Mitten in Absurdistan:Diese verhängnisvolle Frage

Im Hamburger Schanzenviertel gerät eine Wegbeschreibung zum Liebesdrama und die Party in Rio brummt ohne den Gastgeber.

27 Bilder

Catalonia v Nigeria - International Friendly

Quelle: David Ramos/Getty Images

1 / 27

Mitten in ... Barcelona

Das Flugzeug nach München hat noch nicht die Startbahn erreicht, da ist die Österreicherin in Reihe 19 schon beim Grundsätzlichen. Die Arbeitsmoral der Katalanen: "Keiiiin Vergleich zum Rest Spaniens!" Die Demonstrationen für ihre Unabhängigkeit: "Gaaanz beeindruckend!" Unüberhörbar, auch für die sechsköpfige indische Familie in Reihe 20, erörtert sie ihrem Sitznachbarn die Geisteshaltung der katalanischen Minderheit in Frankreich, und noch bevor der Pilot seine Begrüßung auf Englisch wiederholen kann, hat sie schon auf Deutsch übersetzt. Auch nach der Landung ist der Vortrag noch nicht zu Ende - da unterbricht ihn die kleine Tochter der indischen Familie mit einer laut gequengelten Frage an ihren Papa. In fließendem Català. Die Kulturbotschafterin dreht sich ungläubig um, dann ist Ruhe. Keine Übersetzung nötig.

Jan Stremmel

SZ vom 18. Dezember 2015

Broken heart painting PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY Copyright PascalxDelochex xGodong 971_02

Quelle: imago/UIG

2 / 27

Mitten in ... Hamburg

Das Schanzenviertel gilt als bunt, doch wenn es feucht und dunkel ist, das Handy tot und man sich verlaufen hat, dann sehen auch hier alle Straßen gleich aus. Die Einzigen, die man nun fragen könnte: das umschlungene Liebespaar dort auf dem Bürgersteig. Peinlich, aber was hilft es? Also: "Wo bitte geht es zur Oelkersallee?" Zum Glück sind beide sehr nett. Sie sagt: "Kein Problem, die zweite links, danach die erste rechts." Er zückt sein imposantes Smartphone. Sie sagt: "Jetzt lass doch, ich weiß es ja." Er checkt bereits die Route, "warte, ich hab's gleich, stimmt, die zweite links, dann die erste rechts." Sie schreit jetzt: "So zum Kotzen, es ist immer dasselbe!" Dankend eilt man davon, noch aus der Ferne ist zu hören, wie sich beide anbrüllen. Wenn man sicher seinen Weg findet, dann nur in der Sorge, ob ein anderer, gemeinsamer Weg sich gerade trennt.

Marten Rolff

SZ vom 18. Dezember 2015

-

Quelle: SZ

3 / 27

Mitten in ... Corralejo

Der Anbieter der Angeltour im Norden von Fuerteventura wirbt mit Fotos von sehr großen Trophäen; Barrakudas, Speerfische, die Liga. Unsere Reisegruppe ist entsprechend motiviert. Neben zwei Möchtegern-Hemingways aus Deutschland sind vier schwer tätowierte Briten an Bord. Der Himmel ist blau, und die Finger sind bald rot vom Blut der Köder. Allein, es beißt nichts. Das heißt: nur bei den Briten. Die holen zwar lediglich Makrelen raus, aber immerhin. Ihre Blicke sagen alles - solange ihr Krauts nichts fangt, ist auch dieser Krieg gewonnen. Doch plötzlich zuckt die deutsche Leine. Große Aufregung! Nach 20 Sekunden Kurbeln taucht der Fang schemenhaft auf. Alle starren jetzt aufs Wasser. Das, was schließlich an der Angel baumelt, ist hier im Bild zu sehen. Die Briten haben den Rest der Fahrt über eine unerträglich gute Laune.

Marc Felix Serrao

SZ vom 18. Dezember 2015

Kind mit Kuschelteddy

Quelle: picture alliance / dpa

4 / 27

Mitten in ... Rio de Janeiro

Donnerstagabend, großes Geburtstagsfest in Rios Stadtteil Vila Isabel. Lucas hat eingeladen, gut hundert Freunde und Verwandte sind gekommen. Lucas hat eine goldene Plastikkrone auf dem Kopf und trägt einen blauen Umhang. Irgendwo liegt auch ein Plastikzepter. Eine klassische Mottoparty ist es trotzdem nicht. Die Frau am DJ-Pult ist zum Beispiel als Tanzmarie in Schweinchenrosa verkleidet. Die Damen von der Catering-Agentur haben Blumen im Haar. Es werden Käsebällchen mit halbgefrorenem Bier an geselligen Bistrotischen serviert. Die Musik ist allerdings so laut, dass kein vernünftiges Gespräch möglich ist. Egal, das Konzept geht auf, gegen 22 Uhr zieht die erste Polonaise über die Tanzfläche. Bloß der Gastgeber wirkt unbeteiligt, er ist beizeiten im Arm seiner Mutter eingeschlafen. Lucas wird an diesem Tag ein Jahr alt.

Boris Herrmann

SZ vom 18. Dezember 2015

Kiew - Straßenszene

Quelle: picture alliance / dpa

5 / 27

Mitten in ... Kiew

Spätsommer im Frühwinter: Hinter den Mauern des Sophienklosters herrscht himmlischer Frieden. Herzstück der Anlage ist die berühmte Kathedrale, 1000 Jahre alte Grundmauern, Krönungsort der Kiewer Fürsten. Zu Sowjetzeiten lag sie im Dornröschenschlaf. Weil sich nach der Unabhängigkeit die diversen orthodoxen Kirchen der Ukraine nicht einigen konnten, wem die Kathedrale gehört, blieb sie ein Museum. Nun sitzt man im Klostergarten und träumt im Schatten der hohen Kuppeln, oder besser: Man würde gern träumen. Aber eine Kiewer Geschäftsfrau, sehr busy, sehr resolut, schreit mehrsprachig in ihr Handy: englisch, ukrainisch, russisch, mit dem Chef, mit der Nanny. Kritischen Blicken begegnet sie mit Furor: "Zu Moskauer Zeiten herrschte hier Friedhofsstille. Ich schreie herum, so viel ich will. Das ist die neue Freiheit."

Cathrin Kahlweit​

SZ vom 11. Dezember 2015

-

Quelle: Alessandra Schellnegger

6 / 27

Mitten in ... Berlin

Zu den beliebtesten Beschäftigungen im Advent gehört das gemeinsame Basteln. Beim Eltern-Kind-Basteln, zu dem die kleine Kindertagesstätte im Westen Berlins geladen hat, ist dann alles auch zutiefst harmonisch. Kerzen brennen, Keksteller duften, Kinder flechten mit ihren Eltern Adventskränze oder falten aus Notenblättern Weihnachtsengel. Bis auf einen Tisch in der Ecke. Dort steht ein Vater vor drei kaputten Laptops, die er von zu Hause mitgebracht hat. Er teilt Schraubendreher und einen Hammer an die Kinder aus, und dann beginnen alle, die Computer zu zerlegen. Anschlüsse werden herausgerissen, Festplatten entfernt, Tastaturen zerstört, die Kinder kreischen vor Begeisterung. In Berlin verläuft eben auch ein besinnlicher Bastelnachmittag nach dem alten Berliner Motto: Macht kaputt, was euch kaputtmacht.

Verena Mayer

SZ vom 11. Dezember 2015

stare starling

Quelle: picture-alliance/ dpa

7 / 27

Mitten in ... Rom

Stare nennt man in Italiens Hauptstadt gerne "Himmelstänzer". Wie anmutig die kleinen Vögel doch wirken, wenn sie zum Sonnenuntergang in Schwärmen zu Tausenden Figuren an den Horizont zeichnen, ach was: zaubern! Als hätten sie sich auf eine Choreografie geeinigt. Ein Spektakel. Und leider nur die halbe Geschichte. Denn die Menschen, die hier leben, fragen sich inzwischen eher: Warum zum Teufel zieht ihr nicht gen Süden, in die Wärme? Wer unter den Staren wohnt, wer am Tiber, wo die Platanen stehen, unter ihnen flaniert, wer seinen Wagen in der Nähe parkt, dem kann die Flugshow gestohlen bleiben. Die Vögel werfen über Nacht soviel Notdurft ab, dass danach das ganze Viertel stinkt. Das Auto? Würde man es nicht an der Form erkennen, man fände es nicht mehr. In der Waschanlage forderten sie den doppelten Preis, 24 Euro. Himmelsscheißer.

Oliver Meiler

SZ vom 11. Dezember 2015

-

Quelle: AFP

8 / 27

Mitten in ... Guantánamo

Nach all den Nachrichten aus dem Gefangenenlager ist Herzlichkeit keine Tugend, die man mit Guantánamo verbindet. Für die 90 Kilometer vom kubanischen Santiago aus braucht der zum Bus umgebaute Lkw zweieinhalb Stunden. Mensch und Tier teilen sich bei 40 Grad den Platz in dem Brutkasten, der schließlich irgendwo am Rand der Stadt hält. Vom US-Stützpunkt keine Spur. Um nur in die Nähe zu kommen, brauche man eine Sondergenehmigung, heißt es. Dann vielleicht die Sehenswürdigkeiten des Ortes? Aber Kathedrale und Kunstmuseum sind zu, Geld von der Bank gibt's erst morgen wieder, und die letzte Pizza am Straßenstand kauft ein Mitreisender. Trostlos. Doch dann taucht eine junge Guantánamera auf - und bietet den Gestrandeten spontan Rat, Tat und eine bezahlte Kutschfahrt an. Es gibt sie doch: Herzlichkeit in Guantánamo.

Evelyn Vogel

SZ vom 11. Dezember 2015

-

Quelle: SZ

9 / 27

Mitten in ... Birmingham

Birmingham International, bald startet Lufthansa-Flug LH 2511 nach München. Zur Sicherheit in Zeiten des Terrors gibt es an Flughäfen Technik. Immer mehr Technik. Der Fluggast zeigt seinen Personalausweis vor, der Computer spuckt die Bordkarte aus. Alles wie gehabt. Den Weg zum Gate versperren automatische Barrieren, sie öffnen sich dem, der den Barcode der Bordkarte auf den Scanner legt. Schon bin ich am Flugzeug. Fast. Eine letzte Sperre, daneben ein Mensch. Der schaut auf den Ausweis, schaut auf die Bordkarte. Die, stellt sich heraus, lautet auf einen völlig anderen Namen, offenbar beim Check-in verwechselt. Doch ohne richtige Bordkarte darf niemand an Bord. Eine neue wird ausgestellt, aber diesmal nicht vom Computer: Sie wird von Hand geschrieben, von Hand kontrolliert. Sicher ist sicher ist dann doch Handarbeit.

Jan Bielicki

SZ vom 4. Dezember 2015

Sushi Chefs Compete In The Global Sushi Challenge 2015 Competition

Quelle: Yuriko Nakao/Bloomberg

10 / 27

Mitten in ... Berlin

Neulich im Gourmet-Keller der Galeries Lafayette, im Einkaufskörbchen liegt ein Pfund Café Noir. "Wollnse ne Tüte?", fragt die Verkäuferin in hugenottischem Berlinerisch. "Nein, danke. Ist doch gerade Klimakonferenz!", smalltalkt man zurück. Die Verkäuferin blickt auf - und gibt sich empört. "Dit müssense mal der Merkel sagen", sagt sie. "Wieso?" - "Na, der Merkel ihr Mann kooft jedn Freitag hier ein - und will für jedet Dingelchen ne eijene Tüte. Der hat manchmal fünf oder sechs Tüten! Is zwar bloß Papier. Aber trotzdem: Dit muss ooch riehseikelt werden, wa?" Investigative Gegenfrage: "Was kauft er so?" Sie: "Immer Fisch. Und Sushi. Viel Sushi." Pause. "Wissense, bei Merkels jibts am Wochenende immer Sushi. Keen Wunder. Die Frau ist ja nie zu Hause." War sie an dem Tag wirklich nicht. Sondern in Paris bei der Klimakonferenz.

Cerstin Gammelin

SZ vom 4. Dezember 2015

Zwei Teenager Mädchen 13 Jahre am Strand mit Handys ibllid03986797 jpg

Quelle: imago/imagebroker

11 / 27

Mitten in ... Puerto Escondido

Die mexikanische Küstenstadt Puerto Escondido ist wirklich klein, hier trifft man sich immer zweimal. Treffen eins: Zwei Schweizer Rucksacktouristinnen rücken sich Stühle an den Tisch im vollen Strandcafé. Die Kleinere bemerkt weder die Surfer draußen auf dem Meer noch ihren Margarita, sie tippt unablässig auf ihrem Handy. Die Größere verdreht die Augen und flüstert "Fernbeziehung". Treffen zwei, tags darauf. Gut geht's, sagen die Schweizerinnen, am Vorabend habe es jedoch "einen dummen Vorfall" gegeben. Zwischen zwei Restaurantterrassen seien sie von Bewaffneten bedroht und ausgeraubt worden. "Geld, Ausweise, alles weg", sagt die Kleinere wütend. "Wir haben Stunden auf der Polizeiwache verbracht." Die Größere lächelt. "Auch die Handys sind erst mal weg." Sie klingt, buchstäblich: erleichtert.

Laura Hertreiter

SZ vom 4. Dezember 2015

To match Reuters Life! BRITAIN-PUBS/

Quelle: Luke MacGregor/Reuters

12 / 27

Mitten in ... Glasgow

Klassentreffen in, allein der Ort ist absurd, Glasgow. Als ich am Freitagabend als letzte im Nieselregen lande, warten die ersten Kölner schon im Pub. Die eigentlich obligatorische Was-machst-du-jetzt-so-Inquisition fällt aus, alle schon zu betrunken. Weiter geht die Party in einer WG. Ein Gin, zwei Gin, drei Gin - irgendwann habe ich die anderen eingeholt. Dachte ich. Die härtesten Macker von damals tanzen zu Schnulzen von Destiny's Child, Dosenbier fliegt durch den Raum, die Erste fängt an zu weinen, Liebeskummer. Eigentlich alles wie früher, nur machen jetzt alle Fotos davon. Nach zwei Tagen Teenie-Camp stehe ich sonntags alleine am Flughafen; welch Sauberkeit, welch himmlische Ruhe! Was war das bloß für ein Kindergarten. Du kleine Spießerin, flüstert das Teufelchen von der Schulter: Es sollte nie anders sein.

Friederike Zoe Grasshoff

SZ vom 4. Dezember 2015

Spanish F1 Grand Prix - Race

Quelle: Getty Images

13 / 27

Mitten in ... Salzburg

Als kleiner Mann von der Straße (1,72 Meter) kommt man sich in der großen Welt von Red Bull sehr mickrig vor. Man sitzt im Café unter dem Büro des Milliardärs Dietrich Mateschitz, mit Blick auf Flugzeuge und Formel-1-Autos, die sie hier in einem riesengroßen Hangar ausgestellt haben. Ein perfekter Ort für die Pflege von Minderwertigkeitsgefühlen: Wie unterdurchschnittlich man doch ist, gemessen in Zentimeter und Euro! Dass die Interviewpartnerin, die diesen Treffpunkt vorgeschlagen hat, ein langbeiniges blondes Model ist (1,84 Meter), macht es nicht leichter. Und dann: Vor dem Hangar kommt ein Privatjet an. Bernie Ecclestone (1,59 Meter) steigt aus, der allmächtige Vermarkter der Formel 1. Offenbar geht es da oben im Büro um ein ganz, ganz großes Geschäft. Na ja, wie sagte schon Albert Einstein (1,75 Meter): Alles ist relativ.

Titus Arnu

SZ vom 27. November 2015

Fußgänger telefoniert

Quelle: dpa

14 / 27

Mitten in ... Westerland

Die Fußgängerampel ist rot, und die mobile Kommunikation fordert mal wieder die gesamte Aufmerksamkeit. Eine E-Mail ist aufs Handy gekommen, und aus irgendeinem Grund ist die Einbildung groß, dass die Antwort nicht warten kann. Die Ampel wird grün. Alle gehen. Ich merke nichts davon. Ich tippe. Die Ampel wird wieder rot. Aufschauen. War was? Weitertippen. Manche Antworten dauern eben etwas länger, da kann man nicht auf die Ampeln der wirklichen Welt schauen. Plötzlich ruft jemand: "Grün!" Es ist die Frau auf der anderen Straßenseite, die offensichtlich den Eindruck hatte, dass der Typ mit dem Handy gar nicht mehr vom Fleck kommt, wenn sie ihm nicht selbst ein Signal gibt. Und natürlich hat sie da recht. Schlimm: Die mobile Kommunikation macht so blind, dass man sich über die Straße helfen lassen muss.

Thomas Hahn

SZ vom 27. November 2015

Venedig bei Nacht

Quelle: eyetronic - Fotolia

15 / 27

Mitten in ... Venedig

Zuerst sah man einen grellen Scheinwerfer durch die Gassen von Venedig hüpfen. Dann wurden es viele. Schließlich hörte man ein wildes Keuchen. Dann wurde man von Menschen in hautengen Anzügen beinahe umgerannt. Jeder von ihnen trug eine Landkarte in der Hand, auf die er (oder sie) im Licht seines Scheinwerfers immer wieder blickte. Tausende waren gekommen, um in der Dunkelheit eine Strecke abzulaufen, die in der Luftlinie fünf Kilometer misst. Aber keine Gasse verläuft gerade, viele enden an einer Mauer oder an einem Kanal, und manche Sportler verzweifelten. "Orientierungslauf" heißt der Sport, der Hunderte, wenn nicht Tausende nach Venedig kommen ließ. Er stammt aus den Wäldern des Nordens. Bäume gibt es in Venedig nicht, nur Häuser, die im Wasser stehen. Im schnellen Lauf lässt sich beides verwechseln.

Thomas Steinfeld

SZ vom 27. November 2015

Illustration Spionage

Quelle: dpa

16 / 27

Mitten in ... Dresden

Zu Besuch auf einem sogenannten Kreativmarkt. Internethändler verkaufen Individualität in großen Stückzahlen. Eher junge Kunden jubeln über die verrückte Idee, Sachen offline kaufen zu können, ohne Versandkosten. Die längste Schlange bildet sich an einem Stand, an dem Menschen ihre Iris fotografieren lassen und einen Fotodruck davon kaufen können. Eine junge Frau steht davor, noch unschlüssig. So ein Bild hätte sie ja schon gerne, fürs Schlafzimmer, "aber ich will mich ni' erfassen lassen! Wer weiß, was die da machen?" Sie wägt nun still ihre Grundrechte ab, Selbstverwirklichung gegen informationelle Selbstbestimmung. Der Datenschutz gewinnt. Der Freund sagt: Du hast auch so schöne blaue Augen. Sie lächelt. Und: gute Entscheidung. Auf dem Foto hätte man vermutlich gesehen, dass ihre Augen ganz eindeutig grau sind.

Cornelius Pollmer

SZ vom 20. November 2015

Königskobra

Quelle: Imago

17 / 27

Mitten in ... Singapur

32 Grad bei 84 Prozent Luftfeuchtigkeit, am frühen Abend. Ganz normales Wetter. Wir Europäer kochen hier im eigenen Sud, sobald wir das wohltemperierte Wohnzimmer verlassen. Hose, Hemd, Kleid - alles klebt. Jahraus, jahrein. Trotzdem gibt es in unserer Wohnanlage eine Sauna. Eine Dampfsauna, die fast nie jemand benutzt in dem 1000 Einwohner starken "Condominium". Sie ist fast immer leer. Fast immer. Neulich öffnete der Wachmann auf einem seiner stündlichen Rundgänge die Saunatür und sah sich Aug in Aug einer hochaufgerichteten Königskobra gegenüber, der größten Giftschlange der Welt. Und so hat es die Sauna tatsächlich geschafft, den Wachmann und uns Eltern, deren Kinder jeden Tag an dem Raum vorbeilaufen und dort gern mal Verstecken spielen, dann doch noch zum Extra-Schwitzen zu bringen.

Susanne Perras

SZ vom 20. November 2015

-

Quelle: imago

18 / 27

Mitten in ... Tiberias

Sabbat-Abend am See Genezareth. Der Blick aus dem Hotelfenster haut einen um, buchstäblich. Es kann aber auch am glatten Fußboden gelegen haben. Blut auf Laminat, Möbeln, T-Shirt, es tropft aus der Augenbraue. Don't worry, ruft der Hotelmanager, wir haben hier einen Arzt. Fünf Hotelangestellte umringen die Patientin, der junge Doktor desinfiziert und tupft, doch vergebens. "Hospital", sagt er schließlich und ruft ein Taxi nach Tiberias. Taxifahrer Michael ist sehr fürsorglich, er kommt sogar mit ins Wartezimmer. Am Ende, frisch geklebt und gepflastert, wieder im Hotel. Auf den Schrecken ein Glas Wein. Doch hinter der Bar steht: der Arzt. Der Arzt? Ja, er habe gerade sein Medizinstudium abgeschlossen, sagt er, und warte noch aufs Examen. Er schiebt ein Glas Weißwein aus Galiläa über den Tresen und sagt: "Ist auch Medizin."

Annette Zoch

SZ vom 20. November 2015

So bleiben Küchenmesser scharf

Quelle: dpa

19 / 27

Mitten in ...

Der Hausmeister kehrt das letzte Laub vor unserem Haus, gegenüber hält ein BMW X5. Ihm entsteigt ein gut gekleideter Herr und fragt nach dem Weg zum nächsten Küchenstudio, dort wolle er Restbestände an Küchenwaren abgeben. Er erzählt von einer Messe, und dass er auf dem Weg in die Schweiz sei, man dort die Einfuhrzölle erhöht habe und er hochwertige Kochtopfsets und Messerkoffer verschenken wolle. Schon stehen der Hausmeister und ich vor dem Auto. Der Mann referiert über die Messer und Alfons Schuhbeck, über die Töpfe, Thermostate und Pfannen - das alles koste nur so viel wie der billigste Topf: 179 Euro. Zum Beweis der Schärfe schabt er mit einem Messer etwas vom Nagel seines Daumens ab, zeigt Preisschilder von 1799 Euro. Im Internet lese ich später von einem Betrüger, der nach dem Weg fragt und Ramschware verkauft.

Hubert Filser

SZ vom 20. November 2015

Kein Niesen durch die Schildkröte - Haustiere trotz Allergie

Quelle: Jens Schierenbeck/dpa

20 / 27

Mitten in ... München

Die Maus kam über Nacht, die Balkontür stand offen, jetzt huscht sie unters Schuhregal. Die Töchter kreischen, die Maus muss raus! Wer "Tom und Jerry" kennt, weiß: Jetzt heißt es clever sein. Also baut man ihr eine Parmesan-Trasse ins Freie. Aber die Maus ist cleverer. Sie vernascht den Käse, zieht sich ins Schlafzimmer zurück und bleibt verschollen. Und nun? Sollen wir uns eine Katze ausleihen? Giftköder verteilen? Die Töchter kreischen: Jerry soll leben! Dann wird sie in der Küche gesichtet, wo sie unter die Spüle flitzt. Also runter mit der Zierleiste. Auf dem Bauch liegend, sieht man einen Fleck im hintersten Eck. Endloses Gefummel mit dem Staubsaugerrohr. Da nutzt die Maus die geöffnete Küchentür - und ist weg. Einen größeren Triumph hat man lange nicht gefeiert. Zur Feier des Tages gibt es Nudeln mit Emmentaler.

Christian Mayer

SZ vom 13. November 2015

GERMANY-LIFESTYLE-INTERNET-BREAK UP

Quelle: AFP

21 / 27

Mitten in ... New York

In der U-Bahn in Manhattan, kurz nach Schulschluss. Das Abteil ist voller Teenager, fast alles Mädchen, vielleicht 15 Jahre alt. Überall Röhrenjeans, bunte Fingernägel und zu viel Parfum. Sie sind sehr laut. "Per SMS kannst du das nicht machen", quietscht die eine über die Köpfe von zwei anderen hinweg. "Aber ich brauche mit der Bahn fast zwei Stunden zu dem, der wohnt bei der letzten Station", ruft die andere zurück. Es geht ums Schlussmachen und die Frage, ob es zu gemein ist, das Ganze per Kurznachricht statt persönlich zu erledigen. "Kann er nicht zu dir kommen?", schlägt eine Freundin vor. Aber dann sitzt ja der Bald-Exfreund selbst zwei Stunden in der Bahn, das ist auch nicht so nett. "Ach, ich mach das per SMS", sagt die Bald-Exfreundin und gibt einem der Mädchen ihr Handy. "Hier, schreib du mal, ich weiß nicht wie."

Kathrin Werner

SZ vom 13. November 2015

Nanjing

Quelle: SZ

22 / 27

Mitten in ... Nanjing

Zu Besuch bei Verwandten in China. Nach zehn Tagen sind alle erkältet und müde vom Staunen und Stapfen durch viel zu große Städte und vom zwar immer leckeren, aber immer fremden chinesischen Essen. Die Familie beschließt: Heute wird nichts mehr besichtigt und selbst gekocht. Zum Abendbrot soll es gemischten Salat statt Dim Sum geben, dazu Spiegelei. Der Großvater liest unterdessen im Internet die deutschen Zeitungen - gerade hat das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei das offizielle Ende der Ein-Kind-Politik ausgerufen. Früher durfte jedes Paar in China nur ein Kind bekommen. Künftig dürfen es auch zwei sein. Der Markt in China reagiert blitzschnell. Selbst bis zu den Hühnern hat sich die neue Zwei-Kind-Politik offenbar schon herumgesprochen: In der Pfanne auf dem Herd brutzeln vier Doppeleier.

SZ vom 13. November 2015

Karoline Meta Beisel

world war commemoration

Quelle: dpa

23 / 27

Mitten in ... London

Die Briten müssen ein fürchterliches Bild von uns Deutschen haben! Begegnung mit einem Veteranen am Parliament Square in London. Der Deutsche fragt, sehr freundlich: "Sagen Sie, was bedeutet noch mal diese rote Plastikblume, die Sie da an Ihrem Revers tragen?" Der Brite: "Das ist das Remembrance Poppy." Der Deutsche: "Puppy?" Der Brite: "Nein! Nicht Welpe! POPPY. Mohnblume. In Flanders fields the poppies blow / Between the crosses, row on row. Dieses Gedicht kennt in Großbritannien jedes Kind. Es ist der 11. November. Wir gedenken der Kriegstoten." Der Gast: "Ach so. Entschuldigung. Ich komme nämlich aus Deutschland." Der Brite: "Und was machen Sie in Deutschland am 11. November?" Antwort: "Da feiern wir Sankt Martin und Karnevalsbeginn." Der Brite schüttelt den Kopf und geht. Ach, Europa, wie soll das nur noch werden?

Martin Zips

SZ vom 13. November 2015

The city of Los Angeles, California is pictured on a hot summer day next to the San Gabriel mountains

Quelle: REUTERS

24 / 27

Mitten in ... Los Angeles

Das Wetter im Süden von Kalifornien ändert sich nie, das ist spätestens seit dem berühmten Lied von Albert Hammond aus dem Jahr 1972 bekannt. Die Sonne geht auf, sie scheint, dann geht sie unter. Im Los Angeles County Museum of Art gibt es deshalb nun den "Rain Room". Er ist bis Februar 2016 ausverkauft. Der Gast kann im Regen spazieren, ohne einen Tropfen abzubekommen - weil Bewegungsdetektoren seine Position erkennen. Klingt erst mal interessant. Aber ist nicht das Wunderbare am Regen, dass man nass wird? Der Gast verlässt das Museum ernüchtert, da beginnt es plötzlich zu regnen. Genau viereinhalb Minuten lang. Zum ersten Mal seit fünf Monaten. Herrlich! Und natürlich reicht die Zeit, um klitschnass zu werden. Denn auch das wusste Albert Hammond: Es regnet nie im Süden von Kalifornien. Wenn, dann schüttet es.

Jürgen Schmieder

SZ vom 6. November 2015

Europa-Flagge

Quelle: Jens Kalaene/dpa

25 / 27

Mitten in ... Karlsruhe

Vielleicht ist man doch wieder etwas vorsichtig geworden bei der Annäherung der Europäer untereinander. Läuft ja nicht alles rund in letzter Zeit. Beim Europäischen Tag der Justiz treffen sich die Juristen zum Festakt im Karlsruher Schloss. Das Programm lässt sich so zusammenfassen: Bloß keinen Fehler machen! Sieben Grußworte, keiner darf vergessen werden. Dazwischen Musik: "Ode an die Freude", "Marseillaise", "Einigkeit und Recht und Freiheit". Zum Schluss spielen die Streicher "Air" von Bach, und während man noch überlegt, wo man das zuletzt gehört hat, murmelt der Hintermann: "Das spielt man doch auf Beerdigungen." Wie hat der englischsprachige EU-Vertreter noch formuliert, als er sein Grußwort tapfer, aber nicht ganz erfolgreich auf Deutsch vorgetragen hat? "Vielen Dank für diesen merkwürdigen Tag."

Wolfgang Janisch

SZ vom 6. November 2015

-

Quelle: Imago Stock & People

26 / 27

Mitten in ... Seoul

Urlaub mit der besten Freundin, da darf ein Besuch in einem "Jjimjilbang", einem koreanischen Spa, nicht fehlen. Das Gebäude mit finster guckenden Figuren vor der Tür erinnert an eine Geisterbahn, innen fühlt man sich dann wie im Schulheim: Alle Gäste laufen in den gleichen Shorts und Shirts herum, es gibt Chips und Cola, und an den Spielautomaten wird gedaddelt. Zur Erholung buchen wir ein Rundum-Wohlfühl-Paket, ohne zu wissen, was uns erwartet. Erst werden wir geschrubbt, von Damen um die 60 in schwarzer Spitzenunterwäsche. So lange, bis nicht nur wir auf der Plastikfolie liegen, sondern auch die Restbräune des Jahres 2015. Dann geht es zum "hip steaming": Wir sitzen nackt auf einem Hocker mit Loch, drunter steht ein Topf mit Kräutersud. 40 Minuten lang. Beste Erholung des Urlaubs: lachen, bis der Bauch wehtut.

Julia Rothhaas

SZ vom 6. November 2015

Die ersten "Nackerten" am Eisbach im Englischen Garten, 2007

Quelle: sz.sonstige

27 / 27

Mitten in ... München

Ein Ehepaar aus Sachsen schlendert bei Kaiserwetter durch den Englischen Garten und bleibt plötzlich erschrocken stehen. Direkt vor ihnen auf der Wiese steht ein nackter Mann, bückt sich nach seinem Handtuch und streckt den Urlaubern den blanken Po entgegen. "Das so was hier durchgeht", schnauft der Mann. "Werteverfall", ergänzt die Frau. Kurz darauf entdecken sie eine Hinweistafel, auf der steht, dass es sich hier um eine Liegewiese für Nackte handelt. "Stören Sie die Ruhe der Sonnenbadenden nicht", liest die Frau vor. Dann leiser: "Ach so." Sie blickt noch einmal zu dem kleiderlosen Mann hinüber, der sich jetzt breitbeinig in Position bringt und mitten auf die geschützte Rasenfläche pinkelt. "Schön ist das ja nicht, aber wenn's hier gewollt ist", sagt sie. Ihr Mann hat sich schon weggedreht und murmelt: "Wir sind ja bald wieder daheim."

Anne Backhaus

SZ vom 6. November 2015

© Süddeutsche Zeitung/edi
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: