Mitten in ... Melaque
Sie sagen, dass er alles heilen kann. Kaputte Knie, verdrehte Wirbelsäulen, geschundene Rücken. Sie sagen, dass man vergisst, was Schmerzen sind, wenn man einmal bei ihm war. Der Mann soll irgendwo die Straße runter wohnen, in Melaque, einem kleinen Ort im Westen Mexikos. Im Wartezimmer riecht es nach Staub und Schweiß, aus dem Inneren der Praxis dringen Schreie. Ich will schon wieder gehen, also rennen, da steht er vor mir. Zieht mich in ein Zimmer, wirft mich auf eine Matte, lacht, drückt auf den Oberschenkel, ich schreie, er drückt seine Finger in den Bauch, ich lache. Er zieht an meinem Bein, ich weine. Flehe ihn an, mich gehen zu lassen. Als er fertig ist, drückt er mir einen Kuss auf die Stirn, er sagt: "Sie sperren sich gegen Veränderung, das geht auf die Hüfte." Am nächsten Tag tat das Bein übrigens wieder weh.
Friederike Zoe Grasshoff
SZ vom 23. März 2018