Mitten in Absurdistan:"Spring rein, Hübscher!"

In Amman bietet wenigstens eine Taxifahrt Grund zum Schlapplachen. Im frostigen New York wird der Weg zur Arbeit immer schlimmer und in Berlin heißt es überraschend: "Dit ist doch für Mädchen!".

SZ-Korrespondenten berichten Kurioses aus aller Welt

36 Bilder

Sonnenuntergang über Berlin

Quelle: dpa

1 / 36

Mitten in ... Berlin

Gastronomisch ist die Hauptstadt oft richtig aufregend, in die eine oder in die andere Richtung. Etwa dieses Traditionslokal am Kupfergraben: Selbst an den Fensterplätzen zur Museumsinsel nimmt man den Küchengeruch wahr, und in der Männertoilette findet man, aber ja doch, vier tote Fliegen, was die Dichter der Zwanzigerjahre, die hier mal als Stammgäste verkehrt haben sollen, sicher zu lustigen Versen animiert hätte. Die herrlich verlebte Chefin serviert nach längerer Wartezeit höchstpersönlich die Berliner Graupensuppe, eine Spezialität des Hauses. "Bitte sehr, die Dame", sagt sie mit beeindruckender Reibeisenstimme, der Herr kriegt den Burger vor die Nase geknallt. Irritierte Blicke. "Ach so, umgekehrt", knarzt die Chefin. "Aber Graupen - dit ist doch für Mädchen!" Sie ahnt nicht, wie gerne wir auf die Fleischbeilage verzichtet hätten.

Christian Mayer

SZ vom 27. Februar 2015

-

Quelle: AFP

2 / 36

Mitten in ... New York

Der Mann in der neongelben Warnweste pustet sich in die Handschuhe, es sind minus 15 Grad Celsius, und New York ist von einer Frostschicht überzogen, auf dem Hudson treiben Eisschollen. "Ich passe auf die Banker auf", sagt er. Wie jeden Morgen um kurz vor neun Uhr eilen Tausende junge Menschen in das gläserne Gebäude von Goldman Sachs im Financial District. Unter ihren Mänteln schaut feinster Zwirn hervor. Die Frauen tragen ihre High Heels in Tüten und schlüpfen aus den Stiefeln heraus, wenn sie das Büro betreten. Dummerweise müssen sie vorher eine achtspurige Straße überqueren. Der West Side Highway Ecke Murray Street gilt als eine der für Fußgänger gefährlichsten Kreuzungen der Stadt. "Es wird immer schlimmer", sagt der Mann in der Warnweste. "Die Leute schauen nur auf die Handys und nicht auf den Verkehr."

Kathrin Werner

SZ vom 27. Februar 2015

RNPS IMAGES OF THE YEAR 2007 - GERMANY

Quelle: REUTERS

3 / 36

Mitten in ... München

Es ist nie eine gute Idee, alleine auf Konzerte früherer Helden zu gehen. Das ist einfach zu viel der einsamen Reflexion in der Masse. In der Halle ist man erst mal gezwungen, der eigenen Generation zuzuhören. Es geht um Stilldemenz und die Gottschalk-Sendung vom Vorabend. Endlich erscheint der Star. Mark Lanegan galt einst als der junge Tom Waits. Mittlerweile ist er älter, als es Waits heute ist. Lanegan hat immer noch seine Zigaretten- und Whisky-Stimme, Baritod quasi, aber neuerdings trägt er Brille, trinkt Wasser, raucht nicht. Wenigstens sieht er immer noch aus wie eine Leiche. Früher war das cool. Heute wirkt es fast ein wenig bedrohlich, denkt man auf dem Heimweg. Um elf. Nüchtern. Am Steuer. Im Škoda. Aber ein Quäntchen Punk ist ja noch da: Daheim lässt man zur Feier des Tages die Zahnseide mal schön Zahnseide sein.

Martin Wittmann

SZ vom 27. Februar 2015

A general view shows the city of Amman during a heavy snowstorm

Quelle: REUTERS

4 / 36

Mitten in ... Amman

"Spring rein, Hübscher!" Zwei Frauen um die fünfzig zeigen Mitleid mit mir, nachdem ein Taxifahrer mich rüde ignoriert hat. Die eine kurbelt das Fenster herunter, winkt mich heran. Die andere lässt den Motor aufheulen, im zerbeulten weißen Opel geht es den Berg hinunter und um die Kurve, Lippenstifte und leere Zigarettenschachteln fliegen durch die Luft. Ob die Freundinnen gerade von der Arbeit kommen? "Vom Rumhängen!", sagt Fatime, die Fahrerin, die ein dunkelbraunes Kopftuch trägt, beide Damen lachen sich schlapp. Es geht plötzlich steil bergauf, eine alte Frau kreuzt den Weg. "Halt drauf!", kreischt Hanan, die Beifahrerin; wieder ohrenbetäubendes Gelächter. Hanan kommt aus Nablus im Westjordanland, Fatima ist vor drei Jahren aus Syrien geflohen. "Schreibst du einen Artikel über unser lausiges, trauriges Leben?"

Ronen Steinke

SZ vom 27. Februar 2015

Elektrische Zigarette

Quelle: Marcus Brandt/dpa

5 / 36

Mitten in ... Minsk

Der Palast des weißrussischen Präsidenten hat zwei Sicherheitsschleusen: Eine am Eingangstor - Metalldetektor, Taschen auspacken, Abtasten, bitteschön! Ein gewundener Weg führt dann durch den Park zur nächsten Schleuse - Metalldetektor, Taschen röntgen, Abtasten. Moment! Fotografen und Kameraleute haben immer seltsames Gerät dabei: Objektive groß wie Raketenwerfer, Stative wie für Maschinengewehre, Akkublöcke wie Sprengstoffgürtel. Nichts ist den Polizisten beim Ukraine-Gipfel fremd. Aber was ist das? Ein skeptischer Wachmann hält einen handlangen Metallzylinder hoch und betrachtet ihn mit fragendem Blick. Könnte gut ein Schalldämpfer sein. Der Besitzer nimmt ihn an die Lippen, zieht zweimal kräftig dran und stößt eine weiße Wolke aus. Merke: Elektronische Zigaretten haben sich doch noch nicht überall durchgesetzt.

Julian Hans

SZ vom 20. Februar 2015

EURO 2008: Vorbereitungen EM-Halbfinale Deutschland-Türkei

Quelle: Marcus Brandt/dpa

6 / 36

Mitten in ... München

"Nasılsınız?" Frau Ö., die Türkischlehrerin, schaut erwartungsvoll: Bitte wiederholen. "Wie geht es Ihnen?" Das kann doch nicht so schwer sein. Ein i ohne Punkt ist aber kein i. Frau Ö. leidet. Sie macht es noch einmal vor - und zieht die Mundwinkel so weit nach hinten, dass sie aussieht wie der Joker, der Fiesling im Batman-Film. Ö. ist eigentlich die Gute. Wie oft hat sie mir gesagt: "Das wird schon." Manchmal sagt sie auch, das musst du nicht verstehen. Das musst du einfach machen. Damit will sie mir auch etwas über die Türkei beibringen, wo ich bald leben werde. In einem Formular für die Einreise wurde neulich meine Blutgruppe erfragt. Ich hatte keine Ahnung, was das sollte, und leider auch keine von meiner Blutgruppe. Frau Ö. hätte sich sicher gefreut: Nicht verstehen, einfach machen. Ich bin zum Blutspenden gegangen. Null positiv.

Mike Szymanski

SZ vom 20. Februar 2015

rote unterhose

Quelle: Kai Strittmatter

7 / 36

Mitten in ... Peking

Einmal im Jahr ist Peking ein Traum. Zu chinesisch Neujahr. Dann wenn eine Milliarde Chinesen auf Reisen gehen. Wer dann in Peking bleibt, der sitzt quasi im Auge des Taifuns: absolute Windstille. In diesem Jahr war - bis zur Böllerei wenigstens - der Himmel tiefblau, die Luft sauber. In den Hutongs hängt die rote Unterwäsche zum Trocknen aus, die vor Unglück schützt: Im vergangenen Jahr, dem Jahr des Pferdes, mussten die Pferdemenschen sie tragen, jetzt werden sie weitergereicht an die Ziegen und Schafe. Die Straßen eine Fata Morgana fast: keine Autos, keine Leute. "Wahnsinn, kein Mensch hier", entfuhr es uns gestern im Zentrum der Stadt. "Doch", krähte unser Sechsjähriger aufgeregt: "Da hinten, da ist einer!" Und tatsächlich: Da war einer, er überquerte gemütlich die Kreuzung. Ein Chinese, mitten in Peking.

Kai Strittmatter

SZ vom 20. Februar 2015

Zahl der Durchfallkranken steigt - Ursache unbekannt

Quelle: Ingo Wagner/dpa

8 / 36

Mitten in ... Zingst

Ein Wohlfühltag geht zu Ende, der Körper ist bereits im Standby und die Speisenfolge fürs Abendessen glücklicherweise vorgegeben. Im Restaurant des Hotels: Menschen mit Ruhepuls und einem Uns-geht-es-gut-Glitzern in den Augen. Als letztes brummt jene Dame herein, die zuvor schon im Großraum Sauna das Reich der Ruhe zu einem der Unruhe gemacht hatte. "Guten Abend", sagt der Oberkellner. "Wissen Sie, ich habe Unverträglichkeiten. Ohne Ende!", antwortet sie triumphierend. Knappe fünf Minuten geht man zusammen die Karte durch, diskutiert Abweichungen, immer wieder sagt sie: geht nicht. Kellner: "Mal so gefragt, was können Sie denn essen?" Sie: "Im Grunde gehen nur Möhrchen." Er, erschöpft: "Möhrchen?" Sie, glücklich: "Möhrchen." Kellner geht ab, sein Auge scheint zu zucken. Man liest darin: Unverträglichkeit. Ohne Ende.

Cornelius Pollmer

SZ vom 20. Februar 2015

-

Quelle: AFP

9 / 36

Mitten in ... Paris

Eine Karte soll versandt werden, per Post. Der Empfänger will es so, es geht um die Anmeldung zu einem festlichen Anlass. Ganz alte Schule. Also muss auch eine richtige Briefmarke her, kein Aufkleber aus dem Automaten. Der Mann am Postschalter sagt: "Natürlich habe ich eine schöne Marke! Allerdings nur ein Motiv." Er nimmt die Karte und blickt auf den Adressaten: "Botschaft der Bundesrepublik Deutschland". Da stammelt er: "Pardon, ich habe doch keine Marke für Sie." - "Aber warum denn nicht?" Geniert kramt der Mann das Postwertzeichen hervor. "Ich glaube", sagt er, "das käme nicht gut an." Es ist eine Marke zum Gedenken an den Ersten Weltkrieg, darauf grimmige Soldaten in Blau-Weiß-Rot. Der Postler will einen Eklat vermeiden. Aber die Marke kommt auf die Karte. Das hält der Botschafter bestimmt aus. Alte Schule.

Leo Klimm

SZ vom 13. Februar 2015

Man riding bicycle portrait model released PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY 00009DJ

Quelle: imago/Westend61

10 / 36

Mitten in ... Hamburg

Heimkehrer, kommst du zurück nach Deutschland, dann sieh dich vor. In Südamerika zum Beispiel mögen Auftragskiller und Drogenbarone wüten, Stadtbusfahrer und Stechmücken. In Hamburg dagegen kommt die Gefahr auf zwei Reifen daher, und zwar zu jeder Uhrzeit und aus jeder Richtung. Radelnde Hamburger rasen selbst in Winternächten wie blutrünstige Moskitos heran. Es scheint ihnen nie zu kalt, zu nass oder zu dunkel zu sein. Sie haben es immer eilig und schieben Fußgänger notfalls wie Slalomstangen beiseite, begleitet von schreckhaftem Geklingel. Widerstand ist aus Sicherheitsgründen zu vermeiden. Im Sommer werde ich mich dem Peloton eventuell anschließen. Bis dahin trägt man als ungeübter Fußgänger statt Mütze besser Helm, drückt sich an Häuserfronten entlang und springt rechtzeitig in Deckung.

Peter Burghardt

SZ vom 13. Februar 2015

Delfin

Quelle: Daniel Karmann/dpa

11 / 36

Mitten in ... Sataya

Als kritische Konsumenten aus Deutschland haben wir selbstverständlich gelernt, allzu verlockenden Angeboten im Urlaub zu misstrauen. Zum Beispiel dem hier: "Tagesausflug: Schnorcheln mit Delfinen am Riff von Sataya! Einmalige Erfahrung!" Bei der zweistündigen Bootsfahrt übers Rote Meer frotzeln wir die Erwartungen runter. Er: "Zwei Delfine. Wenn's hoch kommt." Ich: "Drei, aber einen Kilometer weit weg." Am Riff sagt der Divemaster: "Jump." One, two, three, wir setzen die Masken auf und springen - mitten in die Delfine hinein. Es sind ungefähr hundert, eher mehr. Eine Stunde lang sehen wir ihnen dabei zu, wie sie ihre Formationen bilden, miteinander spielen, uns umkreisen, zum Anfassen nah, alles unterlegt von einem ausgelassenen Keckern und Fiepen. Es ist, nennen wir es ruhig beim Namen: eine einmalige Erfahrung.

Tanja Rest

SZ vom 13. Februar 2015

-

Quelle: Andreas Pohlmann

12 / 36

Mitten in ... München

Ein Abend im Residenztheater. Es brodelt auf der Bühne, das Stück "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" ist in vollem Gange, die Schauspieler keifen und ätzen, dass man es kaum aushalten mag. Da bricht Panik im hintersten Teil des Parketts aus, ein Zuschauer bricht zusammen. "Ein Arzt, ein Arzt!", schreien drei Reihen auf einmal - und damit gegen die Schauspieler an. Ein älteres Paar, in der Mitte des Saals platziert, ist irritiert: "Gehört das zum Stück?" Das Brüllen von hinten wird lauter, irgendwann ist es auf der Bühne still. Nachdem der Mann draußen versorgt ist, alle Köpfe nach vorne zurückgedreht sind, müssen sich die Schauspieler noch sammeln, um den dritten Akt zu Ende bringen zu können. Plötzlich ruft jemand in genervtem Tonfall in die Stille: "Weiter!" Im Wilden Westen hätte man jetzt den Nächsten aus dem Theater getragen.

Julia Rothhaas

SZ vom 13. Februar 2015

Die Wok-Küche: Viel Gemüse und wenig Fett machen sie so gesund

Quelle: Jens_Schierenbeck/picture-alliance /gms

13 / 36

Mitten in ... Kiew

Kontraktowa-Platz in der Unterstadt, seit Stunden nichts gegessen. Überall Schnellimbisse und Kaffeekioske. Ich entscheide mich für Exotisches: "Wok spezial". Warum nicht mal in der Ukraine was Fernöstliches statt West-Burger? Der Koch, aus Donezk zugereist, lässt Ei stocken, dann brät er Tofu an. Pilze oder Sprossen? Glasnudeln, Reis? Mit aufreizender Langsamkeit werden Zutaten ausgewählt. Will der Typ sich einen Stern erkochen? Der Wind ist eisig, in den Frittenbuden rundum haben es die Leute warm. Der Mann aus Donezk doziert über scharfe Saucen und jene, die Feuer im Bauch entfachen. Ich hätte lieber überhaupt was im Bauch. Die Füße frieren am Asphalt fest. Ist das ein Separatisten-Anschlag auf eine EU-Bürgerin? Kurz vor dem Erfrierungstod: bester Wok-Mix aller Zeiten. Von einem Lebensretter aus dem Donbass.

Cathrin Kahlweit

SZ vom 6. Februar 2015

-

Quelle: imago stock&people

14 / 36

Mitten in ... Chamois

Ein Dorf auf 1800 Metern im Aostatal. Keine Straße führt hier herauf, nur eine Seilbahn. Was die Leute wohl machen, wenn sie nachts dringend einen Arzt brauchen? Während man sich das fragt, kommt, tatsächlich: die Übelkeit. Erbrechen. Fieber. Schüttelfrost. Allein im Hotelzimmer, unter einer straff gespannten Wolldecke, die vielleicht am Mittelmeer reicht, aber nicht hier. Mit letzter Kraft ruft man die Rezeption an. Federbett? "Weiß ich nicht." Thermoskanne? "Haben wir nicht." Wärmflasche? "Mal schauen." Die junge Rezeptionistin wirkt überfordert. Und jetzt? Skimontur anziehen? Da klopft es an die Tür. Es ist die Putzfrau, lächelnd. Sie bringt ein Federbett, eine Wärmflasche, sogar Paracetamol. "Ach, dieses Virus hatten hier viele", sagt sie, "ist nach einem halben Tag vorbei." Wer braucht schon Ärzte, wenn es solche Putzfrauen gibt.

Hans Gasser

SZ vom 6. Februar 2015

Sachsen führt bei Polizeisport in Deutschland das Kommando

Quelle: Arno Burgi/picture alliance/dpa

15 / 36

Mitten in ... Leipzig

Die Staatsgewalt frühstückt Müsli. Am Abend zuvor trugen die Polizisten noch Vollvisierhelme und Schutzwesten, in Leipzig fand ja wieder eine dieser Legida-Demonstrationen statt. Auch diesmal war ein Wall von Beamten in Vollschutzausrüstung zur Sicherung aufgeboten worden. Mehrere Hundertschaften aus allen Bundesländern waren im Einsatz. Keine Vergnügungsreise. Am nächsten Morgen im Frühstückssaal sind sie alle wieder da: am Kaffeeautomaten, beim Müsli, an der Käsetheke. Sitzen, stehen, kauen, alle in dunkelblauen T-Shirts mit dem "Polizei"- Schriftzug auf dem Rücken, allerdings ohne Vollvisierhelme und Schutzbekleidung. Und man erkennt, es stecken ja doch sympathische Menschen hinter der Ausrüstung, keine anonyme Staatsmacht. Surreal ist das nur, wenn man der einzige zivile Gast im ganzen Hotel ist.

Manuela Schroeder

SZ vom 6. Februar 2015

Hubschrauber

Quelle: Karl-Josef Hildenbrand/picture alliance/dpa

16 / 36

Mitten in ... Courchevel

Mittags im Lift. Eine Teenager-Blondine erklärt ihrem Privatskilehrer in russischem Englisch, dass es für heute genug sei mit Skifahren: Sie müsse noch auf eine Party. Darauf der Skilehrer: "Ist doch ewig hin bis Abend", und er kriegt ja 410 Euro für den Tag. Geld? Pff. Es gibt hier Gäste, die zahlen für ein Chalet samt Koch, Friseur und Butler pro Woche 400 000 Euro, eine Nacht in der Penthouse-Suite eines der 16 Fünf-Sterne-Hotels kostet 35 000 Euro, und beim Après-Ski lassen sich Schnösel einen Zehner-Pack Schampus servieren, nur um ihn ins Volk zu spritzen. So verwundert es dann kaum, dass die Party der jungen Blonden aus dem Lift in Moskau steigt. Der Skilehrer blickt fragend. Sie: "Mit dem Heli von Papa nach Genf und von dort nach Moskau. Morgen früh bin ich zurück, aber da brauchst du nicht zu kommen. Da schlafe ich aus."

Thomas Becker

SZ vom 6. Februar 2015

-

Quelle: imago stock&people

17 / 36

Mitten in ... La Gomera

La Gomera, das alte Hippie-Versteck, ist ein bisschen anders als die anderen Kanaren-Inseln. Etwa am Strand des Valle Gran Rey, wo immer noch Aussteiger in Höhlen leben und im Sand nach Verwertbarem suchen. Eine Statue des Guanchen-Rebellen Hautacuperche wacht über die Uferpromenade. Einst hat er einen Aufstand der Ureinwohner gegen die spanischen Besatzer angeführt. Heute ist der Bronzekerl ein beliebter Treffpunkt. Eine Gruppe Touristen will von hier aus zur Fahrradtour starten. Darunter eine ältere Engländerin, die Mühe hat, auf den Sattel zu steigen. Ob er ihr helfen solle, fragt der Guide. Sie: "Ja, bitte, ich mache das zum ersten Mal." Der Guide ist verblüfft: "Wie? Aber Sie haben doch eine Radtour gebucht." "Ja, ich wollte schon immer mal Rad fahren." Hautacuperche würde sich wahrscheinlich gerne wegdrehen, aber er kann ja nicht.

Jochen Temsch

SZ vom 30. Januar 2015

Kampagne wirbt um junge Blutspender

Quelle: dpa

18 / 36

Mitten in ... Winhöring

Aaaah! Aderlass. Ignoranten nennen es Blutspende. Aber Blutspende klingt so sozialdemokratisch: Tue Gutes. Aderlass hingegen: aristokratisch. Es hört sich nach dem an, was es ist. Wellness. Danach fühlst du dich wie ein Daunenkissen. Allerdings stört das Ambiente, in dem der Aderlassdienst des Roten Kreuzes in der Provinz Station macht. Schulturnhallen, Pfarrsäle. Wer den Abfluss der Körpersäfte genießen will, muss die Augen schließen. Dann rückt aber das Personal an: "Ein Mann ist bewusstlos!" Das Musikzimmer der Grundschule von Winhöring ist im Landkreis Altötting der einzige Raum, der apart genug gestaltet ist für den Aderlass. Eine Frau mit einem unfassbar dezenten Lippenpiercing streichelt die Nadel in die Vene. "Fühlen Sie sich gut?" - "Wunderbar." Weiter unterhalten will sie sich nicht. Sie will nur eins. Blut.

Rudolf Neumaier

SZ vom 30. Januar 2015

-

Quelle: AFP

19 / 36

Mitten in ... Uyuni

Der "Aeropuerto Internacional de Uyuni" in Bolivien trägt den bezaubernden Namen "Joya Andina", Juwel der Anden. Das ist höchstens halb geschwindelt. Die meisten Juwelen sind ja klein und schön. Und klein ist dieser Flugplatz allemal. Pro Tag landen hier vier Maschinen, die alle aus La Paz kommen. International sind an diesem internationalen Airport vor allem die Fluggäste, Bolivianer fahren mit dem Bus. Wenn man nun nach La Paz einchecken möchte und deshalb auf die Tür mit dem Schild "Salidas", Abflüge, zusteuert, wird man vom Sicherheitspersonal des Andenjuwels höflich zurückgepfiffen. Man müsse die Tür für "Llegadas", Ankünfte, benutzen. "Die haben die Schilder verkehrt herum aufgehängt", sagt der Beamte. Auf der Südhalbkugel funktioniert fast alles verkehrt herum, das sollte man sich vielleicht einfach mal merken.

Boris Herrmann

SZ vom 30. Januar 2015

-

Quelle: SZ

20 / 36

Mitten in ... München

In Indien oder Japan mag man das anders sehen, aber nach münchnerischem Ermessen ist die Tram voll. Drei Kinderwagen, wo nur zwei stehen dürfen, dazu Männer mit Rollkoffern, die Frauen ohne Rollkoffern auf den Zehen stehen. Nicht mal aus bösem Willen, sondern weil es anders offenbar nicht geht. Nach drei, vier Blickwechseln beginnt jedoch eine eilige, aber überhaupt nicht hektische Betriebsamkeit. In die Menge kommt Bewegung. Mütter verkeilen ihre Kinderwagen, Körper drehen und verwinkeln sich ineinander. Und nach ein paar Sekunden, gerade ehe die Türen der Tram wieder schließen, ist doch noch Platz für einen vierten Kinderwagen. "Wofür haben wir sonst früher alle Tetris gespielt?", sagt die Frau, die die Rochade in Gang gesetzt hat. Sage noch einer, Computerspiele machten dumm und aggressiv.

Stefan Fischer

SZ vom 30. Januar 2015

Mitten in Amman

Quelle: Steinke

21 / 36

Mitten in ... Amman

Saturday Night Fever am Dienstagmorgen: Auf der Kreuzung zweier Verkehrsadern der jordanischen Hauptstadt wirft ein Verkehrspolizist seinen Arm schräg in die Höhe, so rasant, dass der ganze Körper hinterhergezogen wird. Die Hüfte wackelt. Der Uniformierte dreht eine Pirouette. Er bleibt auf beiden Füßen stehen und reckt, einer wartenden Wagenkolonne zugewandt, zwei Daumen nach oben. Grün. Es kann losgehen. Leute winken. Autos setzen sich in Bewegung. Busfahrer hupen. Schon seit dem 15. Januar 1976 versieht der Polizist Hazza Thuneibat, 65, an dieser Stelle seinen Dienst, "bei jedem Wetter, ich liebe den Regen, ich liebe den Schnee". 2007 haben sie ihn in Rente geschickt, aber der König persönlich habe dann beim Innenminister darum gebeten, dass er zurückkomme. Und wieder nimmt er die Autoparade ab. Salutierend.

Ronen Steinke

SZ vom 23. Januar 2015

Qatar 2015 Feature

Quelle: dpa

22 / 36

Mitten in ... Doha

Ein Hotelparkplatz am Rande von Doha, Geländewagen neben Geländewagen, und in einem der riesigen Geländewagenschatten steht auf einmal ein Mann mit hochgezogener Dischdascha. Die riesige Geländewagentür ist offen, die Beine sind nackt. Ein paar Meter weiter fließt und stockt und fließt und stockt der mehrspurige Stadtverkehr, ein Geländewagenschatten hetzt hinter dem anderen her, es ist der tägliche Kampf auf der Straße. Die Männer in Katar pflegen ein intimes Verhältnis zu ihren Autos, ein Mann ist, was er fährt, größer und schneller wollen sie in ihren Autos sein. Kein Mann, der es sich leisten kann, läuft in Katar auch nur einen Meter mehr als nötig. Und jetzt steht da also der Mann im Geländewagenschatten, mit hochgezogener Dischdascha, selbst die autositzgeformten Oberschenkel sind zu sehen. Er pinkelt an die Hintertür.

Benedikt Warmbrunn

SZ vom 23. Januar 2015

Paul Westermeier in "Die Umwege des schönen Karl", 1938

Quelle: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo

23 / 36

Mitten in ... Rio de Janeiro

Im Fischrestaurant am Hafen von Rio gibt es heute keinen Fisch. Vielleicht sind deshalb nur drei Gäste da. Zwei Kellner kümmern sich um ihr Wohl, ein Spanier und ein Chilene. Das heißt, sie reden eher. Pausenlos. Der Spanier, etwa Mitte 70, unterhält gerade den Nachbartisch. Der Chilene, etwa Mitte 50, berichtet derweil dem deutschen Gast, er habe in der Guerilla gegen Pinochet gekämpft, danach die Flucht, harte Zeiten. Aber dafür habe er eine Frau aus Rio geheiratet. Alles Schlechte habe eben auch sein Gutes. Nach einer halben Stunde bringt der Spanier das bestellte Mineralwasser, während der Chilene zum Nebentisch wechselt. Jetzt spricht der Spanier. Über den Papst (salbungsvoll). Über die brasilianische Politik (kritisch). Der Chilene bringt die Rechnung. Er sagt: "Hören Sie nicht auf diesen Spanier, der redet nur und arbeitet gar nichts."

Boris Herrmann

SZ vom 23. Januar 2015

Lokführerstreik - Berlin

Quelle: Wolfgang Kumm/dpa

24 / 36

Mitten in ... Berlin

Berlin, das ist Stress in allen Formen, wenn es um den öffentlichen Nahverkehr geht. Die eine S-Bahn fährt nicht, weil gerade wieder eine Weltkriegsbombe entschärft werden muss. Die andere, weil sich, so die Durchsage, "Betrunkene auf den Gleisen befinden". An der Haltestelle am Kurfürstendamm, wo man in den Bus steigen will, ist es auch nicht besser. Berlin, das ist 45 Minuten auf einen Bus zu warten, der alle sieben Minuten fahren sollte. Es ist kalt und regnet, im Wartehäuschen wird es immer voller. Genervte Berufstätige, weinende Kinder, alle streiten und schimpfen. Und dazwischen ist diese alte Frau. Sie zieht eine Schachtel aus ihrer Einkaufstasche und fordert die Leute rundherum auf, sich daraus zu bedienen. "Edle Tropfen in Nuss" steht auf der Packung. Leute, die ihre Schnapspralinen mit allen teilen - auch das ist Berlin.

Verena Mayer

SZ vom 23. Januar 2015

Strand in Netanya nahe Tel Aviv, Israel

Quelle: AFP

25 / 36

Mitten in ... Tel Aviv

Am Strand von Tel Aviv. Der Himmel ist stahlblau, die Sonne wärmt mild, Miniwellen locken ins glasklare Meer. Traumwetter, aber: Kein Mensch am Strand außer uns beiden. Es ist der letzte Tag im alten Jahr, also Dezember, und Dezember bedeutet für Israelis: Winter. 20 Grad sind es, und überall laufen Israelis in Ugg Boots und Daunenjacken herum. Eine sonnenbebrillte Frau führt ihren Irish Setter auf der Strandpromenade spazieren - und trägt sogar Handschuhe! Wir schwimmen im Meer, vielleicht zwanzig Minuten lang, und als wir zu unserer Handtuchinsel zurückkehren, steht vor uns ein Surfer, der sich in einen Neoprenanzug zwängt. "Kann es sein, dass ihr aus Deutschland kommt?", fragt er. Wie er das erraten hat? "Nur Deutsche sind so verrückt und baden bei solchen Temperaturen halbnackt im Meer."

Thorsten Schmitz

SZ vom 16. Januar 2015

Skitour Schitour Ski Winter

Quelle: Oliver Weber - Fotolia

26 / 36

Mitten in ... München

Dauernd sortieren sie alles um in meinem Lieblingssportladen. Da kennt sich doch keiner mehr aus. "Entschuldigung, wo finde ich denn Tourenschuhe?" Die junge Dame am Infostand schaut mich an, als sei ich ein Zeitreisender, der im späten 19. Jahrhundert aus Versehen in ein Wurmloch geraten ist und mitten in den Winterschlussverkauf 2015 geschleudert wurde. Aus ihren Augen spricht Mitleid. "Turnschuhe? Das sagt man heute nicht mehr." Es folgt ein kleiner dadaistischer Dialog. "Wieso? Tourenschuhe?" "Tut mir leid, Turnschuhe verkaufen wir nicht." "Doch. Die letzten habe ich auch bei Ihnen gekauft." "Turnschuhe ist zu ungenau. Es gibt Laufschuhe, Fitnessschuhe, Basketballschuhe, Tennisschuhe. . ." "Tour-ren-schu-he! Schuhe für Skitouren." "Ach so. Die sind jetzt im vierten Stock." Vielleicht sollte ich einen Anti-Nuschel-Kurs belegen.

Titus Arnu

SZ vom 16. Januar 2015

Händewaschen

Quelle: Imago

27 / 36

Mitten in ... London

Während Modewochen ist es denkbar schwer, überhaupt irgendwo reinzukommen. Türsteher und Platzanweiser verwalten die Gästelistenplätze der wichtigsten Schauen, Clubs und Restaurants peinlichst genau. Wer schließlich drin ist, ist meist dazu angehalten, dort zu sitzen, wo es der Veranstalter vorgesehen hat. In London, zur Fashion Week der Männer, stehen die Platzanweiser jetzt sogar schon vor den Toiletten. Während eines Events von Burberry im 5-Sterne-Hotel "The Connaught" bringt ein extra dafür abgestellter Mensch den notdürftigen Gast aber nicht nur zum Klo. Er wartet danach auch vorm Waschbecken, um ihm das Wasser anzustellen, die Flüssigseife zu dosieren und die Hände abzutrocknen. Natürlich will er Trinkgeld dafür - in einen kleinen Teller auf einer Anrichte. Wenigstens das ist noch so wie auf der Autobahnraststätte.

Dennis Braatz

SZ vom 16. Januar 2015

Darth Vader Star Wars

Quelle: AP

28 / 36

Mitten in ... Seester

Im Kindergarten im Dörfchen Seester bei Elmshorn haben sie über Lehrer, Ärztinnen und Astronauten gesprochen. Jetzt möchte der Sechsjährige auch wissen, womit sein Vater Geld verdient. "Papa, was machst du eigentlich auf der Arbeit?", fragt er seinen Vater. Der ist Rechtsanwalt und verteidigt Menschen vor allem dann, wenn sie Ärger mit ihren Banken haben. Unlautere Kreditbedingungen sind seine Spezialität. Jetzt grübelt er, wie er das seinem Sohn verständlich machen könnte. Dann kommt ihm eine Idee: "Ich kämpfe für Recht und Gerechtigkeit", sagt er stolz. Als der Vater am nächsten Morgen zur Tür hinaus will, guckt sein Sohn sehr kritisch: "Wohin gehst du, Papa?", fragt er. Die Antwort kommt prompt: "Ich geh zur Arbeit. Du weißt ja: Ich kämpfe für Recht und Gerechtigkeit." Der Sohn: "Aber du hast ja gar kein Schwert dabei."

Christina Berndt

SZ vom 16. Januar 2015

Für Pano Mitten in...

Quelle: Laura Hertreiter

29 / 36

Mitten in ... Cù Chi

Ein amerikanischer Tourist, nennen wir ihn Jack, spurtet durch den vietnamesischen Dschungel. Sportsonnenbrille, Sportschuhe, Strohhut. Der Rest der Reisegruppe versammelt sich um einen kleinen Tourguide. Der referiert über das Tunnelsystem unter seinen Füßen. Dort, auf 200 sehr engen, sehr heißen Kilometern hielten sich Partisanen, die Vietcong, im Vietnamkrieg versteckt. Es gab Küchen und Krankenhäuser, und überirdisch ein Netz an Fallen, um amerikanische Soldaten fernzuhalten. Plötzlich wird die Erzählung von vier lauten Schüssen zerrissen. Die Gruppe rückt zusammen. "Wird hier noch gekämpft?", flüstert eine Chinesin. Der Guide schüttelt den Kopf. Am Ende des Kriegsschauplatzes steht eine Schießanlage, wo Touristen für ein paar Euro auf einen Sandwall ballern können. Jack steht schon in der Schlange.

Laura Hertreiter

SZ vom 9. Januar 2015

-

Quelle: Ed Jones/AFP

30 / 36

Mitten in ... Venedig

Der Venedig-Besucher hangelt sich durch die Menschenmengen und passt auf, dass er weder auf Tauben noch in die Auslage der Straßenverkäufer auf dem Boden tritt. Dort lagen lange die sogenannten Splat Back Balls, ein schwabbeliges Rund mit Tiergesicht, das - auf den Boden geworfen - zu Brei wird und sich langsam wieder zusammenzieht. Doch sie haben Konkurrenz bekommen vom Selfie-Stick, einer Armverlängerung, an die man das Handy klemmt, um aus gebotener Distanz ein Bild von sich und im besten Fall einem Stück Venedig machen zu können. Ein deutsches Ehepaar besieht die Stöcke. "Heiiiiner", sagt die ältere Frau, "was is'n das hier?" Heiiiiner sieht etwas hilflos aus: "Ich glaube, das ist eine Aufhebhilfe. Wenn einem was runtergefallen ist und man sich nicht bücken will." Die Frau wirkt zufrieden: "Die Italiener, die sind ja so faul."

Julia Rothhaas

SZ vom 9. Januar 2015

Jogger in Köln

Quelle: picture alliance / dpa

31 / 36

Mitten in ... Hamburg

In der Nacht ist die Landschaft der Großstadt schöner als am Tag, deshalb führt der Großstadtjogger ein Nachtleben. Der Verkehr schläft, die Luft ist besser, die meisten anderen Großstadtjogger sind längst zu Hause, und in den Lichtkegeln der Laternen kann man zusehen, wie der eigene Schatten wächst und schrumpft, wächst und schrumpft. Um 23 Uhr geht's also los, von Pöseldorf runter zum Hafen an die schwarzgoldene Elbe und wieder zurück. Ein Stündchen im Rhythmus der Schritte, wunderbar. Einziger Nachteil: Man fällt auf. "Warum hopsen Sie denn so um diese Uhrzeit?", fragt die Frau, die nach Mitternacht ihr Restaurant am Mittelweg zusperrt. "Ich komme gerade vom Joggen. Ich hopse nach, zum Ausschnaufen." Seltsam, scheint die Frau zu denken. "Dann hopsen Sie mal schön", sagt sie, "aber verletzen Sie sich nicht!"

Thomas Hahn

SZ vom 9. Januar 2015

Cape Town 15 01 2014 Reise Südafrika Kapstadt Cape Town Lions Head

Quelle: imago/Sportfoto Rudel

32 / 36

Mitten in ... Kapstadt

Als ich mich mit beiden Händen an dem Felsvorsprung festhalten muss, um mit meinem rechten Fuß festen Tritt zu suchen, frage ich mich dann doch, was ich hier eigentlich mache. Es ist sonnig, einer der wenigen Tage in Kapstadt, an denen der Tafelberg keine Tischdecke hat - also nicht in Wolken gehüllt ist. Und weil nicht nur wir auf die originelle Idee kamen, gerade jetzt auf den berühmten Berg zu fahren, ist die Wartezeit vor der Seilbahn länger, als Nelson Mandela auf Robben Island saß. Was tun? "Lass uns auf den Lion's Head wandern", sagt mein Kumpel. Anderer Berg, gleiche Aussicht, weniger Menschen. Also gut. Von der Steilwand, dem Felsvorsprung und der Stelle, an der man 50 Meter abrutschen kann, ahnen wir noch nichts. In unserem Reiseführer stand: "Auf den Gipfel führt ein ambitionierter Wanderweg."

Martin Schneider

SZ vom 9. Januar 2015

Brezen beim Bäcker

Quelle: Tobias Hase/dpa

33 / 36

Mitten in ... München

In der Tagesorga ist "Brot holen" der letzte Punkt auf der To-do-Liste. Also auf dem Heimweg vom Termin noch schnell beim Bäcker rein. Der Tag war jung und sportlich, jetzt stehen zwei Rentner vor mir in der Schlange und bremsen ihn aus. Das Just-in-time-Abendbrot gerät in Gefahr. Der ältere Herr kramt in aller Seelenruhe in seinem Geldbeutel. Die Schweden kommen mir in den Sinn, die jetzt schon Obdachlose mit Kartenlesegeräten ausstatten. Bargeldloses Zahlen, ein Traum an Effektivität. Da hebt der Rentner den Kopf und schiebt der Verkäuferin lächelnd den Geldbeutel rüber: "Machen Sie das mal. Das dauert bei uns Grufties ja immer so lange." Die alte Dame hinter ihm lacht und nickt zustimmend. Im Rausgehen dreht sich der alte Herr noch einmal für ein Statement um: "Lieber Grufti als Komposti!" Und schon bin ich dran.

Lisa Rüffer

SZ vom 2. Januar 2015

JUNGE SPRINGT VON EINEM PANZER AUF DEN NÄCHSTEN

Quelle: SZ

34 / 36

Mitten in ... Berlin

Performance-Abend im Kunstwerke-Museum vor einigen Tagen. Die Künstlerin Käthe Kruse betritt die Bühne, zusammen mit ihren Töchtern Edda und Klara. Alle drei schwarz gekleidet. Edda trommelt, Klara trägt einen Text vor - und Käthe Kruse liest im Stakkato von einer Endlosrolle Papier ab. Auf dem Papier hat sie sämtliche Kriege seit unserer Zeitrechnung aufgelistet. Käthe Kruses Stimme wird rau, nach 20 Minuten ist sie erst bei den Kriegen im 16. Jahrhundert. Eine Besucherin: "Wahnsinn, dass die Welt noch nie ein Jahr ohne Krieg erlebt hat." Ihr Begleiter: "Vielleicht verzichtet Merkel dieses Jahr mal auf ihre Neujahrsansprache und trägt stattdessen einfach nur die Kriegsliste vor." Diesmal ist es bekanntlich beim Wunsch geblieben. Aber vielleicht 2016? An weiteren Einträgen wird es der Liste jedenfalls nicht mangeln.

Thorsten Schmitz

SZ vom 2. Januar 2015

Winter in Sachsen

Quelle: dpa

35 / 36

Mitten in ... Schliersee

Zu Zwecken winterlicher Familientreffen werden oft Grenzen überschritten. Auch zwischen Ländern, die einen recht unterschiedlichen Zugang zum Thema Winterreifen haben. Großbritannien und Oberbayern, in diesem Fall. Ein 34-Jähriger, der mit einem sommerbereiften Porsche Carrera von London nach Schliersee gereist ist, steht not amused auf dem dortigen Penny-Parkplatz. In 30 Zentimeter Schnee. "Ich bin sehr überrascht", sagt er, "dass sich das Auto gar nicht mehr bewegt." Es bewegt sich tatsächlich keinen Millimeter. Auch dann nicht, als der junge Mann beherzt Vollgas gibt, als die Familie hinten anschiebt. Schließlich helfen wir beim Winterreifen-Bestellen. Das dauert für dieses Auto: zwei Wochen. Immer noch besser, als bei einer cup of tea auf die undatierbare Schneeschmelze zu warten, raten wir ihm. Auch im Sinne der Familie.

Birgit Lutz

SZ vom 2. Januar 2015

Cambodia's famous Angkor Wat temple is reflected in a pond during sunrise in Siem Reap

Quelle: REUTERS

36 / 36

Mitten in ... Angkor

Die Sonne sticht herab auf die Tempel von Angkor, die versunkene Welt, die der ganze Stolz Kambodschas ist. Die Silhouette von Angkor Wat prangt auf der Landesflagge; den Namen Angkor tupfen die Kambodschaner wie Goldstaub auf alles, was der Veredelung bedarf: Zigaretten und Bier, Hotels und Bars ("Angkor what?!"). Unter einem Baum hat ein lokaler Tourguide seine englische Gruppe für eine Einführung versammelt. Der Mann hat einen gewissen Mut zum Pathos mitgebracht. "Dieser Ort ist das größte Menschenwerk zu Ehren Gottes. Dieser Ort ist die Wiege der Zivilisation." Mit jedem Wort wird seine Stimme feierlicher: "Dies ist der Ort, an dem das Herz meines Volkes schlägt. Dies ist der Ort, an dem unsere Seele zu Hause ist." Dramatische Pause vor dem großen Finale. "Dies ist der Ort, an dem Angelina Jolie 'Tomb Raider' gedreht hat."

Roman Deininger

SZ vom 2. Januar 2015

© SZ/ihe
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: