Mitten in Absurdistan:Was SZ-Korrespondenten so alles erleben

Joggende Exzentriker in London, spontan übereifrige Busfahrer in Brüssel und spärliche Lichtblicke im Kaukasus : SZ-Autoren berichten Kurioses aus aller Welt.

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Mitten in ... Ingolstadt

Die Musiker, fast 90 an der Zahl, haben Platz genommen, im Publikum noch einmal vorsorgliches Räuspern und Hüsteln. Kent Nagano, Generalmusikdirektor des Bayerischen Staatsorchesters München, eilt auf die Bühne des Stadttheaters Ingolstadt und strebt dem Pult zu. Doch nichts tut sich.

Höflich lächelnd lässt der Maestro wissen, dass ihm ein "kleines, aber wichtiges Detail" fehle. Und ehe lange gerätselt werden darf, verschwindet er wieder, um Minuten später unter Applaus mit der Partitur wieder zurückzukommen. Bruckners gewaltige 8. Sinfonie c-Moll in ihrer Urfassung gerät danach zu einem gefeierten Gastspiel bei den Audi-Sommerkonzerten.

Nach dem Konzert gibt der Dirigent entspannt Autogramme und lobt die Akustik des Saals. Gewissermaßen sei es eine Premiere gewesen: Die Noten hätten ihm zu Konzertbeginn in seiner gesamten Laufbahn noch nicht ein einziges Mal gefehlt.

Werner Schmidt, SZ vom 11/12.7.2009 Foto: dpa

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Mitten in ... Yolbilen

Manchmal startet man einen Tag lustig, und landet mitten in der Türkei. Ich wollte eine Glosse schreiben über die Türken und die Orientierung, darüber, dass ich hier noch nie jemanden einen Stadtplan benutzen habe sehen, darüber, dass die Taxifahrer in Istanbul den Gast anfahren: "Und jetzt, welche Richtung?" Da fiel mir ein, dass ich einmal in der Osttürkei an einem Ort vorbei gefahren war, der hieß "Yolbilen": "Die den Weg kennen".

Das passt, dachte ich, und rief dort an, um mir beim Dorfvorsteher ein paar humorige Zitate zu holen. Also, holte der stolz aus: "In der Gegend gab es einst Armenier. Und dann kamen die Unsrigen und haben gefragt: Wo sind sie, die Ungläubigen? Erst in unserem Dorf hat man ihnen weiter geholfen, den Unsrigen. Seither heißen wir 'Die den Weg wussten.'"

Das war 1915. Und seither gibt es keine Armenier mehr in der Gegend.

Kai Strittmatter, SZ vom 11/12.7.2009 Foto: AP; Demonstration von Armeniern im Jahr 2000 in Paris anlässlich des 85. Jahrestages des Beginns des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich - das Plakat zeigt türkische Soldaten mit toten Armeniern.

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Mitten in ... Tegucigalpa

Die Hotels in Tegucigalpa in Honduras sind voller Reporter, denn in dem zentralamerikanischen Land wurde der Präsident weg geputscht. In unserer belagerten Herberge in der Nähe des gekaperten Präsidentenpalastes fiel da aber diese Gruppe durchtrainierter Russinnen und Russen auf. Wir erkundigten uns und erfuhren, es seien Eiskunstläufer.

Da stellten sich zwei Fragen. Erstens: Was machen russische Eiskunstläufer im Sommer von Honduras in den Subtropen? Zweitens: Was machen russische Eiskunstläufer während eines Staatsstreiches in dieser heißen Republik?

Die Antwort: Sie hatten in Tegucigalpa und auch in San Pedro Sula eine Eisfläche aufgestellt und "Schwanensee" sowie "Aschenputtel" gegeben. Eisballett vor Demonstrationen, Schießereien und Ausgangssperren. Inzwischen sind sie weiter gereist, der Putsch ist noch im Gange.

Peter Burghardt, SZ vom 11/12.7.2009 Foto: AFP

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Mitten im ... Westjordanland

Unterwegs im Westjordanland, wir wollen mit jüdischen Siedlern reden, die vor ein paar Monaten einen (illegalen) Außenposten errichtet haben. Das Problem ist nur: Wir haben uns verfahren. Da kommt dem Fotografen die rettende Idee: Er hat ein GPS-System im Handy. Der Name des Außenpostens wird eingetippt, das Handy sucht und sucht und sucht.

Und will nicht fündig werden. Die wilde Siedlung, teilt uns das GPS mit, befinde sich nicht in Israel. Hm. Wenn das die Siedler läsen, denken wir. An einem Busstopp fragen wir jüdische Siedler nach dem Weg. Kollektives Schulterzucken, niemand weiß ihn. Auch ein Tankstellenbesitzer kann uns nicht weiterhelfen.

Wir sind ratlos und wollen schon aufgeben, da entdecken wir zwei Palästinenser am Straßenrand, die den Siedlerautos hinterher schauen. Einer von ihnen weiß tatsächlich den Weg.

Thorsten Schmitz, SZ vom 11/12.7.2009 Foto: dpa

Mitten in ... München, AP

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Mitten in ... München

Es ist der Morgen nach dem Konzert von Bruce Springsteen im ausverkauften Olympiastadion. Die Springsteen-Bewunderer, und davon gibt es erstaunlich viele, schweben auf einer wummernden Wolke, vor allem die Vertreter jener Generation, die mit dem Boss groß und grau geworden ist.

Nur einer der ewigen Rock'n'Roller ist nicht ganz zufrieden mit dem Konzert: "Es ging laut los und hörte laut auf. Und dazwischen: Lärm."

Mit großen Schritten nähert sich da ein Hardcore-Fan. Zufälligerweise ist er im Betrieb selbst ein Boss, sein Wort hat also Gewicht: "Das war das größte Rockkonzert, das diese Stadt in den letzten fünf Jahren erlebt hat!!!" Der Kritiker, sichtlich müde: "Das neue Album ist auch nicht so toll. Außerdem hat der Springsteen nur vier Akkorde drauf." - "Er ist ja auch nicht Ravel!" - "Da hast auch wieder recht."

Christian Mayer/SZ vom 4./5.7.2009

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Mitten in ... Johannesburg, oh

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Mitten in ... Johannesburg

Gelbe Lamborghinis, schwarze Parkwächter im Nadelstreif mit weißer Krawatte und blauem Band um den Bowler Hat - willkommen im Design Quarter im Stadtteil Fourways, der exklusivsten Angeber-Shopping-Mall Afrikas. CNN sagt: einer der zehn "must see places" der Fußball-WM im kommenden Jahr. Wie heißt es so schön auf Neureich: Trendy, chic, sophisticated geht es zu.

Schöne Menschen, große Sonnenbrillen. Austern auf der Speisekarte. Afrika ist weit weg. Wir bestellen trotzdem. Und warten. Lange. Noch länger. Nach einer Stunde kommt die Suppe. Dazu: zwei Scheiben Brot, tiefschwarz, totgetoastet.

Reklamation trotz Hunger. Suppe und Brot verschwinden, kehren eine Viertelstunde später zurück, im gleichen Zustand. Die Bedienung sagt, der Chef habe gesagt, das Brot sei zum Dippen, und dann sei es ja wohl okay so.

Thomas Becker/SZ vom 4./5.7.2009

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Mitten in ... Pirki, dpa

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Mitten in ... Pirki

Unglaublich dieser Job, doch der Mann mit den weißen Haaren und dem Tarnanzug macht ihn mit Überzeugung. Er wacht über die kontaminierte Sperrzone um Tschernobyl. Stundenlang harrt er jeden Tag auf einem 40 Meter hohen Turm aus. Über den Baumkronen hält er Ausschau nach Waldbränden, denn ein Feuer würde radioaktive Partikel in die Luft wirbeln. Von seinem Ausguck kann er sogar den alten Reaktor sehen.

Keine Menschenseele gibt es in der Umgebung, das nächste Dorf, Pirki, wurde nach der Katastrophe evakuiert. Niemand kann hier ohne Gefahr für seine Gesundheit leben oder arbeiten.

Den Wachmann interessiert das nicht. Er bekomme eine Zulage vom Staat, doch er weiß nicht einmal wie viel. Er ist nicht weit von hier geboren, sieht seinen Job als Dienst an seiner Heimat: "Irgendwer muss die Zone doch bewachen!"

Oliver Bilger/SZ vom 4./5.7.2009

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Mitten in ... Udaipur, Reuters

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Mitten in ... Udaipur

Unter der unerbittlich brennenden Sonne Rajastans strahlt der Stadtpalast von Udaipur. Am Eingangstor stehen Führer, sie dürfen das Gelände nur mit Kunden betreten. Entsprechend aggressiv werben sie um Touristen, die ihre Angebote entnervt ablehnen.

Dem Reisenden steigen Hitze und Jahrmarktsatmosphäre in arroganter Art zu Kopf. In Anbetracht großer Mulden auf dem Vorplatz des Palastes denkt er sich: "Es ist doch erstaunlich, dass die Inder vor Hunderten von Jahren diesen Palast bauten, aber nicht fähig waren, den Platz vor dem Gebäude ebenerdig zu pflastern." - "Mister, do you want a guide?" Der Tourist knickt ein, nimmt doch einen Führer.

Und der Inder beginnt die Tour: "What you see here", sagt er und weist auf die Mulden im Boden, "is parking space for elephants." Eine kühle Brise weht unvermittelt über den Platz.

Johannes Boie/SZ vom 4./5.7.2009

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Mitten in ... Rostow, AP

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Mitten in ... Rostow

Unangenehmes Gefühl, hier am Flughafen von Rostow am Don im Süden Russlands: Keine Viertelstunde mehr, bis der Flieger nach Moskau startet, doch ohne Reisepass geht es nicht an Bord.

Den hat ein Polizist beschlagnahmt, weil angeblich die Registrierung fehlt, die jeder Ausländer in Russland braucht. Angeblich. Oder doch nicht? Der Milizionär zögert und zögert. Er hat Zeit und morgen geht ja wieder ein Flug nach Moskau. Ganz bestimmt. Den kann man ja auch nehmen, nicht?

Die Diskussion übernimmt meine Reisebegleitung, sie will die Sache quasi unter Russen regeln. Ich muss das Polizeibüro verlassen, soll nicht sehen, was nun geschieht.

Nach nur einer Minute ist der Pass zurück und der Uniformierte um 500 Rubel, etwa elf Euro, reicher. Also doch nur Bakschisch. Wieso hat er das nicht gleich gesagt?

Oliver Bilger/SZ vom 27./28.6.2009

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Mitten in ... Ankara, ddp

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Mitten in ... Ankara

Das türkische Religionsamt gibt sich große Mühe, in den offiziellen Sammlungen der angeblichen Ausprüche des Propheten Mohammed jene zu tilgen, die nicht in die Zeit passen. "Dein Gebet ist ungültig, wenn ein Esel oder eine Frau vorübergeht", zum Beispiel. Oder: "Die besten Frauen sind die, die Schafen gleichen."

So etwas, finden die Theologen, könne der Prophet unmöglich gesagt haben. Frauengruppen applaudieren.

Dafür fiel der Emanzipation nun eine Schulbehörde in den Rücken. In einem Test der Fern-Uni für künftige Polizisten mussten die Studenten die Frage beantworten: "Welche Charaktereigenschaft wird Frauen allgemein zugeschrieben?" Man konnte wählen zwischen "besserwisserisch", "gebieterisch", "logisch denkend", "selbstbewusst" - alles falsch.

Einen Punkt gab es nur für die Antwort: "redselig".

Kai Strittmatter/SZ vom 27./28.6.2009

Foto: ddp

Mitten in ... Okayama, oh

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Mitten in ... Okayama

Japaner sind begeisterte Binnentouristen. Zum einen, weil ihr Land tatsächlich ein paar sehr schöne Ecken bereithält. Zum anderen, weil es an jeder schönen Ecke auch heimische Essensspezialitäten einzukaufen gibt.

Das ältere Ehepaar im Shinkansen nach Kyoto hat sich in Okayama noch eine regional gefüllte Bento-Box gekauft, deren Inhalt man sich im Zug teilt. Nach dem Essen beginnt sie, aus dem Papierfutter der Schachtel einen Origami-Kranich für die Europäerin neben ihr zu falten. Und noch zwei, als sie sieht, dass diese in Begleitung weiterer gaijin, also Fremder, ist.

Irgendwann steht die Dame auf, um die deutsche Gruppe abzuzählen und geht kurz vor der Ankunft in Kyoto zur Massenproduktion über. Ihr Mann reißt Papierquadrate zurecht, sie faltet und kichert.

Am Ende waren es acht Kraniche in zehn Minuten.

Nina Berendonk/SZ vom 27./28.6.2009

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Mitten in ... Madrid, iStock

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Mitten in ... Madrid

Rund um den Cibeles-Platz ist Madrid am schönsten: Hier findet man als Fotomotiv: Die Bank von Spanien! Einen monumentalen Brunnen! Das alte Postgebäude!

Den Weg von einer Fotogelegenheit zur nächsten erleichtert ein Tunnel, der seit Ewigkeiten schon als Kulisse für Kubrick-Filme taugen würde. Die Lichtanlagen sind demoliert, die Platten auf dem Boden und an den Wänden zerstört oder mit Graffitis bemalt, doch vor allem riecht es streng. Undefinierbar streng.

Ein Leser der Zeitung El País wies dieser Tage darauf hin, dass man, wenn man es aus dem Tunnel wieder herausschafft, auf das Motto der Madrider Bewerbung für die Olympischen Spiele 2016 gestoßen wird. "Tengo una corazonada...", steht da auf einem offiziellen Plakat, wie es überall in der Stadt zu finden ist. Man könnte es so übersetzen: "Ich hab das im Urin."

Javier Cáceres/SZ vom 27./28.6.2009

Foto: iStock

Mitten in ... Quito, AP

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Mitten in ... Quito

Eigentlich ist das Fliegen an sich ja schon aufregend genug. Die latente Angst angesichts des unter der Maschine gähnenden Abgrunds kompensieren die meisten Menschen mit angestrengtem Blick in die Zeitung oder meditativer Betrachtung der vorbeiziehenden Wolkenfelder.

Die ecuadorianische Fluggesellschaft Icaro jedoch will das Gefühl von Abenteuer bei ihren Passagieren noch verstärken: Sie lässt in diesen Tagen auf verschiedenen Abendflügen zwischen der Hauptstadt Quito und der Hafenmetropole Guayaquil leichtbekleidete Models durch die engen Gänge stolzieren - eine besonders hochfliegende Idee im Konkurrenzkampf der südamerikanischen Fluglinien.

"Sky Fashion" nennt sich der Versuch, abgeschlaffte Geschäftsmänner statt auf Börsenkurse auf weibliche Kurven in hauchzarter Unterwäsche starren zu lassen.

Antje Weber/SZ vom 20./21.6.2009

Foto: AP

Mitten in ... Puerto Viejo, oh

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Mitten in ... Puerto Viejo

Frühe Morgenstunde, Bewusstsein drängt sich in die Träume. Man lauscht: Stille ist eingekehrt. Man denkt: In Costa Rica ist es niemals still. Das Geschrei der Tiere ist verschwunden, ausgerechnet in diesem lauten Kaff zwischen Urwald und Küste. Die sonst stets bellenden Straßenhunde jaulen nur ängstlich.

Dann, mit einem Schlag fliegt das Bett nach oben, Gläser klirren, die Backsteinwände der Hütte ächzen. Aus dem Boden dringt ein dumpfes, fremdes Grollen. Die Erde bebt. Ein paar Sekunden später ist alles vorbei. Mehr irritiert als verängstigt sitzt man da, hält die Freundin im Arm.

Minuten später ein Gespräch mit der Vermieterin, einer Tica. "Nice little shaking, eh?", lacht sie den Europäern ins Gesicht. Ganz besonders möge sie die "shakings", wenn sie vorher ihre geliebten Haschischkekse gegessen habe. "Do you want to try?"

Johannes Boie/SZ vom 20./21.6.2009

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Mitten in ... Lübeck, ddp

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Mitten in ... Lübeck

Der Mann in der Schlange des Lübecker Großraum-Supermarktes plant offenbar einen besonders raffinierten Obstsalat, jedenfalls legt er eine exotische Frucht nach der nächsten auf das Laufband. Die Kassiererin, die dem Schild auf ihrer Brust zufolge Frau Bock heißt und aussieht wie Kurt Beck in blondiert, staunt. Hier ist der Kenner gefragt! Die Ananas geht gerade noch durch, flugs tippt sie den Ananas-Code ein.

Aber dann: Ein grasgrünes Ei rollt auf sie zu. "Was ist das?", fragt sie. - "Eine Mango." Dann: stachelige Kugeln. "Und das?" - "Litschi." Das Nahen einer Papaya wird nur mit "Hä?" quittiert - der Kunde souffliert.

Die letzte Frucht ist gelb und eine Anfängerübung. Als Frau Bock gerade lostippen will, brüllt ein Kunde von hinten: "Gurke!" Die Kassierin blickt verwirrt: "Wieso", fragt sie, "ist das keine Banane?"

Charlotte Frank/SZ vom 20./21.6.2009

Foto: ddp

Mitten in Absurdistan

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Mitten in ... Goa

Der Polizist zieht am Straßenrand einen laminierten Zettel aus der Tasche. "Fahren ohne Helm: 2000 Rupien", sagt er in gebrochenem Englisch und zeigt auf die Liste. "Motor zu laut: 10.000 Rupien. Moped zu schnell: 3000 Rupien. Führerschein ungültig: 20.000 Rupien."

Er blickt auf den gültigen internationalen Führerschein seines deutschen Opfers. "35.000 Rupien oder Sie kommen ins Gefängnis", addiert er schnell. 35.000 Rupien sind gut 500 Euro. Und eine Nacht in einem indischen Gefängnis keine schöne Vorstellung.

Andererseits, sagt der Beamte nach einer Pause, gebe es auch die Möglichkeit, die Sache jetzt und hier zu erledigen. "Wie viel wäre Ihnen das wert?", fragt er. 500 Rupien sind genug. Umgerechnet knapp acht Euro. "Gute Fahrt", wünscht der Polizist.

Hinter ihm fahren hunderte Inder vorbei, alle ohne Helm, alle auf dem gleichen Typ Moped.

(Johannes Boie, SZ vom 13./14.6.2009)

Foto: dpa

Mitten in Absurdistan

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Mitten auf dem ... Rogue River

Wer sich in ein Schlauchboot setzt, um den Rogue River in Oregon hinunterzufahren, der will Schwarzbären sehen, Fischotter, Weißkopfadler, Reiher. Er will Stromschnellen hinunterjagen, an den ruhigeren Streckenabschnitten Lachse und Regenbogenforellen angeln oder an Wäldern, Weiden, Ranches und grasenden Pferden vorbeitreiben. Früher hieß der Fluss, der in Richtung Pazifik fließt, Gold River; er endet bei Gold Beach im Ozean.

Vielleicht ist es der Mythos, vielleicht immerwährende Verheißung: Am Rogue-River sieht man bis heute Goldsucher am Ufer; nur selten noch mit Sieb und Rechen bewaffnet. Sie bewachen vielmehr kleine Maschinen, die das Flusswasser ansaugen, automatisch filtern - und, so sich noch ein Körnchen Gold findet, dieses in ein Auffangbecken spucken.

Beim Zuschauen reich werden - was für ein Traum.

(Cathrin Kahlweit, SZ vom 13./14.6.2009)

Foto: dpa/ZB

Mitten in Absurdistan

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Mitten in ... Bainao

Im Überlandtaxi durch die kubanische Provinz, noch eine Stunde bis Havanna. Der Fahrer erzählt von dem Esel, der ihm kürzlich vors Auto lief, "dummer Esel". Wie er so redet, überfährt er ein Schwein. Ein wildes Ferkel, es kam aus dem Gebüsch. "Dummes Schwein", sagt der Fahrer und hält.

Der Deutsche überlegt, wie man das sterbende Tier von seinem Leid erlösen kann. Der Fahrer überlegt, was man dazu essen soll. Aber er darf es nicht mitnehmen: neue Regel, "keine toten Tiere im Taxi", der Gestank.

Er fährt den Kilometer ins nächste Dorf und brüllt etwas von einem toten Ferkel aus dem Fenster. Die Leute vor den Bretterhütten lassen Schaufel und Baseballschläger fallen, rennen los Richtung Schwein. Nur einer rennt weg, hinter einen Schuppen.

Nach ein paar Sekunden ist er wieder da - auf einem Fahrrad. Nicht dumm.

(Roman Deininger ,SZ vom 6./7.6.2009)

Foto: AP

Mitten in Absurdistan

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Mitten in ... Homs

Die wichtigste Absatzstrategie syrischer Gasverkäufer ist ohrenbetäubender Lärm. Mit zerbeulten Toyota-Pickups fahren die Händler im Schneckentempo durch die Straßen, die Ladeflächen voller Gasflaschen.

Oben drauf sitzen junge Burschen und schlagen mit einem Schraubenschlüssel auf die Flaschen ein, die eigenen Ohren dick mit einem Tuch verbunden. Jede Hausfrau im ganzen Land kennt dieses Signal: Jetzt sind die Gasverkäufer da.

Die Bürger von Homs hatten jedoch genug von dem Krach und forderten ein wohlklingenderes Erkennungszeichen. Mit Erfolg: Die Gaslieferanten spielen jetzt Lieder der libanesischen Starsängerin Fairuz. Und mit den Schnulzen von Abdel Halim, dem "arabischen Elvis", der die Herzen im gesamten Nahen Osten in Wallung bringt, locken die Heizölhändler nun ihre Kunden aus den Häusern.

(Silke Lode, SZ vom 6./7.6.2009)

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Mitten in Absurdistan

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Mitten in ... Washington

Jetzt sind die Schilder da: "Putting America to Work" steht drauf, schwarz auf orange-rotem Grund. Amerika bekommt Arbeit! Am Dalecarlia Parkway stehen sie, einer vierspurigen Holperstrecke im Westen der Hauptstadt. Damit jeder begreift, dass hier ein paar hunderttausend Dollar der geborgten 787 Milliarden des Konjunkturprogramms von Präsident Obama ihre Wirkung entfalten, haben sie ein zweites, größeres Schild aufgebaut: Diese Bauarbeiten, tönt es, werden vom "American Recovery and Reinvestment Act" finanziert.

Doch wer glaubt, dass der Parkway - eine Schlaglochpiste, wie man sie in Dritte-Welt-Metropolen vermuten würde - eine neue Asphaltdecke erhält, irrt gewaltig. Zunächst wird nur die, wie Washingtons Bürgermeister Adrian Fenty es nannte, "archaische" Beleuchtung modernisiert.

Es bleibt viel zu tun, Amerika!

(Reymer Klüver, SZ vom 6./7.6.2009)

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Mitten in Absurdistan

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Mitten in ... Sibirien

Im Abteil war nur der eine reservierte Platz noch frei, aber verlockend war der nicht. Die Transsibirische Eisenbahn war schon seit Tagen unterwegs, der Mief hatte sich verdichtet, einer der Männer machte einen garstigen Eindruck und die zugezogene Gardine begrenzte die Sicht auf die wuchernde Natur.

Der Stehplatz direkt am Fenster im Gang wirkte angenehmer, ohnehin waren es nur 200 Kilometer von Birobidschan bis Chabarowsk im Fernen Osten.

Da sagte eine ältere, freundliche Schaffnerin, "kommen Sie, da vorn ist ein kleines Abteil leer. Da können Sie hinausschauen." Und mieffrei schaute ich hinaus. Keine Autos waren zu sehen, keine Straßen, keine Häuser. Nur Bäume, Wiesen, Bäume und Wiesen. Die Taiga. Die Schaffnerin brachte sogar noch ein großes Glas Tee. Für zehn Rubel, etwa 23 Cent. Sag, was kostet die Welt.

(Frank Nienhuysen, SZ vom 6./7.6.2009)

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Rauchen in ... Kampala, Reuters

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Rauchen in ... Kampala

Die dicke Frau am Kiosk heißt Juliana. Sie hasst Zigaretten, aber verkauft sie gerne. Vorzugsweise die ugandische Marke "Safari" (für die Armen) oder die feineren "Sportsman" (für die Reichen).

Zu ihren besten Kunden gehören die sonnenbebrillten Diplomaten von der Botschaft Nordkoreas, gleich nebenan. Am frühen Morgen tänzeln die hageren Männer manchmal in weißen Unterhemden vor dem schwarzen Tor herum. Sieht aus wie Tai Chi, soll gut fürs Seelenheil sein. Danach rollen die Männer in ihrem alten Benz zu Mama Juliana, um ihre Lungen zu teeren.

Sie saugen den Rauch ein, als wäre es das größte Glück auf Erden. Ansonsten plagen sich die Gesandten aus Pjöngjang damit ab, Afrika aus dem Elend zu hieven. Sie bilden Gefängniswärter aus und schulen Afrikaner im Nahkampf - wenn sie nicht gerade eine "Sportsman" qualmen.

Arne Perras/SZ vom 30./31.5.2009

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Rauchen in ... Paris, AP

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Rauchen in ... Paris

In der Rue Lancry, das ist gleich am Canal Saint Martin, traf ich die sehr junge Frau namens Roxanne wieder. Wir hatten uns vor einiger Zeit schon mal gesehen, an ihr war unverwechselbar, dass sie eine Ratte im Ausschnitt trug.

Sie stand wieder vor dem Friseursalon. Beide waren gut aufgelegt. Die Ratte schnupperte die warme Luft, die junge Frau hustete und rauchte abwechselnd. Ob das nicht schädlich sei, fragte ich. Für wen? Konterte sie. Recht hatte sie, es ging mich nichts an. Aber Roxanne ist halt sehr jung.

Die Ratte, das wusste ich noch, hieß Pierre, musste mich aber belehren lassen. Der Pierre, den ich kannte, sei gestorben. Ob ich denn eine Vorstellung davon hätte, was Menschen mit Ratten anstellten, Tierversuche und so, die Zigarettenindustrie sei besonders schlimm. Bei ihr hätten sie es gut. Ich wünschte noch einen schönen Tag.

Gerd Kröncke/SZ vom 30./31.5.2009

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Rauchen in ... Wladiwostok, Reuters

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Rauchen in ... Waldiwostok

Natürlich raucht auch der Milizionär. Russland ist ein Nikotin-Paradies in seiner ganzen Breite, auch hier kurz vor China.

Der Uniformierte, die Zigarette im Mundwinkel, reicht Andrej, dem Fahrer, einen Brief durchs Fenster. Der Brief müsse nach Wladiwostok, zur Dienststelle xy. Was? Blauer Dunst steigt in die Luft, der Polizist schreibt schon mal die Autonummer auf.

Nüchtern betrachtet ist dies ein Angebot, das man nicht ablehnen sollte. Weiterfahrt also. Eine Stunde, zwei Stunden, endlose Weiten, sehr dunkle Straßen, dann winkt der nächste rauchende Polizist. Das Auto sei zu schnell gewesen, das koste... - Der kluge Fahrer aber, ein Nichtraucher, wedelt mit dem Brief: Er sei in dieser wirklich eiligen Sache unterwegs... - Der Polizist sieht die Adresse, zieht an seiner Zigarette, blinzelt und sagt: "Dieses eine Mal."

Der Nichtraucher jubelt.

Sonja Zekri/SZ vom 30./31.5.2009

Foto: Reuters

Rauchen in ... Tokio, Reuters

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Rauchen in ... Tokio

Wer in Japan am Automaten Zigaretten kaufen will, braucht einen taspo, den elektronischen Raucherausweis zur Bestätigung der Volljährigkeit. Und darf in vielen Vierteln Tokios als Erwachsener auf der Straße doch nicht rauchen. In Akihabara etwa, der Electronic City, gibt es dafür Raucherlokale, leere Läden mit Getränke-, Zeitschriften- und natürlich Zigaretten-Automaten, in welche man zum Qualmen geht.

Die Anti-Rauch-Kampagne hat noch nicht alle Teile Japans erreicht, nicht einmal in der Hauptstadt. So kann es einem passieren, dass man von einer rauchfreien Straße in ein Sushi-Lokal tritt, und im Moment, da man das Stück rohen Thunfischs zum Mund führt, pafft einem der Tresen-Nachbar eine volle Ladung Rauch ins Gesicht. Und ahnt nicht einmal, dass dies unangenehm ist.

Ach, glückliches Deutschland.

Christoph Neidhart/SZ vom 30./31.5.2009

Foto: Reuters

Rauchen in ... Tel Aviv, ddp

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Rauchen in ... Tel Aviv

Israelis haben ein eher gespaltenes Verhältnis zu Autoritäten und Vorschriften. Das Rauchverbot, das seit zwei Jahren in öffentlichen Ämtern und auch in Restaurants gilt, wird gerne umgangen.

Ich sitze im Warteraum der Röntgenabteilung des Ichilov-Krankenhauses in Tel Aviv, die Bronchitis will nicht weg und jetzt sollen meine Lungen durchleuchtet werden. Um mich herum wird geröchelt und gehustet, ich fliehe neben eine Tür, die offensteht und zu einem kleinen Garten führt, der frischen Luft wegen.

Doch plötzlich weicht die frische Luft einem süßen Geruch, zu süß für meinen Geschmack. Ich schaue - und sehe einen Krankenpfleger, der raucht.

Deutscher Ordnungssinn kommt in mir hoch und ich mache ihn darauf aufmerksam, dass Rauchen hier verboten sei. Der Pfleger bleibt unbeeindruckt: "Ich rauche nicht, das ist ein Joint."

Thorsten Schmitz/SZ vom 30./31.5.2009

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Rauchen in ... München, AP

Quelle: SZ

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Rauchen in ... München

In München gibt es ein paar hundert Kneipen, in denen man rauchen darf, sobald man dem dort beheimateten Raucherclub beigetreten ist. Passionierte Raucher können mit ihren Mitgliedskarten mittlerweile drei Zigarettenschachteln füllen, sofern die leer sind.

Im Oklahoma-Saloon, einer Musikbühne nahe der Isar, muss der Gast ebenfalls einem Verein beitreten, nur sollte man sich hüten, von einem Raucherclub zu sprechen. Ali, der sonst freundliche Wirt, kann dann ganz schön scharf werden. "Wir sind ein Club zur Erhaltung und Förderung der europäisch-amerikanischen Kultur", belehrt er das Neumitglied in schneidendem Ton.

Auch gut. Als Förderer der deutsch-amerikanischen Kultur erwirbt man gleichzeitig das Recht, im "Oklahoma" zu rauchen.

Wolfgang Görl/SZ vom 30./31.5.2009

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Mitten in ... Absurdistan

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Mitten in ... Heihe

Hund beißt Mann ist bekanntlich keine Nachricht, weil es zu oft passiert. Aber wie wäre es damit: Hund beißt Parteisekretär! So geschehen diese Woche in der chinesischen Stadt Heihe am Südufer des Amur. Chen Yaping, Parteisekretär des Flussuferdisziplinarkomitees, ging spazieren. An seinem Flussufer eben.

"Zigarre", ein weißer, zentralasiatischer Schäferhund, biss ihn in die Wade. Das war ein Fehler, Zigarre! Chen schwor fürchterliche Rache. Polizei und Veterinäramt haben angeordnet, dass ab diesem Samstag alle Hunde getötet werden, die am Flussufer, in der Stadt oder den umliegenden Landkreisen aufgegriffen werden.

Die Hundebesitzer von Heihe befinden sich in offenem Aufruhr. Sie könnten jetzt nur noch hoffen, dass bald ein Parteisekretär von einer Ratte gebissen werde, ließen sie verlauten.

Henrik Bork, SZ vom 23./24.5.2009

Als Pandabär eingefärbert Chow-Chow auf einem chinesischen Markt. Foto: AP

Mitten in ... Absurdistan

Quelle: SZ

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Mitten in ... New York

Am New Yorker Union Square kann man den Übergang vom Waren- ins Informations- und Servicezeitalter noch einmal in klein erleben. Die Händler mit Obama-Devotionalien, Öl-Porträts von Miles Davis und Adoptionskätzchen sind weiterhin da.

Doch immer öfter tauchen an der Südwestecke des Platzes, gleich beim Gandhi-Denkmal, Leute auf, deren Stände angenehm frei sind von Kunsthandwerk. Nur ein Schild haben sie aufgestellt: Cindy und Vanessa bieten "Modeberatung", John verspricht "Kreative Antworten auf das, was Sie gerade denken" und David erteilt "Kostenlosen Rat (5 Dollar Spende empfohlen)". Das Geschäft läuft schleppend.

Doch vielleicht haben die originellen Beichtväter, Stil-Consultants und Seelsorger auf eine Wachstumsbranche gesetzt. Je mehr Leute wie sie ihre Arbeit verlieren, desto mehr suchen auch Rat.

Jörg Häntzschel, SZ vom 23./24.5.2009

Foto: AFP

Mitten in ... Absurdistan

Quelle: SZ

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Mitten auf der ... A 96

Stau auf der A 96, Höhe Landsberg-West, alles steht, niemand ahnt, was für ein Schauspiel es gleich geben wird, auch der Hauptdarsteller wohl kaum. Er langweilt sich in seinem schwarzen A8, zwei Autos weiter vorne. Er öffnet die Tür, in der Linken hält er einen Plastikbecher mit Strohhalm - und stellt ihn unter der Mittelleitplanke ab.

Ein BMW-Fahrer steigt aus, man sieht, wie er auf den Mann im Audi, den Umweltfrevler, einredet. Das Gespräch scheint eher einseitig zu verlaufen. Der BMW-Fahrer ruft: "Der hört mir gar nicht zu, der liest Zeitung!"

Steigt in seinen Wagen. Steigt wieder aus. Sammelt den Becher auf. Eine Viertelstunde später: Martinshorn von hinten. Der BMW-Fahrer hat die Polizei gerufen. Wegen des Bechers.

Der Polizeiwagen hält bei dem Audi, stellt sich quer.

Aus den umstehenden Autos: Szenenapplaus.

Detlef Esslinger, SZ vom 23./24.5.2009

Foto: AP

Mitten in ... Moskau, dpa

Quelle: SZ

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Mitten in ... Moskau

Sie wird beim Finale keinen Ton singen, aber jetzt reden alle auf Dita von Teese ein und die Hauptfiguren schweigen.

Keine Frage an den Komponisten Alex Christensen, der auf dem Podium links neben ihr sitzt. Nur eine Frage an Oscar Loya, den Sänger des deutschen Eurovisionsliedes, der auf dem Podium rechts neben ihr sitzt. Alle anderen Fragen an die amerikanische Burlesquen-Stripperin mit schwarzem Haar, blassem Teint und rotem Lippenstift.

"Sind Sie zu heiß für die Eurovision?" - "Wie sexy werden Sie sein?" - "Werden Sie auf der Bühne wieder in einem Champagner-Glas baden?" - "Werden Sie Deutschland retten?" Nein, sagt sie, "die Jungs werden sich selber retten." Nein, sagt sie, "ein Cocktail-Glas wird es nicht geben." Nein, sagt sie, "sexy zu sein heißt nicht, alles abzulegen." Und damit ist fast alles gesagt.

Frank Nienhuysen, SZ vom 16./17.5.2009

Foto: (Oscar Loya, Dita von Teese,dpa)

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