Mitten in Absurdistan:"PeeeCeee" dringend gesucht

In Japan verfolgen ein paar Angler ein sehr spezielles Projekt. Und in Kairo werden dank Partylaune überraschende Kompromisse gemacht.

SZ-Korrespondenten berichten Kurioses aus aller Welt

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A European lobster (Hommarus gammarus) is pictured in a breeding station at the Alfred-Wegener institute on the German island of Heligoland

Quelle: REUTERS

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Mitten in ... Aoshima

In Aoshima an der japanischen Pazifikküste kann man sehr schön Wellenreiten, und wenn gerade mal keine Wellen sind, dann kann man in den Flussmündungen Krebse fangen. An einem sehr heißen Nachmittag mit wenig Wellen stehen drei Japaner in Neoprenanzügen unter einer Brücke und fischen mit riesigen Keschern durch das Wasser. Auf der Brücke steht ein vierter Japaner und dirigiert die fischenden Surfer. Das sieht alles sehr professionell aus. Man nähert sich mit einem kennerhaften Blick und fragt: "Na, schon Hummer gefangen?" Der Japaner schüttelt den Kopf, lacht und sagt, man suche nach etwas anderem, nach etwas, das er als "PeeeCeee" beschreibt. Ist das vielleicht so etwas wie ein Kugelfisch? "Nein", sagt der Japaner, es handele sich einfach um einen Computer, der gestern bei einem Streit über die Brücke geworfen wurde.

Bernd Dörries

SZ vom 7. August 2015

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Quelle: AP

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Mitten in ... Berlin

Der Nachbar begrüßt die Berliner Familie, die gerade aus dem Urlaub zurückkommt, mit der Nachricht, dass es zu Ferienbeginn sehr heiß war und dass in alle Keller des Hauses eingebrochen wurde. Und dass die Polizei sagte, die Einbrecher müssten sehr dumm sein, weil sie ihre Zeit damit verbrachten, Kisten zu durchwühlen, statt einfach Dinge von Wert mitzunehmen. Die Berliner Familie stürzt in ihren Keller, und tatsächlich: Die nicht abgeschlossenen Fahrräder sind noch da, dafür wurden sämtliche Kartons, die seit dem letzten Umzug ungeöffnet im Keller verrotten, durchsucht, Kisten mit Skistiefeln, altem Spielzeug und Büchern. Doch dann eine erste Ahnung, was fehlen könnte: die Carrera-Rennbahn nämlich - und mehrere Bände von Kindlers Literaturlexikon. Vielleicht waren die Einbrecher ja doch gar nicht so dumm.

Verena Mayer

SZ vom 7. August 2015

People cheer while raising a national flag as people gather in Tahrir square to celebrate an extension of the Suez Canal

Quelle: REUTERS

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Mitten in ... Kairo

Kairo ist in Partylaune. Es gilt die Einweihung des Suezkanals zu begehen. An Flaggen darf es da nicht fehlen. "Da braucht man schon so eine Million", sagt ein ägyptischer Kollege. Es gibt keinen Ort, der absurd genug wäre, um ihn nicht mit der Trikolore in Rot, Weiß und Schwarz sowie dem goldenen Adler in der Mitte zu dekorieren. Selbst an der verkohlten Ruine des Hauptquartiers der Mubarak-Partei flattern sie - weil es gerade abgerissen wird an verbogenem Baustahl, der im zehnten Stock aus abgebrochenen Betonpfeilern ragt. So viele Fahnen mussten her, dass es wohl zu Engpässen kam, jedenfalls sind viele Brückenpfeiler zwar drapiert in den Farben des Landes - aber ohne den Adler. Es ist die Fahne der brüderlichen Arabischen Republik Jemen. Oder wie die Ägypter zu den adlerlosen Fahnen sagen: "Chinesische Billigqualität".

Paul-Anton Krüger

SZ vom 7. August 2015

Mobile Phone Stores And Users Ahead Of The Telecom Spectrum Auction

Quelle: Bloomberg

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Mitten in ... München

München, Sommer 2014. Der italienische Kellner erblickt das Smartphone des Gastes. "Ah, ich habe jetzt auch so eines. Weißt du, wie man das entsperrt?" fragt er arglos laut. Kürzlich habe er so ein Modell im Gras gefunden, könne es nun aber nicht nutzen. Es ist verzwickt. Ein Jahr später, gleiches Café: Und, wie geht's dem Handy? "Liegt immer noch in der Schublade", antwortet der Kellner verzweifelt, jetzt müsse er damit wohl doch nach Italien zum Entsperren. Wie wär's mit dem Fundbüro? Entzückt ob der Naivität des Gastes sagt er: "Die behalten das Handy doch selber!" Es ist verzwickt. Deshalb hier ein Aufruf: Wer damals sein iPhone 4 in Uni-Nähe verloren hat, möge dem armen Tropf bitte die Pin reichen. Melden kann sich auch, wer diesen echt unpraktischen Sicherheitscode zu knacken weiß. Ansonsten: Fortsetzung im Sommer 2016.

Martin Wittmann

SZ vom 7. August 2015

Aktenstapel

Quelle: Armin Weigel/dpa

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Mitten in ... Rom

Eine Großbank im Zentrum Roms, Via del Corso. Man muss geduldig sein, die Hälfte des Bankpersonals ist im Sommerurlaub. So auch der nette Herr, der einem vor einigen Tagen half, ein Konto zu eröffnen: Er verreiste nach Elba. Eine mindestens ebenso nette Dame ersetzt ihn, braun gebrannt, sie war schon weg: San Teodoro, Sardinien. Als es ums Geschäftliche geht, fehlt ein wichtiges Dokument, der Kollege hat es wohl in seinem Büro liegen lassen. Und so kommt es, dass wir gemeinsam im Büro des verreisten Kollegen Dokumente durchforsten, ganze Berge davon mit fremden Namen drauf, Kreditkartenabrechnungen, Lohnblätter, Bankbürgschaften, Depotkonten. Sie muss mal weg, ich wühle eine Weile alleine weiter: im Schrank, im Aktenfach, auf dem Papierstapel. So muss man sich wohl die neue Transparenz der Bankenwelt vorstellen.

Oliver Meiler

SZ vom 31. Juli 2015

THOUSANDS OF CARS TANGLE IN A CAIRO TRAFFIC JAM

Quelle: Aladin Abdel Naby /Reuters

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Mitten in ... Kairo

Im Taxi von Zamalek nach Maadi, vom einen bei Westlern beliebten Stadtteil in den andern. Der Fahrer geht ans Handy. "Duktura" versteht der Fahrgast, "mustaschfa", "bint" und "blasma" - eine Ärztin vom Krankenhaus ist dran: Die Tochter braucht Blutplasma. Scheint ernst zu sein. Der Mann ruft Verwandte an, es geht jetzt um Geld. Medizin müssen die meisten Ägypter selber zahlen. Er hämmert verzweifelt aufs Lenkrad, er weint, raucht, flucht, bis der Passagier all sein Arabisch zusammennimmt und eruiert, ob er helfen könne. 240 Pfund für blasma braucht er, 27 Euro. 100 Pfund hat er. 40 bringt die Fahrt, der Rückweg ebenso. Also gibt man einen Hunderter. Zum Dank küsst er die Stirn. Kaum ausgestiegen dämmert's: Das Gleiche ist einer Kollegin im Taxi zum Flughafen passiert. Bleibt die Hoffnung, tatsächlich geholfen zu haben.

Paul-Anton Krüger

SZ vom 31. Juli 2015

Frau Telefon Badewanne

Quelle: Süddeutsche Zeitung Photo

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Mitten in ... Brüssel

Die belgische Vielsprachigkeit - Französisch, Niederländisch und Deutsch sind offizielle Landessprachen - hat für Ausländer einen erfreulichen Nebeneffekt. Wer sich ein Mobiltelefon bei Proximus holt, kann bei Problemen gleich mehrere Hotlines anwählen. Die deutsche Nummer ist ein Geheimtipp, es gibt ja nur ein paar deutschsprachige Städtchen im Osten des Landes. Man wählt, und sofort geht jemand dran, und meldet sich auch noch mit Namen. In moselfränkischer Gemütlichkeit kümmert sich eine männliche Stimme sodann rührend um den Anrufer ("Da muss isch ma naaachschauen"). Mal nennt sich die Stimme "Patrick", mal "Schmitz". Vermutlich heißt der Mann Patrick Schmitz. Leider ist Herr Schmitz nicht immer zu erreichen. Abends und am Wochenende landet man in der vielsprachigen Warteschleife.

Thomas Kirchner

SZ vom 31. Juli 2015

Bauern beim Strohverladen

Quelle: Andreas Gebert/dpa

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Mitten in ... Wörthsee

Ein Julitag auf dem Land, die Straße am Seeufer ist kurvig, vorne schaukeln Strohballen auf einem Traktor-Anhänger - das kann dauern. Man zockelt gemächlich hinterher, Halme wirbeln durch die Luft, es riecht nach Sommer. Da stört sogar das schrecklich bräsige Programm des Lokalsenders nicht übermäßig. Gerade spielen sie den etwa hundert Jahre zurückliegenden Song "I like Chopin", klimperndes Klavier, eingeblendete Männerstimme: "Die besten Hits der Siebziger und Achtziger". Warum sich Kinder in bestimmten Momenten von der Rückbank melden, ist ein Rätsel - jedenfalls stellt die Siebenjährige hinten fest: "Mama, die Siebziger und Achtziger waren doch noch gar nicht." Das sitzt. Jung geblieben ist das eine. Jungsein ist ein Universum für sich. Tapfer in den Rückspiegel gelächelt. Radio ausgeschaltet. Sicher ist sicher.

Anne Goebel

SZ vom 31. Juli 2015

Sonne in Berlin

Quelle: dpa

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Mitten in ... Berlin

Wenn man in Berlin lebt, muss man alle halbe Jahre damit rechnen, auf die Straße zu treten, und das Fahrrad ist nicht mehr da. Umso irritierender, als eines Morgens das Fahrrad mit einem wildfremden Bügelschloss vor der Tür steht. Daran klebt ein Zettel mit einer Telefonnummer. Man ruft also an, worauf eine Frau um die Ecke biegt und lautstark behauptet, dass das ihr Fahrrad sei. Sie habe es auf dem Flohmarkt gekauft, dann sei es ihr gestohlen worden. Und sie habe russische Freunde. Die Worte "russische Freunde" spricht sie sehr deutlich aus. Erst nach der Drohung, die Polizei zu holen und den Kaufvertrag zu zeigen, entfernt die Frau ihr Schloss und verschwindet. Man lernt einfach nie aus in Berlin. Nicht nur, dass man bei Fahrraddieben mit allem rechnen muss. Sie haben auch russische Freunde und wissen jetzt, wo man wohnt.

Verena Mayer

SZ vom 24. Juli 2015

Almaty Airport

Quelle: SZ

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Mitten in ... Almaty

Das Flugzeug ist kaputt, irgendetwas mit dem Kabinendruck stimmt nicht. Also Zwischenlandung - und das in Almaty. Den Flughafen verlassen darf niemand, für Kasachstan braucht man ein Visum. Ein Ärgernis für 250 Passagiere, für die beiden Bars und den Duty-Free-Shop im Transitbereich dagegen eine einmalige Geschäftschance, sollte man meinen. "Horse meat only", raunt die Barkeeperin jedoch. Vor ihr in der gekühlten Vitrine liegen exakt drei Sandwiches. Eine Scheibe Weißbrot, Pferdefleisch und dann wieder eine Scheibe Weißbrot. Was soll das kosten? Zehn Euro, sagt die Dame. Als nach 16 Stunden endlich eine Ersatzmaschine aus Abu Dhabi eingeflogen ist und die gestrandeten Passagiere Almaty wieder verlassen können, bleiben genau drei Sandwiches zurück: Die Fluggäste hatten offenbar keinen Hunger auf Abenteuer.

Christoph Giesen

SZ vom 24. Juli 2015

People celebrate on Bourbon Street as part of the Mardi Gras celebration in the French Quarter of New Orleans

Quelle: REUTERS

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Mitten in ... New Orleans

Drei Uhr nachmittags auf der Bourbonstreet, der berühmtesten Straße von New Orleans, das Thermometer zeigt 95 Grad Fahrenheit, und die Luftfeuchtigkeit ist hoch. Der Tag mag noch jung sein, aber die Kneipen und Geschäfte voller Totenköpfe und Mardi-Gras-Masken haben geöffnet. Hier ist jeden Tag Karneval. Auf dieser irren Straße sehen selbst die Polizisten aus, als seien sie Teil einer, zugegeben, billigen Theaterinszenierung, in ihren knallblauen Uniformen erinnern sie an Ranger, die im Nationalpark nach dem Rechten sehen. Aber auch hier kann schnell Schluss mit lustig sein. Plötzlich streitet sich ein Pärchen. Die Frau gibt dem Mann eine Ohrfeige. Und was macht er? Nichts. Die herausgeputzten Polizisten haben beide auf den Asphalt geworfen und an den Händen gefesselt. Dann werden sie abgeführt. Fragen? Die werden später gestellt.

Harald Hordych

SZ vom 24. Juli 2015

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Quelle: Photographie Peter Hinz-Rosin

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Mitten in ... Leutstetten

Seit die Welt entzaubert ist, gibt es selbst in Bayern keine Autoritäten mehr. Nur eine einzige hält sich bis zum heutigen Tag, sie trägt zum Ruhm des Freistaats weit über die Landesgrenzen bei: Das ist der Schankkellner im königlich-bayerischen Biergarten. In der Schlossgaststätte Leutstetten zapft die Autorität mit der Unbestechlichkeit eines Autokraten. Nähert sich ein Besucher und fragt mit spitzer norddeutscher Zunge: "Könnte ich ein halbes Mass haben?" Schankkellner: "Naa." Besucher: "Wie bitte?" Schankkellner: "Wos wuistn jetzt?" Besucher: "Eine Halbe Mass Bier, bitte sehr." Dem Norddeutschen steht der Schweiß auf der Stirn, doch der Herrscher am Zapfhahn bleibt stur. Eine Mass ist eine Mass, basta. Weil der Schankkellner aber seinen milden Tag hat, schiebt er doch ein kleines Bier rüber, Geschenk des Hauses: "Do host dei Hoibe!"

Christian Mayer

SZ vom 24. Juli 2015

File photo of U.S. rapper Snoop Dogg exhaling cigar smoke as he poses before the 'Isle of MTV Malta Special' concert in Floriana, outside Valletta

Quelle: REUTERS

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Mitten in ... München

München spielt Compton. Am Randstein stehen schwarze Sportwagen, aus der Bar dröhnt Hip-Hop-Beat. Männer mit Baseball-Caps diskutieren, drücken die Brust raus. Handgemenge. Plötzlich schreit eine Frau: "Fuck!" Alles friert ein, eine Szene wie aus einem Gangsta-Rap-Video in jenem Vorort von Los Angeles. Ein Kleinwagen hat beim Einparken den Porsche vor der Bar demoliert. Sofort rückt die Menge zusammen. Ein verängstigter Junge steigt aus. Er erschrickt, als der Autobesitzer ihn an der Schulter packt und sagt: "Das regeln wir jetzt!" So ist es. Ein Typ mit Baseball-Cap, eben im Gerangel, ist Anwalt bei einer Großkanzlei, steckt dem Jungen seine Karte zu. Sein Gegenüber ist Arzt und fragt, ob es ihm gut gehe. Außerdem anwesend: ein Versicherungsmakler, ein Richter und ein Händler für Luxusautos. Ist doch München.

Fabian Heckenberger

SZ vom 17. Juli 2015

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Quelle: AFP

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Mitten in ... Avignon

Wird jetzt gleich aufs Neue die Revolution losbrechen? Der Termin wäre denkbar passend, am 14. Juli feiern die Franzosen den Sturm auf die Bastille - und der Schritt vom Gedanken zur Tat ist mitunter kurz. Vor allem, wenn wie jetzt ein triftiger Anlass gegeben ist. Da legt sich der Sänger einer Coverband auf der Place Pie in Avignon doch tatsächlich eine blau-weiß-rote Fahne um die Schulter. Aber nicht die französische, sondern den Union Jack. Am französischen Nationalfeiertag! Eben war die Stimmung noch gut, die Leute grölen zu den Gassenhauern. Nun zögern sie. Unbeirrt stimmt der Sänger Songs von Queen an - wo die Franzosen doch tanzen, weil sie ihre Königin losgeworden sind. Aber die Band kriegt gerade noch die Kurve, spielt "I want to break free". Das geht durch als Hymne auf Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit.

Stefan Fischer

SZ vom 17. Juli 2015

Cars are seen stuck in a traffic jam on a road near the European Commission headquarters during the morning rush hour in Brussels

Quelle: REUTERS

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Mitten in ... Brüssel

An der Place Flagey in Brüssel gibt es eine Kreuzung. Fünf Straßen treffen aufeinander, und weil dort keine Ampeln stehen, gilt rechts vor links. Doch so einfach ist es nicht. Es staut sich, aus fünf Richtungen drängen Autos auf die Kreuzung; wer Vorfahrt hat, ist nicht ganz klar; Busse sicher nicht, die Trambahn aber lässt man passieren. Von links kommt ein tiefer gelegter schwarzer Audi. Am Steuer sitzt ein junger Mann mit Goldkette und Sonnenbrille, der aussieht wie die Typen, die den Ku'damm auf und ab fahren. Der wahre Hingucker an seinem Auto aber ist das Kennzeichen: "CATCH - ME" steht da. In Belgien kann man sich fast jede Befindlichkeit auf das Nummernschild schreiben lassen, wenn man nur 1000 Euro zahlt. Der Audi-Mann hat jedenfalls gut investiert: Eine Golffahrerin muss laut lachen. Und lässt ihm die Vorfahrt.

Alexander Mühlauer

SZ vom 17. Juli 2015

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Quelle: Imago

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Mitten in ... Wien

Vor der Haustür, zwischen dem neuen veganen Eisladen und einem hippen Schuhgeschäft, das nichts als Gummistiefel führt, stoppt mich ein unbekannter Mann, dick, hängende Hose, ungepflegter Bart. Will er Geld? Oder was zu essen? Nein, sagt er freundlich, er sei auf dem Weg in seine Ordination, wie in Österreich die Arztpraxis heißt. Ob ich in letzter Zeit Schmerzen in den Beinen gehabt hätte? Nein, habe ich nicht. Aber Probleme mit jemandem, der mir sehr nahesteht? Nein, auch nicht. Aber ich hätte ein schlechtes Jahr gehabt, oder? Nein, das letzte Jahr war super. Er schüttelt zweifelnd den Kopf: "Sie sehen müde aus, und Sie haben ein Problem." Dann geht er weiter. Seitdem geht es mir schlecht. Weiß der Typ etwas über mein Leben, was ich nicht weiß? Andererseits: Er kann kein Arzt gewesen sein. Er hat keine Rechnung geschickt.

Cathrin Kahlweit

SZ vom 17. Juli 2015

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Quelle: Jewel Samad/AFP

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Mitten in ... New York

Unter all den absonderlichen New Yorker U-Bahn-Stationen ist Clarke Street eine besonders absonderliche. Wer hier aussteigt, muss über die einzige Treppe und einen Gang zu einem der drei Aufzüge, deren große Mäuler die Menschen verschlingen und auf der Straße wieder ausspucken. Meist klappt das, doch am 4. Juli, dem Unabhängigkeitstag, fahren plötzlich alle zur Clarke Street, weil ein paar Ecken weiter das Feuerwerk so gut zu sehen ist. Stau schon auf dem Bahnsteig, dann geht's blockweise in Richtung Lift - 20 Minuten stickige Enge bei gefühlt 70 Grad Celsius. Auf dem Rückweg hat die Polizei draußen einen langen Zugang zu den Aufzügen gebaut, um Chaos zu verhindern. Endlich vorn! "Nach Manhattan?", fragt der Polizist meinen Nachbarn in der Schlange, der müde nickt. "Heute nur von der nächsten Station!" God bless America!

Von Claus Hulverscheidt

SZ vom 10. Juli 2015

Bayern eröffnet Repräsentanz in Tschechien

Quelle: Armin Weigel/dpa

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Mitten in ... Prag

In diesen Tagen ist viel die Rede vom "europäischen Geist". Der sei bedroht, vor allem durch die Deutschen und ihr giftiges Spardiktat. "Neonational" nennt das der Online-Philosoph Sascha Lobo. Richtig. Wenn man andere Nationen demütigen will, dann höflich. So wie Bayerns Europaministerin Beate Merk. Die stand am Dienstag bei etwa 40 Grad Celsius im Hof des Palais Chotek, der Prager Repräsentanz des Freistaats, und hielt eine Rede auf die bayerisch-tschechische Freundschaft. Neben ihr wartete Vizepremier Pavel Bělobrádek, um seine Rede zu halten. Die kleine CSU-Frau redete und redete, und der große Tscheche schwitze in sein Sakko. "Herrliches Wetter", rief Merk und lächelte Bělobrádeks bedenklich roten Kopf an. Wenn es einen europäischen Geist gibt, dann wehte er in diesem Moment durchs schöne, heiße Prag.

Von Marc Felix Serrao

SZ vom 10. Juli 2015

Oktoberfest 2014 - Alternative Views

Quelle: Getty Images

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Mitten in ... München

19 Uhr: Der Mann verlässt die Arbeit und telefoniert mit seiner Frau, die im Herbst Zwillinge erwartet. Dieses Bekenntnis ist notwendig, denn gleich crashen zwei Wirklichkeitsbereiche aufeinander. Der erste ist dieses Gespräch mit zu Hause, wo es heute glücklicherweise keine größeren Unpässlichkeiten gab. Der Mann hört zufrieden auf die Stimme seiner Frau, der es gut geht. Aus der Ferne nähern sich ihm drei Inder mit Turbanen. Während die Frau am Telefon gerade sagt, dass man noch eine Hebamme brauche, treten die drei Inder an ihn heran und dringen somit in den privaten Wirklichkeitsbereich ein. Die Inder wollen wissen (der Mann hat immer noch den Hörer am Ohr), ob er Englisch spreche. Der Mann bejaht, und gleich darauf crasht es, denn ein freundlicher Turbanträger fragt recht überraschend: "Where is the Puff?"

Von Marc Hoch

SZ vom 10. Juli 2015

Kreuzfahrt: "Astor´ nimmt Kurs auf den Norden

Quelle: obs/Transocean Tours

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Mitten in ... Svolvær

Auf diesem Schiff läuft alles nach Plan, die norwegische Küste zwischen Bergen und Kirkenes entlang. Es ist die alte Postschiffroute: traumhafte Ausblicke in den Fjorden, Entspannung auf dem Panoramadeck. An Bord ist, wer es sich leisten kann, hauptsächlich ältere Pärchen, viele Deutsche. Auf Höhe von Svolvær kommt dem Kreuzer sein Schwesternschiff entgehen, Signalhörner ertönen zum Gruß. Da springen an Deck des anderen Schiffes plötzlichen Menschen auf und ab, winken wild, entfalten ein riesiges Betttuch mit einem großen roten "Halloooo" darauf. Deutsche Rentner auf Rückreise? Ein Crewmitglied in Uniform kommt verschämt vom hinteren Ende des Decks hervor, versteckt ein winziges, weißes Handtuch unter seinem Arm. "Das waren Freunde von mir", erklärt er mit rotem Kopf. "Die waren nur besser vorbereitet als ich."

Von Silke Bigalke

SZ vom 10. Juli 2015

Currywurst

Quelle: Adam Berry/Getty Images

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Mitten in ... Wien

Ist es der Wiener Weltschmerz, der den Mann am Würstelstand so grimmig schauen lässt? Der Stadt wird ein Hang zur Wehmut nachgesagt, seit sie statt der Donaumonarchie nur noch eine Alpenrepublik regiert. Hier, im Marktgedränge der Brunnengasse, könnte die Trauer eigentlich gelindert werden. Zwischen steirischem Wein und ungarischen Paprika, teurem Bergkäse und fernöstlichen Billigtextilien riecht Wien, wie einst, nach Vielvölkerstaat. Für den Wiener am Würstelstand ist es zu viel der Melange. Er wartet aufs Essen und schimpft, auf die "Schlitzaugen" und ihren Kram aus Asien, "braucht doch kein Mensch". Dann bekommt er seine Wurst. "Tu mehr Curry dran!", knurrt er den Wirt an. "Kannst sonst nicht essen." Merke: Der Mensch mag nicht angewiesen sein auf den asiatischen Kram. Die Wurst sehr wohl.

Christoph Heinlein

SZ vom 3. Juli 2015

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Quelle: Oliver Morin/AFP

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Mitten in ... Venedig

Auf dem Weg nach Venedig fährt der Zug nicht mehr weiter. Zwei Stunden stehen wir vor dem Bahnhof in Trento. Das stört allerdings nur die Deutschen. Die Italiener haben wirklich Zeit, denkt man sich. Kurz vor Mitternacht ist Venedig dann erreicht. Allerdings haben es Zigtausende hierher geschafft. In dem Gewühl ist am nächsten Tag plötzlich unsere Jüngste verschwunden. Eine Frau will für uns die Carabinieri anrufen. Aber bis sie zum Telefon greift: Meine Güte, die Italiener haben wirklich Zeit! Endlich hören wir, dass unsere Fünfjährige bei der Marinepolizei ist. Dort herrscht beste Stimmung: Die Wachleute genießen die Abwechslung mit der Kleinen sichtlich. Auch das junge Paar, das unsere Tochter zwei Stunden zuvor aufgegabelt hat, ist noch da und kümmert sich hinreißend um sie. Die Italiener, sie nehmen sich wirklich Zeit.

Christina Berndt

SZ vom 3. Juli 2015

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Quelle: Ulrike Heidenreich

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Mitten in ... Grünwald

Kürzlich standen Eltern in Peking tagelang für einen Platz vor einem Kindergarten an. Sie zelteten oder schliefen auf Stühlen. Im Münchner Vorort Grünwald kennen die weltläufigen Bewohner das schon lange. Neulich wieder, das wahre Morgen-Grauen: Um fünf Uhr sitzen die Ersten im Campingstuhl vor rot-weißem Absperrband. Um neun Uhr öffnet das Anmeldebüro für das Ferienprogramm, begehrt ist das Hüttenbauen. Früher war es zu unfeinem Gerangel in der Warteschlange gekommen: Grünwalder zeterten, die Proleten aus München würden ihren Kindern die Plätze wegschnappen, unmöglich! Diesmal ist die Anmeldetortur perfekt organisiert. Ein Kaffeewagen fährt an gut 200 Eltern vorbei, man zieht eine Nummer - und döst weiter im Stuhl. Nach vier Stunden Warten: die Zusage. Hauptsache, die Kinder haben ihren Spaß.

Ulrike Heidenreich

SZ vom 3. Juli 2015

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Quelle: AP

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Mitten in ... St. Petersburg

Von wegen Weiße Nächte in St. Petersburg und nonstop helllichter Tag: Dunkelgrau und drohend ist das Gewölk, weshalb die Dachterrassenrestaurants leer sind und die Gaststuben umso voller. Im großen Saal eines Restaurants wird ein kleiner Tisch frei, eine Frau wischt eilig Krümel und Fettflecken fort, dann fliegt sie davon. Im Nu ist sie zurück, nimmt ein Mikrofon und beginnt zu singen. In der Uniform des Personals - Jeans, karierte Bluse, braune Schürze - bringt sie Rihannas "Diamonds in the Sky" derart grandios, dass auch die coolen Russen "Bravo, Bravo" rufen: höchste Wertschätzung. Sekunden später steht sie am Tisch und nimmt die Bestellung auf. Ob Singen hier Einstellungsvoraussetzung sei? "Nein", sagt sie, "aber wünschenswert." Der Gast bestellt die Mini-Hamburger und Salat und ein Lied. Das Ohr isst schließlich mit.

Frank Nienhuysen

SZ vom 3. Juli 2015

Gondeln und Wasser-Taxis unter der Rialto-Brücke, Venedig, Italien

Quelle: Marco Secchi/Getty Images

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Mitten in ... Venedig

Der Wasserbus zwischen Bahnhof und Markusplatz ist überfüllt, wie meist in der warmen Jahreszeit. Zwei junge deutsche Touristen haben einen Sitzplatz ergattert. Der Mann fotografiert durch das geöffnete Fenster. Die Frau, im Unterhemd und stark tätowiert, hat ihren kleinen Rucksack auf den dritten Platz in der Reihe gelegt. Die Nachbarn im Gedränge, meist Einheimische, sind irritiert. Ein älterer, ärmlich gekleideter Mann tritt vor und will den Rucksack zur jungen Frau rüberschieben. Die drückt den Sack zurück. Der ältere Mann schimpft - laut, anhaltend, immer zur jungen Frau gewendet. Die junge Frau lächelt und sagt mit überlegener Miene: "English please". Der ältere Mann verstummt, fassungslos. Eine Dame will ihm beispringen: "In Italien wird Italienisch gesprochen." Sie sagt es auf Italienisch. Die junge Frau versteht nichts.

Thomas Steinfeld

SZ vom 26. Juni 2015

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Quelle: AFP

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Mitten in ... New York

Milliarden verzocken? Ein ganzes Land ruinieren? Eine ordentliche Bank schafft das heute in Sekunden. Eine simple 6000-Dollar-Überweisung vom deutschen aufs amerikanische Konto hingegen dauert fünf Tage. Wer die Zeit nicht hat, etwa weil der Vermieter drängt, muss sich anders behelfen: Man hebt am Geldautomat 500 Dollar in 20-Dollar-Noten vom deutschen Konto ab, schiebt das Geld in den Schlitz zurück und schreibt es aufs US-Konto gut. Karte, PIN, abheben, andere Karte, PIN, gutschreiben, das Ganze je zwölf Mal, wobei der Automat manchmal Scheine, die er gerade ausgespuckt hat, nicht zurückhaben will: "Unlesbar!" Plötzlich geht gar nichts mehr. Ein freundlicher Bankmitarbeiter möchte gern helfen, aber er kann nicht. Also Anruf in Köln: "Ist da die Stadtsparkasse?" - "Dat heißt Sparkasse, nit Stadtsparkasse!" Heimweh? Nö.

Claus Hulverscheidt

SZ vom 26. Juni 2015

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Quelle: AFP

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Mitten in ... Hanoi

Wir laufen durch Hanoi. Mein Reisebegleiter ist mit Waldviertlern (feste, teure Lederschuhe mit starkem Profil) unterwegs, ständig will ihm irgendjemand die Schuhe putzen. Es ist heiß, und irgendwann wird man eben weich. Im Fall meines Begleiters ist der Punkt des Nachgebens erreicht, als wir am Bahnhof warten müssen; er überlässt einem Mann also seine Schuhe. Auf die Rückgabe wartet er dann fast genauso lange wie auf den Zug. Dazu gibt es eine Überraschung. Der Schuhputzer verlangt eine Million Dong, umgerechnet 50 Euro, und damit etwa 50 mal so viel, wie man in Hanoi für eine Mahlzeit zahlt. Lange Diskussion. Das Schlüsselargument des Mannes: Er habe die Schuhe nicht nur geputzt, sondern sogar neu besohlt. Wir sehen genau hin: Unter der Sohle der Waldviertler klebt jetzt ein fettes Stück abgewetzter Motorradreifen.

Ruth Eisenreich

SZ vom 26. Juni 2015

Conrado Marrero

Quelle: Franklin Reyes/AP

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Mitten in ... Havanna

Man will ja nicht neugierig sein, aber es wäre schon interessant, genau zu wissen, was da im Haus des Stadtschreibers von Havanna vor sich geht. Morgens um halb zehn. Die Tür steht offen, und es dringt Musik auf die Straße. Ausnahmsweise ist es nichts von Buena Vista Social Club, sondern 90er-Techno. Discobeats aus Amerika. Mit dem Rücken zur Tür tanzt ein Animateur mit wild wedelnden Armen. In den gut gefüllten Stuhlreihen stampfen, klatschen und hotten etwa 50 Menschen sitzend mit. Sie tragen rote Pappnasen und scheinen großen Spaß zu haben. Der Animateur wirft unter reichlich Gelächter einen Plastikfußball in die Menge. Was soll das? "Eine Aktivität für unsere Rentner", sagt der Pförtner. Das erklärt nicht alles. Aber es erklärt immerhin, weshalb all die kubanischen Sitztechno-Tänzer etwa so alt aussehen wie Fidel Castro.

Boris Herrmann

SZ vom 26. Juni 2015

Kiffen, Joint, Marihuana, Gericht, Führerschein

Quelle: Pablo Porciuncula/AFP

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Mitten in ... Würzburg

Am Hauptbahnhof. Ein Polizist zieht Passanten aus dem Menschenstrom, er kontrolliert Ausweise und Taschen. Ich möchte nicht kontrolliert werden und versuche, möglichst unverdächtig zu wirken. Deshalb lächle ich ihn an, nicke, sage höflich "Guten Tag!" und mache mich damit sofort verdächtig. "Drogen dabei?", fragt er. "Nein." "Schon mal gekifft?" Wieder nein, jede andere Antwort wäre ja auch dumm. "Da gehören Sie aber zu einem sehr kleinen Teil der Bevölkerung." Er gibt mir meinen Ausweis wieder. "Wenn das so ist", frage ich ihn, "haben Sie schon mal . . .?" Er lacht, dreht sich weg und antwortet: "Ja. Ist aber schon Jahre her!" Das hätte ich jetzt auch gesagt. Ich frage: "Und war's gut?" "Ja, nicht schlecht. Macht uns auch weniger Probleme als Alkohol." Dieses Mal lächelt der Polizist, auf ganz unverdächtige Weise.

Tarek J. Schakib-Ekbatan

SZ vom 19. Juni 2015

Italy Sicily Palermo Old town Church of the Gesu right PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY AMF00

Quelle: Westend61/imago

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Mitten in ... Palermo

Eine urige Trattoria mitten in Kalsa, dem Hafenviertel der Hauptstadt Siziliens. Weiß gekachelte Wände, Tischdecken aus Papier, dazu ein appetitliches Vorspeisenbuffet und frisch gegrillter Fisch. Die Wirtin bedient, ihre Mama sitzt mit im Gastraum, gebannt von dem Fernseher, der wie in einem Wohnzimmer in der Ecke wummert. Es läuft eine Serie, irgendwas Schnulziges über stürmische Leidenschaft. Alpenkulisse und Autokennzeichen verraten, dass die Serie in Bayern spielt. So entspinnt sich mit Mama und Wirtin ein Gespräch. Wo ist das? In Deutschland? Ach, da kommt ihr her? Interessiert fragt die Wirtin die Gäste am Nachbartisch, ob sie ebenfalls aus Bayern stammen. Aber nein, erwidert die Familie indigniert, man komme aus Bologna. "Ach was", winkt die Sizilianerin ab, "das ist doch ungefähr das Gleiche . . ."

Patrick Illinger

SZ vom 19. Juni 2015

Fernsehkamera

Quelle: dpa

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Mitten in ... Wien

Erstmals zu Gast im Publikum der mitunter saukomischen ORF-Late-Night-Show Willkommen Österreich. Leider sieht man kaum etwas, hinter all den Kameras. Man hört aber genug. Die Moderatoren Stermann und Grissemann begrüßen Sarah Connor und den Ex-Cheflektor des "Österreichischen Wörterbuchs". Die Dialoge, die sich nun über Selfie-Sticks, Erdbeeren und Tätowierungen entspinnen, sind derart grotesk, dass es einem - was soll denn das? - unverhofft Lachtränen in die Augen treibt. Ein Typ mit Handkamera sieht das und hält völlig unverfroren drauf. Gefühlte zehn Minuten. So ein Mist. Läuft die Träne jetzt über den Sender? Sehen sie die Kollegen? Darf man, wenn einem das passiert, sich die Träne einfach wegwischen oder ist das medial total unprofessionell? Alles furchtbar peinlich. Und nächstes Mal wird wieder daheim geschaut.

Martin Zips

SZ vom 19. Juni 2015

Tel Aviv Gay Pride Parade 2015, Israel

Quelle: Ariel Schalit/AP

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Mitten in ... Tel Aviv

Elend langsam bahnt sich das Taxi seinen Weg durch Tel Aviv. Es ist der Abend nach der "Gay Pride Parade", die Stadt ist mit Regenbogen-Fahnen tapeziert. Der Umzug ist vorbei, aber die 100 000 Teilnehmer sind mit Feiern lange nicht fertig. Viele stehen mit ihrem Bier auf der Fahrbahn, das nervt den Taxifahrer gewaltig. Seine Toleranz ist auch sonst nicht ganz so gut entwickelt. Als sich vor seiner Motorhaube zwei Männer küssen, ruft er wütend: "This is not Israel!" Jetzt ziehen ein paar Jungs vorbei, die ihren Schambereich notdürftig mit pinken Federn verdeckt haben. Das sei nicht Israel, versichert der Fahrer sofort. An einer Kreuzung erspäht er von hinten eine zarte Frauengestalt, enges schwarzes Kleid, hohe Schuhe. "This is Israel", sagt er stolz. Dann dreht sich die Frauengestalt um und lächelt fröhlich aus ihrem bärtigen Männergesicht.

Roman Deininger

SZ vom 19. Juni 2015

Daily Life in Bangalore

Quelle: dpa

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Mitten in ... Honolulu

Die Hawaiianer haben es gut. Immer super Wetter, immer tolle Wellen, und ein so fruchtbares Land, dass man nur eine Handvoll Samen irgendwohin werfen muss, schon hat man einen Palmenhain oder eine Ananasplantage. Gerade ist Mango-Zeit. Die Früchte hängen groß wie Rugbybälle von den Bäumen. Zum Beispiel vor einem Haus an der Monsarrat Avenue in Honolulu. Viele Touristen spazieren hier vorbei, weil die Straße vom Waikiki-Strand hoch zum Vulkankegel Diamond Head führt. Und weil Touristen alles Sehenswürdige auch gerne angrapschen, interessieren sie sich natürlich auch für die Mangos. Der Besitzer des Mangobaums - total entspannt - hat einen Plastikkanister mit Schlitz als Kasse an einen Zweig gehängt. Dazu die Service-Information: "Bitte noch etwas warten, die Früchte sind noch nicht ganz reif!"

Jochen Temsch

SZ vom 12. Juni 2015

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Berlin

Vor dem eng beschrifteten Plakat sind ein paar Menschen stehen geblieben und lesen. Auf der linken Seite jedenfalls, auf der rechten steht derselbe Text in Russisch. "Hä", sagt einer, "is dit Satire?" Die Frau neben dem Plakat verneint es. "Aufruf an das russische Volk! Helft den Deutschen!", steht da. Und dass der "verehrte Präsident Herr Wladimir Putin" die BRD von Faschismus und Nazismus befreien und die "illegale Weiterführung des 3. Nazireiches" beenden soll. Ansonsten sei man "auf dem Weg zum 4. Reich". Gezeichnet: Nationale Befreiungsbewegung Deutschland. Nun denn: Sehr geehrter Präsident Herr Wladimir Putin! Während Sie es für nötig halten, die Meinungsfreiheit in Ihrem Land immer weiter einzuschränken, darf man in unserem Land ungestraft Unsinn verzapfen, und zwar direkt vorm Reichstag. Das heißt übrigens Demokratie.

Tanja Rest

SZ vom 12. Juni 2015

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Völs

In Südtirol ist das noch so: Am Sonntag sitzen in der Dorfkirche links die Frauen, rechts die Männer. Alle tragen Tracht, die Frauen Blusen, die Männer Jacken. Der Kirchenchor singt, das Orchester spielt. Viele Bauern sind für die Messe von sehr, sehr abgelegenen Höfen angereist. Nur dem Pfarrer ist wenig fröhlich zumute. Man habe ihm zu wenig Blumenschmuck auf den Altar gestellt, schimpft er, das sei hier alles nicht feierlich genug. Hundert Gläubige und 13 Ministranten machen lange Gesichter. Draußen, auf dem Friedhof, da gibt's ja die reich geschmückte Grabstätte für "die Pfarrgeistigkeit". Wahrscheinlich sollte man die sich floristisch mal zum Vorbild nehmen. Nun zieht der Pfarrer eine Mütze auf, steigt auf die Kanzel und predigt kurz und kryptisch. Ein Landwirt stöhnt in Reihe zwölf: "Das hat sich heut' aber wirklich ned rentiert!"

Martin Zips

SZ vom 12. Juni 2015

Beating the Retrat - 200 anniversary of the Battle of Waterloo

Quelle: dpa

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Mitten in ... Waterloo

Briten erinnern sich gerne an französische Niederlagen. Bei der Beating-Retreat-Parade in Whitehall wird deshalb dieses Jahr der Schlacht von Waterloo gedacht. Das Musikkorps der Bundeswehr darf auch mitmachen, stellvertretend für die Preußen. Neben Blaskapellen-Choreografien sind viel Kanonendonner und Highland-Tänze geboten. Ein Zuschauer mit Regimentskrawatte pfeift dazu und trommelt alle Märsche auf den Schenkeln. Als die Kapelle der Household Cavalry unter der Leitung von Major Craig Hallatt angekündigt wird, gibt es kein Halten mehr: "Wow!", schreit der Marsch-Fan. "Craig Hallatt! Der ist der Beste!" Jedes musikalische Universum hat Superstars, denkt man da: Die einen rasten aus, wenn Kanye West oder AC/DC auftreten, die anderen, wenn Major Hallatt hoch zu Ross "Vivat Regina" dirigiert.

Alexander Menden

SZ vom 12. Juni 2015

© SZ/ihe/sks
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