben: Den Sherpas, die Hall geholfen hätten, sei der Sauerstoff ausgegangen und sie seien daraufhin abgestiegen, um ihr eigenes Leben zu retten.

Neues Team mit Trage losgeschickt

Ein anderer Everest-Bezwinger habe den zurückgelassenen Hall später noch lebend gefunden und mit heißem Tee und Sauerstoff versorgt. Daraufhin habe Expeditionsleiter Abramow sofort ein Team von zwölf Sherpas mit frischem Sauerstoff und einer Trage losgeschickt, um Hall möglicherweise noch zu retten.

Hall war einer der erfahrensten australischen Bergsteiger. Er gehörte 1984 zur ersten australischen Everest-Expedition. Außerdem ist er Autor mehrerer Bücher, in denen er sein Bergsteiger-Leben verarbeitete.

Weber eingeschlossen sind bisher 14 Bergsteiger in dieser Saison am Mount Everest ums Leben gekommen. Grund für die hohe Todesrate sei möglicherweise das außergewöhnlich gute Wetter gewesen, wordurch sich mehr Bergsteiger als sonst auf den Gipfel gewagt hätten, so Abramov.

Sterbendem Bergsteiger Hilfe verweigert

Weil sie einem Sterbenden keine Hilfe geleistet haben sollen, hat der legendäre Everest-Bezwinger Edmund Hillary schwere Vorwürfe gegen den beidseitig beinamputierten Bergsteiger Mark Inglis und andere Everest-Bergsteiger erhoben.

Der Neuseeländer und seine Begleiter sowie andere Gipfelstürmer hätten bei ihrem Aufstieg auf den Mount Everest am 15. Mai einen sterbenden Briten einfach am Wegesrand liegenlassen, sagte Hillary der Nachrichtenagentur New Zealand Press Association.

"Menschliches Leben ist weitaus wichtiger, als auf den Gipfel eines Berges zu gelangen", mahnte der 86-Jährige. Der Neuseeländer Hillary hatte den höchsten Berg der Welt gemeinsam mit Sherpa Tenzing Norgay vor 53 Jahren als erster bezwungen.

"Wenn dort ein Mann mit Höhenkrankheit unter einem Felsen kauerte, war es falsch, einfach seinen Hut zu lüften, 'Guten Morgen' zu sagen und weiterzugehen", schimpfte Hillary. Als er und seine Expedition vor einem halben Jahrhundert auf den legendären Berg gestiegen seien, "wäre es undenkbar gewesen, ein Mitglied eines anderen Teams einfach liegenzulassen und weiter Richtung Gipfel zu stürmen", kritisierte der Everest-Erstbezwinger.

Auf den Gipfel - um jeden Preis

Der 34-jährige Brite David Sharp war am 15. Mai am Mount Everest ums Leben gekommen. Sharp war auf dem Abstieg vom Gipfel, als ihm der Sauerstoff ausging. Er starb in einer Schneehöhle nur 300 Meter unterhalb des Gipfels. An dem Morgen sollen mehr als 40 Bergsteiger an ihm vorbeigekommen sein, ohne ihm zu helfen.

Mark Inglis, AFP

Mark Inglis am Mount Everest

(Foto: Foto: AFP)

Einziges Lebenszeichen: Augenbewegungen

Inglis verteidigte sein Vorgehen. Als sein Team Sharp erreicht habe, sei dieser schon fast tot gewesen. Der Brite sei schon fast steifgefroren gewesen und habe nicht mehr sprechen können. Einziges Lebenszeichen seien Augenbewegungen gewesen, berichtete Inglis. "Mehrere Mitglieder unseres Teams haben Zeit mit David verbracht, mehrere erfahrene Sherpas sind bei ihm gewesen, doch es hat alles nichts genützt." Er sei "erschüttert", jetzt derart kritisiert zu werden, klagte Inglis.

Inglis hatte zugegeben, Sharp nicht geholfen zu haben. "Wissen Sie, wir konnten nichts für ihn tun, er hatte keinen Sauerstoff mehr, er hatte keine vernünftigen Handschuhe", hatte Inglis dem neuseeländischen Fernsehen gesagt. "Das Problem ist, auf einer Höhe von 8500 Metern ist es extrem schwierig, sich selbst am Leben zu erhalten, geschweige denn jemand anderen."

Zahl der Expeditionen begrenzen

Hillary ließ Inglis' Verteidigung nicht gelten: "Sie hätten sicher eine gewisse Anstrengung unternehmen können, um ihn in Sicherheit zu bringen", sagte er. Der legendäre Bergsteiger forderte, die Zahl der Expeditionen auf den Berg zu begrenzen. Es seien bereits 150 Menschen bei der Besteigung des Mount Everest ums Leben gekommen.

Die neuseeländische Premierministerin Helen Clark nannte Sharps Tod eine "komplexe" Tragödie. Aus persönlicher Sicht sympathisiere sie mit Hillarys Äußerungen. Allerdings habe sich die Bergsteiger-Ethik in den vergangenen Jahren sicher auch geändert.

Der 47-jährige Inglis hatte als erster beidseitig beinamputierter Bergsteiger den Mount Everest bezwungen. Er wäre 1982 beinahe ums Leben gekommen, als er nach einem heftigen Schneesturm am Mount Cook, dem höchsten Berg Neuseelands, 14 Tage in einer Schneehöhle auf Rettung warten musste. Wegen schwerer Erfrierungen mussten ihm damals beide Unterschenkel amputiert werden.

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