Mitten in Absurdistan:Das gibt's doch nicht!

Skurriles, Verstörendes, zu Herzen gehendes: SZ-Korrespondenten haben in aller Welt kuriose Erlebnisse gesammelt.

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Mitten in Absurdistan - skurrile Erlebnisse aus aller Welt

Quelle: Evelyn Vogel

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Mitten in ... Bangkok

Banglamphu, Khao San Road, Bangkoks Backpackerviertel. Zwischen Hotels, Diskotheken, Restaurants, Bars und Shops werben Massage- und Schönheitssalons um Kunden. Reihenweise legen gestresste Rucksackreisende ihre Beine hoch für eine Fußmassage oder lassen sich Haut, Haare, Nägel auf Vordermann bringen. Doch die Maniküre wird zur Tortur, als die Kosmetikerin von ihrem deutschen Liebhaber erzählt.

Ein Jahr lang lebte er auf ihre Kosten in Thailand, dann machte er sich aus dem Staub - und sie fand heraus, dass er in Deutschland zwei Frauen und mehrere Kinder zu versorgen hat. Jedes Detail wird wutschnaubend begleitet von einem energischen Scherenschnitt. Erst als es nichts mehr zu kürzen gibt, lässt sie von den Händen ab. Beim Hinausgehen fällt ein Schild ins Auge. Dort wird eine "Madicure" angepriesen - nomen est omen.

Evelyn Vogel, SZ vom 28./29.4.2012

Fußball Fans in München

Quelle: dpa

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Mitten in ... München

Auf dem Land war das damals so: Die Familie versammelte sich im Garten vor einem tragbaren Fernseher. Es wurde ein wichtiges Fußballspiel übertragen. Auch die Nachbarn saßen mit Fernseher im Garten. Und deren Nachbarn auch. Es konnte losgehen. Schoss das favorisierte Team ein Tor, so jubelten alle Gärten gleichzeitig. Heute, in der Stadt, ist das anders.

Die Familie versammelt sich bei offener Balkontüre im Wohnzimmer. Drei Stockwerke tiefer glotzen rudelweise Singles in der Kneipe. Schießt das favorisierte Team ein Tor, jubeln die Singles und ihre Blondinen laufen kreischend auf die Straße. Oben dauert es noch mindestens zehn Sekunden, bis auch das Tor im Fernsehen fällt. Die Singles und ihre Blondinen haben offenbar die bessere Leitung. Ist schon in Ordnung. Aber als noch gemeinsam gejubelt wurde, war's irgendwie lustiger.

Martin Zips, SZ vom 28./29.4.2012

Stuttgart 21 - Polizei räumt Protestcamp

Quelle: dpa

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Mitten in ... Stuttgart

Montagmorgenstimmung im Regionalzug von Ludwigsburg nach Stuttgart. Graue Gesichter, müdes Gähnen. Immer wieder kommt der Zug zum Stehen, auch auf freier Strecke. Seit Wochen geht das so, schimpft der Pendler im Sitz gegenüber. Und das werde noch viel schlimmer mit dem Großumbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Der bringe alles durcheinander.

Eine Gruppe von Vierjährigen stört das Stop-and-go nicht. Sie lärmen durchs Abteil, lachen, schwatzen, schubsen. Als sich der Zug dem Hauptbahnhof nähert, werden sie ruhiger. Einige schauen aus dem Fenster, wo Bagger und andere Baumaschinen zu sehen sind. "Hier wird gerade ein großer Bahnhof gebaut", erklärt die Erzieherin den Kindern. "Warum?", fragt ein Mädchen.

Die Antwort der Erzieherin: "Das fragen sich viele." Da blitzt ein Lächeln auf im Gesicht gegenüber.

Marco Völklein, SZ vom 28./29.4.2012

Neue 'Packstation' von DHL

Quelle: dpa/dpaweb

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Beinahe in ... Wolfsburg

Es gibt Namen, die sind ungeeignet, ihren Träger identifizierbar zu machen. Man muss es einem Paketdienst also nachsehen, wenn er nicht alle Stefan Fischers unter seinen Kunden auseinanderhalten kann. Auch wenn die Unterstellung, man lebe in Wolfsburg, als boshaft auszulegen ist. Regelmäßig werde ich per Mail wie auch per SMS aufgefordert, ein Paket abzuholen an einer Packstation in Wolfsburg, Hoffmann-von-Fallersleben-Straße. Was ich stets unterlasse.

Trotzdem habe ich in dem Spiel offenbar das nächste Level erreicht. Denn dieses Mal würde die Abholung erschwert, weil besagte Packstation stundenweise "nicht zu Ihrer Verfügung" steht. Das liegt daran, stelle ich mir vor, dass der richtige Stefan Fischer den Kasten, damit der endlich sein Paket rausrückt, kräftig malträtiert. Richtig was los in Wolfsburg. Sollte man fast mal hin.

Stefan Fischer, SZ vom 28./29.4.2012

Mitten in ... München

Quelle: DPA

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Mitten in ... München

Auf Flughäfen zeigen Menschen, wie sie sind, wenn sie unter Druck stehen. Und das Paar, das in München auf einen Anschlussflug wartet, ist extrem angespannt, nur der zweijährige Sohn springt lärmend herum, die Ermahnungen der Mutter ignorierend.

Sie ist vermutlich hübsch, hat aber entsetzliche Augenringe und üble Laune, offenbar liegt ihr der Thailand-Urlaub im Magen; der braungebrannte Ehemann trägt einen Dreitagebart und viel Elend vor sich her, er sieht aus wie einer der traurigen Helden aus "Hangover 2".

Es nähert sich ein Airport-Mitarbeiter und weist höflich darauf hin, dass Kinderwagen dieser Größe nicht als Handgepäck durchgehen. Die Frau rastet aus. "Horror", "Wahnsinn", "Idiot", "nie wieder", sie steigert sich in einen Zicken-Rausch hinein.

Der Mann wendet sich ab. Der Zweijährige lacht - Reisen kann ja so schön sein.

Christian Mayer, SZ vom 21./22.4.2012

Reinhold Messner eröffnet neues Museum bei Bozen

Quelle: dpa

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Mitten in ... Bozen

Schloss Sigmundskron. Einst Geburtsstätte der Südtiroler Autonomie, heute "Messner Mountain Museum". "Wer ist dieser Messner, Papa?", fragt eines der Kinder. "Ein großartiger Kerl!", begeistert sich der Vater. "Einer der erfolgreichsten Bergsteiger überhaupt. 100 Erstbegehungen. 14 Achttausender. Alles ohne Sauerstoffgerät. Zu Fuß quer durch die Wüsten Gobi und Taklamakan, durch die Antarktis und Grönland. Sieben Zehen hat er sich schon abgefroren. Und immer geht es ihm nur um den Menschen und die Natur."

Plötzlich geschieht das Unglaubliche. Der echte Messner taucht auf. Mitten in seinem Museum.

"Schnell", ruft der Vater, "jetzt machen wir ein Foto." Messner brummt yetihaft. "Danke, das Foto ist im Kasten." Bei den Kindern herrscht Betroffenheit: "Nur noch drei Zehen? Das ist ein wirklich armer Mann."

Martin Zips, SZ vom 21./22.4.2012

Reinhold Messner auf Schloss Sigmundskron

Zeitung: Senat will S-Bahn ausschreiben

Quelle: dpa

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Mitten in ... Berlin

Es ist so eine Art Kleintheater auf Schienen. Die Szene spielt in der rollenden Berliner S-Bahn, Hauptdarsteller: einer der Verkäufer tapfer kämpfender Postillen. Wie der Mann dem Publikum sein Druckerzeugnis anpreist - das lässt schon im Prolog eine rhetorische Begabung erkennen, die Verwunderung in die Gesichter der Mitfahrer bringt: "Entschuldigen Sie bitte, liebe Leute, ich weiß, ich gehe Ihnen sicher furchtbar auf die Nerven mit meiner Geschichte. Und ich weiß auch, Sie haben hier wirklich was Besseres zu tun, als mir jetzt zuzuhören. Aber ich will Sie zu etwas einladen." So gewitzt, selbstkritisch, taktisch gewieft redet ein Mann auf der Strecke zwischen Tiergarten und Bellevue.

Kurz darauf steigt er wieder aus. Seine freundliche Bescheidenheit, seine exakte Analyse der Situation, sie haben ihm nur wenig Geld eingebracht.

Wolfgang Schreiber, SZ vom 21./22.4.2012

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Quelle: AFP

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Mitten in ... Yanon

Samstagabend in Yangon (Rangun). Die mobilen Teeverkäufer, die bei Einbruch der Dunkelheit regelmäßig die Nebenstraßen der früheren Hauptstadt Myanmars belegen, müssten eigentlich bald schließen. Doch bei einigen herrscht noch immer Hochbetrieb, gebannt starren alle auf einen riesigen, auf der Straße aufgestellten Flachbildschirm.

Die ausländische Besucherin wird eifrig herangewunken. "Where're you from? Germany? Ah, Bayern Munich! Very good!" In der Glotze: Bundesliga live. Der myanmarische Fan schwärmt noch von deutscher Fußballkunst, als hinter ihm das Signal erlischt, der Bildschirm schwarz wird. Schnell schaltet der Teeverkäufer um.

Nun hetzt ein britischer Spieler dem Ball hinterher. Unseren myanmarischen Fußballfreund ficht es nicht an. Ob Deutschland oder England, Hauptsache, der Ball ist rund.

Evelyn Vogel, SZ vom 21./23.4.2012

Shwedagon-Pagode in Rangun

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Quelle: Henk Badenhorst

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Mitten in ... München

In Fahrstühlen passieren ja die interessantesten Dinge. Klar, die - angeblichen - Klassiker. Steckenbleiben. Sex. So was. Aber noch viel mehr.

Neulich traf man morgens im Aufzug diesen Herrn. Scheinbar ein normaler Anzugträger, grau in grau, vom Schlips bis zum Schuhwerk. Doch dann, apropos Schuhwerk, bemerkte man diesen Blick, der einem galt. Kein kurzes Hingucken. Kein bloßes Schauen, das verlegen zügig weiterschweift. Nein, richtiges Starren. Die Augen zielgerichtet auf die Schuhe. Lila Ballerinas in diesem Fall.

Gebannt schaute er sie an. Sekunden um Sekunden, die auf so einer Aufzugfahrt lang erscheinen können. Gerade, als man etwas sagen wollte, zog der Mann sein eines Anzughosenbein ein wenig hoch. Er deutete nach unten und sagte: "Ich habe die passenden Strümpfe zu Ihren Schuhen an." Tatsächlich: Knalllila Socken! Wow.

Nina Bovensiepen, SZ vom 14./15.4.2012

Mitten in Äthiopien

Quelle: AFP

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Mitten in ... Debre Libanos

Eine Übernachtung im Hochland Äthiopiens, 2700 Meter über dem Meeresspiegel. Aus dem Fenster der Herberge sieht man eine neblige Schlucht, darüber einen unverbrauchten Himmel. Nachts weht ein kalter Wind, und der Mond leuchtet jeden Pflasterstein vor dem Abgrund aus. Debre Libanos, das älteste Kloster Äthiopiens, liegt ganz nah, man sieht es nicht, aber die Nähe gehört zum Service.

Morgens werden die Zimmerrechnungen verteilt. "Double room with wive", steht auf einer. "Double room with viwe" auf einer anderen. Sie meinen den Blick, vermutet ein deutscher Mitreisender, "view". Er hat in einem Zimmer ohne Schluchtblick übernachtet, auf seiner Rechnung steht "Double room without wive".

Er nimmt die Rechnung mit, um seiner Frau zu beweisen, dass er in Debre Libanos tatsächlich alleine geschlafen hat.

Tim Neshitov, SZ vom 14./15.4.2012

Mitten in Erlangen

Quelle: AFP

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Mitten in ... Erlangen

Jamsession. Gerade haben sich ein paar Teilnehmer des Jazzworkshops eine erbitterte Schlacht auf der Kellerbühne geliefert. Gespielt wurde "A Night in Tunisia", laut und schnell, so wie es sein muss. Zwei Platzhirsche am Tenorsaxofon haben einen Nachwuchssolisten derart an die Wand gespielt, dass mitten im Stück der Trompetendozent auf die Bühne eilt und den Brachialbläsern zeigt, wo der Hammer hängt: Er spielt noch lauter, noch schneller.

Als sich die Testosteronwolke verzogen hat, stakst das Mädchen mit der zerrissenen Strumpfhose auf die Bühne. Typ: ganz frühe Joan Baez. Sie klemmt ein Kapodaster an den Gitarrenhals und singt mit ihrer hinreißenden Mädchenstimme eine schlichte Ballade.

Die Bläser, jung wie sie, sind sofort bezaubert und spielen zart wie nie. Nach drei Takten herrscht wieder Frieden im Keller. Riesenapplaus.

Wolfgang Janisch, SZ vom 14./15.4.2012

Mitten in Puerto del Carmen Lanzarote

Quelle: picture-alliance/ gms

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Mitten in ... Puerto del Carmen

Die Insel erkunden steht auf dem Programm. Eine Woche lang. Zwei angemietete Rennräder stehen bereit für Touren durch die Lavafelder. Außerdem sind Wanderungen geplant. Das günstige All-inclusive-Hotel dient nur als Schlafstatt, die Insel soll im Mittelpunkt stehen. Das aber interessiert an diesem Abend den Berliner im SB-Restaurant überhaupt nicht.

Er ist schon seit zwei Wochen auf der Insel - und kennt sich aus im Hotel. "Biertrinker?", fragt er und wartet gar nicht erst auf die Antwort: "Immer zapfen lassen! Schmeckt besser!" Den Safe im Zimmer sollte man auch benutzen: "Hier wird geklaut!" Das Essen? Na ja. Der Pool? Gibt bessere.

Am Ende beugt er sich vor und gibt einen letzten, "janz heißen Tipp". Mit seiner Frau hatte er sich für drei Tage ein Auto gemietet und die Insel erkundet: "Das müsst ihr auch machen. Lohnt sich!"

Marco Völklein, SZ vom 14./15.4.2012

The Sacred Heart (Sacre Coeur) is seen in Paris

Quelle: Reuters

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Mitten in ... Paris

Nein, dieser Morgen ist viel zu schön, als dass man den Glauben an das Gute im Menschen verlieren könnte. Und selbst wenn man im "Au Clairon des Chasseurs" gerade für einen Kaffee mit zwei Croissants unfassbar viel Geld bezahlt hat, auf den Stufen von Sacré-Cœur ist alles Eudaimonia.

"Hi, ich bin Pierre, streck mal deinen Daumen aus." "Hör zu, Pierre, ich habe gerade sehr viel Geld für ein sehr kleines Frühstück bezahlt, ich bin pleite und möchte meinen Daumen nicht ausstrecken."

"Ach was, ich will doch gar kein Geld", sagt Pierre. Also gut. Daumen hoch. Pierre nimmt drei Garne und benutzt mich als Stickliesel. So flicht er ein buntes Bändel, schenkt es mir und natürlich gebe ich ihm dafür meine allerallerletzten Münzen.

Plötzlich schreit Pierre mich an: "Und wieso gibst du mir kein Papiergeld?" Was für ein beschissener Morgen.

Martin Zips, SZ vom 31.3./1.4.2012

AUTO-RALLY-FRANCE-SENEGAL-MOROCCO-MAURITANIE-AFRICARACE

Quelle: AFP

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Mitten in ... Marokko

Rechts leuchtet der Hohe Atlas, links glänzt die rötliche Erde im Mittagslicht, die neu gebaute Straße ist leer, das Motorrad rauscht mit sattem Sound dem Ziel entgegen. Binnen weniger Sekunden wandelt sich ein Punkt in der Ferne in zwei stattliche Polizisten. Sie halten eine Laserpistole hoch. Stop!

Fünfzig über Limit, kostet 700 Dirham (etwa 70 Euro). Der Polizist wendet sich an den Fahrer. Wie viel wollen Sie zahlen? Dreihundert Dirham gegen Rechnung. Nein, ohne Rechnung. Zweihundert. Der Marokkaner blickt begehrlich auf das Motorrad. Wie stark? "110 horsepower."

Er mustert den Fahrer: Probefahrt statt Strafgeld? Okay. Der Polizist strahlt, lüftet sein Basecap, zieht die Sonnenbrille darunter hervor, schwingt sich auf die Maschine. Der Motor heult auf - und binnen Sekunden wird der Polizist wieder zum Punkt in der Ferne.

Cerstin Gammelin, SZ vom 31.3./1.4.2012

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Quelle: AFP

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Mitten in ... Havanna

Man mag manchmal durchdrehen auf Kuba, jedenfalls bei der Fluglinie Cubana. Am Inlandsterminal von Havanna herrscht nervenzerfetzendes Chaos, die Warteschlange bewegt sich im Tempo einer erlahmten Boa, manche Reisende haben ihren Hausstand dabei. Man wird Stunden in dieser Reihe verbringen, vielleicht Jahre, ehe sich eine gespenstisch weiße Boeing öffnet oder eine riesige Iljuschin. Doch auf der Insel geschehen Wunder.

Auf einmal löst sich das Durcheinander wie von Geisterhand auf. Der Passagier bekommt ein handgeschriebenes Ticket, und den Gepäckscanner überwacht eine Frau, die laut Namensschild Maritza heißt. "Hola Maritza", sagt man, da zieht sich ein Lachen von der Spannweite eines Airbus über ihr Gesicht. "Er sagt Maritza zu mir", ruft sie, plötzlich sind alle großartig gelaunt. Wunderbar, die Kubaner.

Peter Burghardt, SZ vom 31.3./1.4.2012

Island: Tourists relax in one of the Blue Lagoon mineral pools near Reykjavik

Quelle: REUTERS

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Mitten in ... Höfn

In fast jedem Ort auf Island gibt es ein Schwimmbad mit Kinder- und Schwimmerbecken sowie zwei Hotpots mit sehr warmem Wasser. Das Bad befindet sich meistens neben den Sportanlagen. Auch in Höfn. Vor dem Eingang liegen dreckige Fußballschuhe und verschwitzte Trikots. Die Mannschaft hat beide Hotpots besetzt.

Lachen tönt zum Kinderbecken rüber, wohin sich die anderen Gäste verkrümelt haben. Drei Männer hocken dort neben einer wasserspeienden Ente und glotzen zu den Hotpots rüber. Das Becken ist so flach, dass die Bäuche über das Wasser ragen, wenn man rücklings liegt. Es wird frisch im flachen Kinderbecken, hoffentlich machen die Fußballer bald die Hotpots frei.

Dann stehen die Spieler auf - und elf Mädchen im Bikini marschieren mit spöttischem Blick an den Typen im Kinderbecken vorbei zu ihren Trikots.

Sebastian Herrmann, SZ vom 31.3./1.4.2012

Türkei Knigge

Quelle: AFP

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Mitten in ... Istanbul

Ich hatte eben ein Rendezvous. Mit der Ausländerpolizei, Aufenthaltsgenehmigung. Die verteilen jetzt "e-randevu", man muss sich online anmelden. "Für Ihren Komfort". Gute Idee.

Ich versuchte geschlagene vier Monate, mich anzumelden. Ignorierte die Warnung meines Browsers: "Dieser Verbindung wird nicht vertraut". Jedes Mal aber stürzte die Webseite ab. 50 mal Ausfüllen, 50 mal Abstürzen. Die Polizei riet: "nach Mitternacht versuchen". Ich versuchte es nach Mitternacht. Nix. Ich versuchte es mit neuen Browsern. Nix. Neue Computer. Nix. Wieder zur Polizei, der Rat diesmal: "ins Internet-Café um die Ecke". Also hin, mit zittrigen Fingern. Wieder Absturz. Ich war kurz davor, bei Vollmond Schlangenwurz und Froschgebein einzukochen, da flüsterte mir eine Fee ein: "das Komma weglassen bei der Adresse".

Komma gestrichen. Es klappte. Ich darf bleiben.

Kai Strittmatter, SZ vom 24/25.3.2012

Geysir Island Kurzurlaub

Quelle: dpa/dpaweb

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Mitten in ... Reykjavik

Der Duft isländischer Hotelzimmer erinnert etwas an längst vergangene Osterfeste. Kaum öffnet man die Tür, kriecht einem schon dieser feine Geruch in die Nase - von Eiern, deren Verfallsdatum bereits in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Was ist da los, fragt man sich beim ersten Besuch? Hat da vielleicht jemand sein Frühstück unterm Bett vergessen? Oder war der Vormieter Vertreter für übelriechende Scherzartikel?

Wer nach der Duftquelle sucht, der findet am Ende neben dem Waschbecken dieses kleine Hinweisschild mit "Fakten über das isländische Wasser". Dort steht, dass das Warmwasser im Hotel direkt aus den heißen Quellen unter Reykjavik hochgepumpt wird - und dass es Spuren von Schwefel enthält.

Der Geruch ist also nur ein kleiner Gruß aus der vulkanischen Hölle, die unter der Insel brodelt. Bei jedem Duschgang ein Hauch von Geysir.

Gunnar Herrmann, SZ vom 24./25.3.2012

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Quelle: AFP

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Mitten in ... Mexiko-Stadt

Vor vier Tagen stand ich in Mexiko und hörte, dass gerade die mexikanische Erde gebebt hatte. Bis Monterrey im Norden waren die Stöße nicht vorgedrungen, doch eine gute Stunde später landete das Flugzeug in der vor Schock gelähmten Metropole Mexiko-Stadt. Da hatte es lange nicht mehr so gewackelt: Stärke 7,4. Nur knapp war der Moloch an einer Tragödie vorbeigeschrammt.

Ein Freund erzählte, er sei stoisch im Besprechungsraum sitzen geblieben. Ein anderer floh aus seiner schaukelnden Wohnung auf die Straße. Einem Bekannten kippte das Regal um, in den Wänden fanden sich Risse.

Ich kam glücklicherweise 90 Minuten zu spät und flog zwei Tage später wieder ab, der größte Schreck der Bewohner war überstanden. Kaum in Havanna angekommen, da hieß es, Mexiko-Stadt sei soeben wieder durchgeschüttelt worden. Ich bleibe fürs erste im ruhigen Kuba.

Peter Burghardt, SZ vom 24./25.3.2012

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Quelle: AFP

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Mitten in ... Ushuaia

Ushuaia in Richtung Süden zu verlassen, ist eine teure Angelegenheit. Denn das nächste Ziel ist die Antarktis. "3999 Dollar! Last Minute!", preist ein Schild im Reisebüro an. Wer nicht so weit fahren möchte, wendet sich an Carlos. Für 50 Dollar nimmt er Touristen auf seinem Segelboot mit auf die "Isla H", ein, zwei Seemeilen raus.

Auf der Insel wächst etwas Gestrüpp, hier ist es auch im Hochsommer winterjackenkalt. Kormoranen macht das nichts. Die Vögel kommen jedes Frühjahr hierher nach Feuerland und zanken sich um die besten Nistplätze an den Klippen. Wer zuerst kommt, brütet oben. Und wenn ein Kormoran mal etwas fallen lassen muss, dann hängt er eben einfach sein Hinterteil über den Nestrand. Unten sitzen dann die Tiere, die etwas später kamen.

"Das ist wie bei uns Menschen", sagt Carlos. "Bist du unten, sitzt du in der Scheiße.

Patrick Hemminger, SZ vom 24./25.3.2012

People pray at the Western Wall in Jerusalem's Old City

Quelle: Reuters

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Mitten in ... Jerusalem

Eine Sicherheitskontrolle und ein kurzer Fußgängertunnel trennen die drei jungen amerikanischen Touristen noch von dem Höhepunkt ihres Israel-Trips: der Klagemauer. Das "Schalom", mit dem sie die Soldaten an der Schleuse grüßen, klingt nach starkem Kaugummi-Akzent, dann kramen sie ihre Kippas aus den Rucksäcken. Auf dem Weg durch den Tunnel unterhalten sie sich laut über den "spirit" ihres Glaubens, den sie hier in Jerusalem von Anfang an fühlen konnten, ganz anders als in der Synagoge "back home".

Als sie das Ende des Tunnels erreichen, bricht das Gespräch ab. Sichtlich berührt stehen die drei am Rande des weiten Platzes. Die Dämmerung setzt gerade ein, und die Klagemauer, die sie nun zum ersten Mal erblicken, leuchtet im Flutlicht.

Dann beendet einer mit einem Wort der Ergriffenheit das Schweigen: "Jesus!"

Moritz Baumstieger, SZ vom 17./18.3.2012

Tivoli Kraftwerk im Englischen Garten in München, 2011

Quelle: Catherina Hess

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Mitten in ... Leipzig

Die wahnsinnigsten Geschichten erzählen immer noch die Menschen aus der Buchbranche. Nicht die Autoren, die Marketingleute! Im ICE zur Buchmesse, drei sehr laute Buchmenschen aus Schwaben. Die Konzentration auf die Lektüre fällt da schwer im Ruhewagen.

Er: "Ich mag meinen jüngeren Bruder. Er ist jetzt 48. Er wohnt noch bei den Eltern." Die Ältere: "Oh." Er: "Aber jetzt zieht er aus. Er hat eine Frau kennengelernt. Thailänderin. Nein, nicht aus dem Katalog. Ganz normal bei der Thai-Massage. Sag mal, was isch eigentlich mit deinem? Bisch du noch mit dem zusammen, mit dem du über dem Wasserbettenladen gewohnt hasch?"

Die Ältere: "Da gibt's nichts zu erzählen. Der isch perfekt." Die Jüngere: "Ich hingegen könnte ein Buch schreiben über meine zwei Jahre als Single."

Ja, ein Buch. Schreibt doch einfach mal ein Buch.

Rudolf Neumaier, SZ vom 17./18.3.2012

Tourists ride in a convertible car on Havana's seafront boulevard, 'El Malecon'

Quelle: REUTERS

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Mitten in ... Camagüey

Was ist das für eine Stadt, deren Straßen so verwirrend wie möglich angelegt wurden? Eine kubanische Stadt, die früher oft von Piraten attackiert wurde, und in der man Verwirrung als probate Kriegstaktik schätzte. Einerseits.

Andererseits: eine Scheißstadt, vor allem wenn man als Reisender mit dem Auto kommt. Es gab schon entspanntere Fahrten während dieser Reise. Und nettere Aufenthalte. Kaum hat man endlich eingeparkt, und den Betrunkenen bezahlt, der - "official parking, Sir" - vorgibt, das Auto zu bewachen, läuft eine Gruppe Schulkinder vorbei: "You speak English?" - "Yes", sagt man ermattet. Immerhin, nette Kinder.

Eines ruft: "Fuck you, capitalist pig!" Man wäre gerne schnell abgehauen, aus Camagüey, an die Küste zum Beispiel, oder nach Santiago de Cuba. Ging aber nicht schnell. Das Straßennetz ist recht verwirrend.

Johannes Boie, SZ vom 17./18.3.2012

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Quelle: AFP

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Mitten in ... Rom

Ohne Erbarmen stechen die Männer auf den würdevollen Herrn ein. Leblos bleibt er liegen auf dem Pflaster mitten in Rom. Doch die Tat wird die erschreckend gestiegene Zahl der Morde in der Stadt nicht weiter erhöhen. Die Dolche, die sie gezückt haben, sind aus Gummi. Täter und Opfer haben nur die Historie im Sinn: Deshalb stirbt, vor einem Stoffgeschäft am Largo di Torre Argentina, am Donnerstag Gaius Julius Cäsar noch einmal - 2056 Jahre nach den Iden des März 44 v. Chr., als Senatoren den Diktator im Pompeiustheater erdolchten.

Die Darsteller tragen aufwendige Kostüme, ein Sprecher erklärt das Geschehen. Die Zuschauer applaudieren der anschaulichen Geschichtslektion. Dafür leider zu spät kommt ein junges Paar, es sieht aber noch das Plakat für "Die Iden des März".

Sie zu ihm: "Das heißt ja wie der Film von George Clooney."

Andrea Bachstein, SZ vom 17./18.3.2012

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Quelle: AP

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Mitten in ... Tel Aviv

In dieser Woche ist der Kölner Rosenmontagszug in Tel Aviv eingetroffen, reichlich spät, aber der Weg ist ja auch weit. Es ist Purim, der jüdische Karneval, und eine der Strandkneipen hat sich herausgeputzt zu einer "echt kölschen Fastelovendsparty". Auf einer Leinwand hinten in der Ecke zieht der Zoch vorbei.

Für Kamelle und Kölsch war der Transport zu teuer, erklärt ein farbenfroh kostümierter Mann namens Manfred Gryschek, der das Fest im Geiste der Städtepartnerschaft zwischen der Dom- und der Mittelmeer-Metropole organisiert hat. Doch mitgebracht hat er lustige Lieder über dicke Mädchen oder finstere Piraten.

Was fehlt, sind allerdings die Gäste. Kurz vor Mitternacht gehen auch noch die beiden russischen Engel heim. Zurück bleiben, Gryschek eingerechnet, zwei Kölner - und drei Düsseldorfer. Kölle Alaaf? Tel Aviv Helau!

Peter Münch, SZ vom 10./11.3.2012

Aussteigen auf La Gomera: Mit den Hippies im ewigen Frühling

Quelle: Ina Brzoska, dpa-tmn

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Mitten auf ... La Gomera

Lässig steht er auf seinem Sockel, der bronzene Guanche, Häuptling der Ureinwohner im Valle Gran Rey auf La Gomera. Und er wüsste wohl, wie man den irritierten Urlaubern aus aller Welt helfen könnte, die in diesem Frühjahr trotz Handy und iPhone nicht zu ihren Lieben zu Hause durchdringen können. Die Einwohner des Tals haben in einer Nacht- und Nebelaktion den großen Sendemast oberhalb ihrer Häuser gekappt, einfach so. Aus Angst vor Strahlung. Jetzt geht hier gar nichts mehr. Was also tun?

"Silvo" lernen, würde der Guanche empfehlen, die alte Pfeifsprache, wie sie seit einiger Zeit wieder die Schulkinder im Valle lernen. Oder: Trommeln. Mit den Hippies am Strand, die wie ihre Großeltern in den 70er Jahren noch immer nach dem wahren Leben suchen. Oder die alte gomerianisch-spanische Tugend üben: das Warten.

Roswitha Budeus-Budde, SZ vom 10./11.3.2012

Croupier turns the roulette at the Brussels Casino

Quelle: REUTERS

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Mitten in ... Bad Reichenhall

Es ist spät am Samstagabend, ein paar sehr traurige Gestalten schleichen um die Automaten im Casino Bad Reichenhall. Nur vorne am ersten Roulettetisch ist was los, zwei Männer beratschlagen sich: Es ist noch ein Jeton im Wert von einem Euro übrig. "Setz ihn auf die 28", sagt der eine. Der Jeton liegt, die Kugel rollt, da sagt der andere: "Wieso eigentlich 28?" - "Das ist dein Alter." - Der andere: "Ich hatte vor zwei Wochen Geburtstag, du Hirsch. Ich bin jetzt 29."

Die Kugel kreist noch immer, der Jeton wird um ein Feld verlegt. "Wenn jetzt die 28 kommt ...", sagt der erste, da rollt die Kugel aus, hüpft noch einmal - und landet in der 29. Selbst die Croupiers müssen lachen, bevor einer von ihnen den Gewinn über den Tisch schiebt: Jetons im Wert von sagenhaften 35 Euro. "Jetzt geh' ich", sagt der Gewinner und packt seine Sachen.

Florian Fuchs, SZ vom 10./11.3.2012

Mitten in ... Brasilien

Quelle: dpa

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Mitten in ... Abraão

Ein einziges Auto gibt es auf der Ilha Grande, der ehemaligen Gefängnisinsel vor der Grünen Küste Brasiliens. Das ist das Feuerwehrauto. Allerdings gibt es keine Straßen für das Feuerwehrauto, die Insel ist ein hügeliges Naturparadies. Es sollte also nicht brennen.

Die Deutschen haben eine Hütte im Urwald bezogen, hier sieht man niemanden, nur ab und an sitzt ein Opossum im Baum. Niedliche Tiere! Skandalös, dass die Wissenschaft sie als "Beutelratten" führt.

Eines Tages schleicht sich die Diarrhö ins Paradies, lässt sich nicht mehr vertreiben. Zu viel Ananas? Im Dörfchen Abraão sagen die Leute, in Rio kursiere das Denguefieber. Den Deutschen dämmert: Das Bergwasser schmeckt komisch. Immer komischer! Ein Einheimischer schaut nach, alles klar: Im Trinkwassertank treibt offenbar schon etwas länger ein totes Opossum. Drecksratten.

Roman Deininger, SZ vom 3./4.3.2012

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Quelle: Liliia Rudchenko - Fotolia

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Mitten in ... München

Zu zweit beim Tee-Kauf. Der Verkäufer zu ihr, nicht charmierend, sondern mit dem Eso-Ernst der Entrückten: "Ich sehe Hitze in Ihnen. Sie brauchen Tee, der Sie kühlt." Ihr Begleiter denkt sich genervt: Die alte Leier wieder, nur weil sie südländisch aussieht, werden ihr Leidenschaft und Herzlichkeit zugeschrieben, während man selbst daneben so unterkühlt wie käsig wirkt.

Doch der Verkäufer findet auch für ihn warme Worte: "Wie ich sehe, haben Sie ebenfalls Feuer." Aha! Nun fühlt sich der vermeintliche Teutonen-Langweiler arg geschmeichelt, ist sein subtiles Temperament doch endlich erkannt - bis der Verkäufer auf die Geheimratsecken des Kunden deutet und diesen damit auf Betriebstemperatur zurückbringt: "Denn Ihre Hitze ist zu heiß für Haarwuchs."

So geht man wieder heim. Sie hat Tee in der Einkaufstüte. Er nicht.

Martin Wittmann, SZ vom 3./4.3.2012

Mitten in ... Prag Sliwowitz

Quelle: oh

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Mitten in ... Prag

Es ist kalt im Winter in Prag. Der Wind treibt Tränen in die Augen, die Schülerin erreicht hustend die Sprachschule. Schnieft, niest, nimmt Platz, kramt die Hausaufgaben hervor. So kann die Lehrerin nicht arbeiten: die Schülerin soll in die Küche gehen und sich einen Tee kochen. Kurz darauf dampft der Tee neben der Grammatiktabelle, der Unterricht kann beginnen.

"Sie müssen Sliwowitz in den Tee tun", sagt die Lehrerin streng, "sonst werden Sie nicht gesund." Aber es ist ein Uhr mittags!

Die Lehrerin schüttelt den Kopf über soviel Begriffsstutzigkeit. Rennt in die Schulküche, holt eine Flasche klaren Schnaps. Er wirkt. Nach einer Stunde bittet die Schülerin, nach Hause gehen zu können - der Kopf ist zu schwer. Die Lehrerin nickt, reicht die Flasche: "Gute Besserung!"

Viktoria Großmann, SZ vom 3./4.3.2012

Mitten in ... Winterthur Schweiz

Quelle: Getty Images

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Mitten in ... Winterthur

Eidgenössisch reisen heißt spartanisch reisen. Der Eurocity München-Zürich erinnert in Komfort und Design an die Bimmelbahnen, die in den 1970ern zwischen Dörfern wie Kirchweidach und Fridolfing verkehrten. Und voll ist er auch. Die Viererschaukel mit einer Frau und zwei paraguayischen Interrail-Burschen zu teilen, bedeutet Thrombosegefahr. Hätten ruhig noch zwei, drei Waggons dranhängen können, die Schweizer. Diese Geldsäcke!

Beim Halt in Winterthur steht auf dem Nebengleis der Regionalzug nach Islikon. Sehr schick und sehr leer. Ach, wäre es gemütlich da drin, doch was soll man in Islikon? Der paraguayische Sitznachbar bekommt nichts mit. Er schläft, sein dunkles Haupt ruht auf der Schulter des Nebenmannes.

Wecken? Nein. Nicht bewegen! Über europäische Gastfreundlichkeit soll er nicht klagen können.

Rudolf Neumaier, SZ vom 3./4.3.2012

Bus drivers protest throughout Panama's main avenues

Quelle: REUTERS

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Mitten in ... Panama

Unterwegs auf der vierspurigen Panamericana, in einem Wagen, der schön groß das Logo der Mietfirma zeigt und den Fahrer damit als Touristen ausweist. An den Ausfahrten stehen schlecht gelaunte Polizisten mit Laser-Pistolen, die jedem Fahrer mühelos nachweisen, dass er das Tempolimit überschritten hat.

Der Sünder hat die Wahl: "Ticket? Or no Ticket?" "Ticket" ist offiziell und kostet 50 Dollar, "no Ticket" cash und günstiger.

Kurz vor Panama City: Polizist, Laserpistole, "Ticketornoticket". "No ticket", sagt man und wühlt nach Dollarnoten. Der Cop schüttelt den Kopf und zeigt auf die Ausfahrt, hinter der ein großes gelbes "M" aufleuchtet. "Happy Meal", sagt er.

Die Dame am Drive-In-Schalter nickt dem Polizisten freundlich zu. Sie weiß schon, was der Cop will: "Hamburger, Cola und Kinderspielzeug?" Sie weiß auch, wer jetzt zahlt.

Fabian Heckenberger, SZ vom 18./19.2.2012

BARTKAUZ IM WILDPARK JOHANNISMÜHLE

Quelle: DPA/DPAWEB

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Mitten in ... Wien

Der Ball in der Wiener Hofburg muss ein strahlender Erfolg gewesen sein. Unsere Wiener Gastgeber sind erst früh morgens nach Hause gekommen und schlafen noch selig. Den Abend zuvor haben wir sie nur kurz zur Schlüsselübergabe gesehen. Sie hätten diese Karten vom Bekannten eines Freundes bekommen, versicherten sie uns noch rasch, als unten schon das Taxi hupte. Dann sind sie davon geeilt, in Abendrobe und Frack samt Kummerbund, zum Ball der Internationalen Atomenergie-Organisation.

Auf dem Wohnzimmertisch haben sie uns ein Hochglanzmagazin zurückgelassen. Wissenswertes über die heurigen Bälle der Zuckerbäcker, der Vorarlberger, Kaffeesieder und Alt-Schotten.

Oder eben der Atombeaufsichtler: "Leuchtende Augen, glühendes Verlangen kommen hier aus dem größten Reaktor des Menschen, dem Herzen."

Jutta Czeguhn, SZ vom 11./12.2.2012

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Quelle: amapolchen/photocase

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Mitten in ... München

"Du hattest doch gesagt, du würdest off gehen, und zwei Stunden später warst du immer noch on" - Eiseskälte zwischen einem jungen Mann und seiner Freundin in der S-Bahn am Montagabend.

Sie: "Das ist doch meine Sache, wann ich on bin. Du vertraust mir überhaupt nicht mehr, das spüre ich total!" Er: "Aber wenn Du doch gesagt hast, Du gehst off." Sie, vorwurfsvoll: "Du bist schon die ganze Zeit allgemein total komisch, aber seit Sonntag besonders." Er: "Seit gestern, meinst Du?" Sie: "Genau. Immer willst Du wissen, was ich mache und mit wem ich chatte."

Er nimmt ihre Hand, schaut sie mit zartem Blick an. Sie zieht die Hand weg und schaut demonstrativ aus dem Fenster.

Sein Handy vibriert, er fängt an zu tippen. Sie: "Was machst Du denn da?" Er: "Was soll ich denn machen, wenn die Jessy gerade on ist?"

Karoline Meta Beisel, SZ vom 4./5.2.2012

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Quelle: AFP

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Mitten in ... Mount Hermon

Es ist Winter, es ist Schnee gefallen - und in Israel verkünden das die Zeitungen auf Seite eins. Aus dem ganzen Land, von den Stränden und den Wüstenstädten, sind die Menschen deshalb in den Norden gepilgert zum Mount Hermon, wo Israels einziges Skigebiet liegt.

Auf dem Weg zum großen weißen Berg bieten Händler am Straßenrand Mützen und Handschuhe an für die Expedition in den Winter. Schon auf dem Parkplatz tollen erwachsene Männer umher wie Eisbärenbabys, ein ultraorthodoxer Vater posiert mit dem schläfenlockigen Sohn für ein Schwarz-Weiß-Foto, Kinder lassen sich Schneeflocken auf der Zunge zergehen und packen heimlich etwas für zu Hause ein.

Die Lifte lassen die meisten links liegen, das richtige Abfahrtsabenteuer beginnt erst mit der Rückfahrt. Es hat frisch geschneit, es ist spiegelglatt - und natürlich haben alle nur Sommerreifen.

Peter Münch, SZ vom 28./29.1.2012

Divers perform a dragon dance during an event to celebrate the Chinese Lunar New Year at the Shanghai aquarium

Quelle: Reuters

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Mitten in ... Shanghai

Chinesen nehmen ihr Frühlingsfest sehr ernst. Sie verbringen es tagelang essend und böllernd im Kreis ihrer Familie. Vorher kaufen sie ein, etwa im Carrefour. Dort treffen sie auf zwei Langnasen, die unbedacht ihren Einkaufswagen an der Fleischtheke vorbeischieben, an der ein Dutzend Chinesen prüfend Schweinekoteletts in die Höhe heben und auf einen Haufen werfen. Gedränge. Der Wagen wird gerammt, die Langnase angerempelt, eine Verkäuferin brüllt ihm mit Mikrofon ins Ohr.

Wieder draußen und dem Wahnsinn knapp entkommen, regnet es in Strömen. Erst 15 Minuten später erscheint ein rettendes Taxi. Doch dann reißt eine ältere Dame den Ausländer vom Sitz und lotst ihre Sippe in den Wagen.

Als die Langnase protestiert, spuckt die Frau ihr ins Gesicht. Es ist eben Frühlingsfest, meint eine Zuschauerin aufmunternd. Da seien die Leute oft gestresst.

Philipp Mattheis, SZ vom 21./22.1.2012

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Corleone

So oft hat man die "Pate"-Trilogie nun schon gesehen, dass man glaubt, sich im sizilianischen Bergstädtchen Corleone blind zurecht zu finden. Und eines Tages steht man da und erkennt: nichts. Nicht die Kirche, an der vorbei Vito Corleone vor seinen Häschern floh. Nicht die Gassen, durch die Michael Corleone erst mit seiner Braut flanierte und später mit seiner Ex. Ein Wegweiser zum "Mafia-Dokumentationszentrum", das ist alles.

Anflüge von Wut auf Francis Ford Coppola (hätte man sich denken können, alles nur Kulisse) und auf sich selbst (wieder mal super pathetische Aktion, die Fahrt hierher). Mittagessen im Restaurant, die Aussicht vom Balkon auf Corleone entschädigt für vieles.

Später an der Kasse fällt der Blick auf eine gerahmte Fotografie. Al Pacino. Diane Keaton. Andy Garcia. Auf jenem Balkon, wo man eben... Beschwingt zurück zur Küste.

Tanja Rest, SZ vom 14./15.1.2012

INDIAN CHILDREN JUMP INTO THE RIVER HOOGHLY IN AN EFFORT TO GET SOME RESPITE FROM THE HEAT IN CALCUTTA

Quelle: Reuters

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Mitten in ... Kalkutta

Kalkutta ist eine Stadt der Täuschungen. Irgendwie war die ehemalige Hauptstadt Britisch-Indiens auf die Reiseroute geraten. Schuld daran war weniger das Interesse an Mutter Teresa und ihren Waisenhäusern, als vielmehr ein 50er-Jahre-Song von Gerhard Wendland. "Kalkutta liegt am Ganges, Paris liegt an der Seine. Doch dass ich so verliebt bin, das liegt an Madeleine", schmetterte der Schlagersänger einst. Das klang verlockend.

Angekommen in der Millionenmetropole kam die erste Enttäuschung. 2001 wurde die Stadt im Nordosten Indiens in Kolkata umbenannt. Selbst wenn das auf den überfüllten Straßen keinen schert. Kurz darauf der zweite Schock.

Der Ganges ist einfach nicht zu finden. Keine Spur vom heiligsten Fluss der Hindus. Kolkata liegt zwar an einem breiten Strom, aber das ist nicht der Ganges. Es ist der Nebenfluss Hugli.

Kristina Läsker, SZ vom 7./8.1.2012

© SZ/dd/kaeb
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