Mitten in ... Horb am Neckar
Wumms. Und schon liegt alles auf dem Boden der Regionalbahn: drei Plastiktaschen, Isomatte, Schlafsack, Backpacker-Rucksack, Reisetasche und Wurfzelt. "Evangelisches Mädchenzeltlager", sagt die Frau, Mitte 20, Strohhut, Pluderhose, und fällt auf den Sitz neben mir. "Ich werde dort aus der Bibel lesen. Jesus und so, Sie wissen?" "Ja, sagt mir was", meine Antwort. Das ist ihr Startschuss. Mit 15 sei ihr Gott begegnet. Lieber nicht nachfragen, denke ich, starre auf den Boden. "Er sagte mir: ,Ich will Sie kennenlernen.'" Kurzes Stutzen. "Natürlich sagte er Du und nicht Sie." Sie grinst. Ich nicke. So geht es weiter, 40 Minuten lang. Dann plötzlich: Wenn ich wolle, könne sie für mich beten. Jetzt gleich, hier im Zug. Schon faltet sie die Hände, schließt die Augen, setzt zum ersten Wort an. "Endstation", schallt es aus dem Lautsprecher. Gott sei Dank!
Michaela Schwinn
SZ vom 11. August 2017