Mitten in Absurdistan:Ich schau' Dir in die Augen, Kleiner!

Unter Beobachtung in München, kinderlieb in St. Petersburg und gut bei Stimme in Würzburg - kuriose Erlebnisse von SZ-Autoren.

1 / 39
(Foto: dpa)

Mitten in ... München Wer im Glashaus sitzt, sollte manchmal rausschauen. Speziell wenn es der 22. Stock eines Büroturms am Rande Münchens ist. Ewig unzufriedene Kollegen jammern ja gerne, hier sei nichts los. Das stimmt aber nicht. Schon gar nicht aus ornithologischer Sicht. Denn der 99 Meter hohe Turm wird sehr gut angenommen. Abgesehen von Rabenkrähe und Mauersegler ist in dieser Höhe besonders der Turmfalke heimisch. Er nutzt die Thermik an den Glasplatten. Häufig fliegt er so nahe vorbei, dass man ihm in die Augen schauen kann. Vor zwei Tagen schoss er direkt auf die Glasscheibe zu, man musste befürchten, er zerschelle daran. Weit gefehlt. In Fußhöhe der im Glaskäfig gefangenen Büroarbeiter krallte er sich an die Fassade. Etwa drei Minuten beobachtete er das Treiben, dann schwang er sich wieder in die Freiheit. Falke müsste man sein. Hans Gasser, SZ vom 24./25.7.2010

2 / 39
(Foto: Reuters)

Mitten in ... London Im Flugzeug nach London. Mein Sitznachbar, ein distinguierter Engländer Mitte 50, starrt gebannt auf die Nackenstütze vor ihm. Oder auf das, was sich darüber auftürmt: zwei etwa 40 Zentimeter hohe Berge aus glänzend blondem Haar, fixiert mit geschätzt einer Dose Spray. Getrennt sind die Berge von einem Tal längs des Scheitels, durch das sich ein daumendicker Julia-Timoschenko-Zopf windet. Träger der Turmfrisur: ein etwa 25-jähriger Mann mit Bart. Mein Sitznachbar starrt immer noch. Auf ein - etwas plumpes - Grinsen, das stilles Einverständnis zwischen uns herstellen soll, reagiert er nicht. Sein Blick klebt förmlich an diesen Haaren des Vordermannes; man sieht, wie es in ihm arbeitet. Schließlich nimmt er einen Stift, schreibt etwas auf die Titelseite seiner Herald Tribune und reicht die Zeitung kommentarlos herüber, die Augen schon wieder nach vorn gerichtet. "It's different, isn't it?", steht dort. Marten Rolf, SZ vom 26./27.6.2010

3 / 39
(Foto: dpa)

Mitten in ... Berlin Das Foyer des Gropiusbaus in Berlin hat der dänische Künstler Olafur Eliasson bis unter die Decke verspiegelt. Schwer zu sagen, wo der Raum beginnt, wo er aufhört. Die Seitenwände scheinen ins Unendliche zu kippen. Was ist hier Spiegelung, was ist real? Vielleicht kann der Sicherheitsmann helfen. "Ich stehe hier täglich stundenlang", sagt er. Seine Stimme zittert. "Das ist, äh, überhaupt kein Problem für mich." Man hatte ihn nicht danach gefragt. "Das ist ja alles nicht real." Kurzes Schlucken. Er starrt auf den Boden, den einzigen nicht verspiegelten Teil des Raums. "Ich komme hier klar", sagt er. Seine Augen zucken, er reibt sich die Schläfen, Millionen Mal gespiegelt an allen Wänden. "Das bin alles nicht ich", sagt er, "alles ist ok." Er schaut dem Besucher ins Gesicht. "Oder nicht?" Man hat es recht eilig, in den nächsten Raum zu gehen. Johannes Boie/SZ vom 26./27.6.2010

4 / 39
(Foto: AP)

Mitten in ... Moskau Die Hauptstadt kocht. Seit Wochen. Auf den Bürgersteigen sabbert Fußgängern das Wasser aus den Klimaanlagen auf den Kopf. Frauen versinken mit ihren Stilettos im schmelzenden Asphalt. Ärzte raten zum Verzicht auf Tabak und Alkohol - ein wahnsinniger, nur durch die Hitze zu entschuldigender Vorschlag. Von 30 Grad ist die Rede, von 40. Dubai liegt in Kreml-Nähe. Der Mensch sucht also Abkühlung, und er findet sie am Wasser. Das tut der Mensch überall, aber in Russland tut er es im Stehen. Stehende an Flüssen und Seen, vor Mauern, auf Waldlichtungen. Warum? Wollen sie der Sonne nahe sein, jeden Strahl nutzen, bevor der grausame Winter kommt? Lenkt sie ein archaischer Instinkt, um im Falle eines Angriffs schneller zu fliehen? Orthodoxe Gläubige beten im Stehen. Zeigt sich hier die tiefe Frömmigkeit? Quatsch, sagt Olga: Sie haben ihr Handtuch vergessen. Sonja Zekri/SZ vom 26./27.6.2010

5 / 39
(Foto: ddp)

Mitten in ... München Es klingelt. Rainer steht vor der Tür. Rainer lebt schon seit vielen, vielen Jahren mit Manfred zusammen. Gleich um die Ecke. Rainer schreibt Romane, und Manfred malt gern. "Hier", sagt Rainer und hält uns zwei Teller mit Plätzchen und Kuchen vors Gesicht. "Die sind nur für euch." Das ist ja nett! "Die sind noch übrig von der Hochzeit." Von der Hochzeit? "Ja", sagt Rainer. "Es war wunderschön. Wir haben ganz spontan geheiratet. Direkt am Englischen Garten. Es gab nur viel zu viel Kuchen." Also dann: Glückwunsch, Rainer! Und auch dem Gatten alles Gute! Wie geht es Manfred denn so? "Ähm", sagt Rainer, "nicht Manfred. Jindrich. Ich habe Jindrich geheiratet. Wir ziehen nach Paris." - Vielleicht sollten wir morgen mal bei Manfred klingeln. Wahrscheinlich könnte er ein Stück Kuchen gut vertragen. Martin Zips/SZ vom 26./27.6.2010

6 / 39
(Foto: dpa)

Mitten in ... New York Im High Line Park gibt es einen beliebten Sport: Glotzen. Auf der alten Hochbahntrasse im Meatpacking District sammeln sich Menschen und starren. Nach oben. Da ist ein Hotel mit Glasfront, dessen Gästen eine große Laxheit nachgesagt wird. Die einen sollen Pornos drehen, die anderen nackt Trampolin springen. Die Menschen unten starren. Die Menschen oben auch. Auf die Menschen unten. Die starren zurück. Worauf die oben sich, nun ja, expressiv geben. Samstagabends, sagt Hector im Diner nebenan, sieht man am meisten. Schon mittags starren sie. Oben tritt ein Mann im Bademantel ans Fenster, unten zoomen die Kameras. Tim Robbins schlendert vorbei, seit der Trennung von Susan Sarandon ein einsamer Wolf. Eine junge Frau begleitet den Schauspieler. Keiner bemerkt sie. Claudia Fromme, SZ vom 19./20.6.2010

7 / 39
(Foto: dpa)

Mitten in ... Moskau Glückwunsch, Olja hat jetzt einen Führerschein. Sie dachte ja schon, sie schaffe es nie. Es war ihr vierter Versuch, was weniger über Olja aussagt als über die ausgelegten Fallstricke. Auf einem japanischen Mittelklassewagen hatte sie geübt, in der Prüfung durfte ihre Gruppe dann aber wählen zwischen einem 35 Jahre alten Lada und einem 30 Jahre alten Lada mit schadhafter Kupplung. Einparken ohne Servolenkung. Beim ersten Mal fielen alle 25 Bewerber durch. Bei Oljas letzter Prüfung bestanden nur zwei von zwei Dutzend. Für einige war es sogar der siebte Anlauf, aber so weit wollte Olja es nicht kommen lassen - sie nahm für alle Fälle 400 Dollar mit. Zum Glück brauchte sie sie nicht; denn für den Preis haben viele den Schein auch ohne Fahrschule bekommen. Frank Nienhuysen, SZ vom 19./20.6.2010

8 / 39
(Foto: ddp)

Mitten in ... Rio de Janeiro Unverschämt schönes Wetter in Rio de Janeiro, dabei fängt am Montag im Süden der Winter an. 32 Grad heute, blauer Himmel, ein Tag für die Strände. Die Sonne knallt auf die Leinwände beim Fanfest an der Copacabana. Das Licht beleuchtet auch jene Plastikversion des WM-Pokals, der in Originalgröße unter anderem neben der Rezeption unseres Hotels auf einem Podest steht. Man macht sich unbeliebt mit dem Hinweis, dass das Original in diesem Jahr nach Buenos Aires gehen wird, Argentinien. Maradonaland statt Peléland. Jenen Super-GAU wollen die Brasilianer partout verhindern, sogar Voodoo-Figuren sollen die argentinische Messimannschaft verhexen. A Copa é nossa, der Cup kommt hierher, glaubt Brasilien. Wir werden sehen. Peter Burghardt, 19./20.6.2010

9 / 39
(Foto: AFP)

Mitten in ... Bremen Wieder so ein Gemälde auf dem Pflaster, man wäre vorbeigehastet, normalerweise. Aber es sind gerade Special Olympics, 4500 Sportler sind in der Stadt, und jetzt steht eine Gruppe vor dieser Fußgängerzonenskizze und fragt: Wer ist der Mann auf dem Bild? Warum trägt er ein Deutschlandtrikot? Also schaut man genauer hin und erkennt: ein irgendwie bekanntes Gesicht. Stefan Kießling? Wer sollte ausgerechnet den riesigen Stürmer aus Leverkusen auf die Straße malen - in Bremen? Also eher nicht Kießling! Die Athleten lassen nicht locker, bis der Künstler sein Geldkörbchen beiseite schiebt, darunter ist zu lesen: "Marko Marin". Der Bremer Dribbelzwerg! Wie Marin sieht das Gesicht aber gar nicht aus. In dem Korb liegen nicht ohne Grund erst ein paar Cent. Claudio Catuogno, SZ vom 19./20.6.2010

10 / 39
(Foto: AP)

Mitten in ... Berlin Party im Mauerpark. Es duftet nach Haschisch. Eine Gruppe tritt unvermittelt auf einen Platz, um den herum viele Menschen sitzen. "Wir machen eine Aufführung", sagt ein Mann. Es folgt eine Darbietung, in der ein Mädchen von einem weiß gekleideten Mann vor einer Meute gerettet wird. Kaum ist das Stück vorbei, sitzen wie zufällig junge Amerikaner neben den Feiernden. "Wie fandest du das Stück?", fragen sie. Schlechtes Schultheater, denkt man, aber die Frage war nur rhetorisch. Denn nun legen die Missionare richtig los: Die Meute war der Teufel, der weiße Retter Jesus. Und ab jetzt keinen Sex vor der Ehe mehr, bitteschön, und ob man eigentlich wisse, dass die Welt erst 5000 Jahre alt sei? Die Berliner zucken mit den Achseln, ziehen an den Joints. Es wird Abend. Die ersten knutschen. "Jesus vergibt euch", seufzen die Missionare. Johannes Boie, SZ vom 12./13.6.2010

11 / 39
(Foto: ddp)

Mitten in ... Shanghai Der Polizist mit dem Megafon brüllt. Ungehemmt quetschen sich Chinesen an ihm vorbei in die Schlange. Schubsen und schieben, Ziel ist der Deutsche Pavillon auf der Expo in Shanghai. Bei den Franzosen gegenüber warten Besucher in Würde, vor Deutschland herrscht Chaos. "Das ist täglich so", sagt eine Aufpasserin. Stunden später, drinnen geht das Geschubse weiter, etwa am Fotostopp. Drei rote Zipfelmützen von Gartenzwergen schweben im Raum: Wer es schafft, quetscht sich unter eine Haube. Lächeln. Foto. Weiter. Zu den Schneekugeln, vorbei an Blockheizkraftwerken, Deutschland muss toll sein. Das es politisch zurzeit nicht so toll läuft, weiß hier keiner. In einer Lounge hängen Fotos von Staatschefs. Dort lächelt Horst Köhler als Bundespräsident herab. Wie gut, dass wenigstens der deutsche Gartenzwerg nicht zurücktreten kann. Kristina Läsker, SZ vom 12./13.6.2010

12 / 39
(Foto: ddp)

Mitten in ... New York Früher wachte man mit dem Gezwitscher der Vögel auf, heute begleitet es einen ins Bett. Zumindest in New York, der Stadt, in der die Vögel niemals schlafen. Wenn der Fernseher abkühlt, die letzten Emails gecheckt sind, das Buch zur Seite gelegt, geht es los: das Piepsen, Singen, Tirilieren. Als sei es schon wieder Zeit, zur U-Bahn zu rennen. Vögel sind doch flexibler als man dachte. Das Brummen der Klimaanlagen, das Sirenengeheul, die knatternden Uralt-Trucks und der übrige Stadtlärm sind so laut, so die Erklärung von Wissenschaftlern, dass sie sich singend nicht mehr verständigen können. Also haben sie die Kommunikation in die Zeit verlegt, wenn die New Yorker ein bisschen Ruhe geben. Wie es ihnen am nächsten Morgen geht, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich brauchen sie, wie die anderen Stadtbewohner, erst mal einen starken Kaffee. Jörg Häntzschel, SZ vom 12./13.6.2010

13 / 39
(Foto: AP)

Mitten in ... Töging Ach, das oberbayerische Landleben ist großartig, wo soll man anfangen? Um allein die Versorgungs- und Sicherheitslage aufzuzeigen: Es gibt drei Töginger Metzgereien und keine Polizeiinspektion. In München oder Berlin ist das anders. Entsprechend viel wird gegrillt in Töging, entsprechend wenig gestohlen. Plötzlich aber ist das Fahrrad verschwunden. Am Bahnhofsplatz liegt nur das abgerissene Schloss. Die unermessliche Enttäuschung löst beim Nachhausegehen psychedelisches Grübeln aus: Hat das Wort Töging nicht etwas mit "to go" und "going" zu tun? Egal. Man soll ja nie aufgeben. Also ab ins Auto. Eine Stadtrunde. Da! In der Dortmunder Straße steht sie, die alte Kiste. Gleich bei der Metzgerei Kurz. In München oder Berlin wäre es aussichtslos, ein gestohlenes Rad zu suchen. Süßes Landleben! Leider hat die Metzgerei schon zu. Rudolf Neumaier, SZ vom 12./13.6.2010

14 / 39
(Foto: AP)

Mitten in ... Washington Der "Wisconsin Unisex Barbershop" ist ein schlichter Ort im eitlen Washington. Drei Friseurstühle, vier Spiegel, keine Anmeldung. Für 17 Dollar gibt's den Marines-Stoppelschnitt, der zivile Cut mit Schere macht drei Dollar extra. Nie nötigen die chinesischen Besitzer die Kunden zum Smalltalk. Diesmal aber ist Nancy da, die Tochter. Sie schneidet nicht nur für Geld, sie stuft und stutzt gegen die Ölpest: "Haar bindet Öl. Ein Pfund reicht für drei Liter!" Weil BPs Bohrloch viel Öl ausspuckt, braucht Nancy viele Haare. Ihre Kunden werfen täglich ein Pfund ab, "aber wenn alle Friseure in Amerika mitmachen und ihr Europäer auch helft, schaffen wir das." In New Orleans stopfen Freiwillige Nancys Beute in Schläuche, die sie als Barrieren vor die Salzmarschen legen. Daheim will die Tochter wissen, warum Daddy jetzt so kurze Haare hat. Christian Wernicke, SZ vom 5./6.6.2010

15 / 39
(Foto: dpa)

Mitten in ... München Der Regen hatte auch sein Gutes, kaum jemand wagte sich aufs Rad. Jetzt aber herrscht an der Isar wieder Krieg, die Radler haben mächtig aufgerüstet. Ohne Helm braucht sich hier niemand blicken lassen, und demnächst wird man sich nicht mehr ohne Ellbogen- und Knieschützer auf den Asphalt wagen. Im Kampf um ein paar Sekunden ist gerade schon wieder einer millimeternah vorbeigerast, laut klingelnd hat er sich den Platz für seine Überholspur gelegt. Ich spüre, dass jemand mir im Nacken sitzt, und trete reflexhaft in die Pedale, das kann ich mir schließlich nicht bieten lassen. Der andere lässt sich nicht abhängen. So geht das eine Weile, auf einmal überholt er und ruft: "Genug gestrampelt, ich bin dran." Der Fluch bleibt mir im Hals stecken, ich hänge mich in seinen Windschatten, wir fahren Tandem. So schön kann Frieden sein. Jeanne Rubner, SZ vom 5./6.6.2010

16 / 39
(Foto: dpa)

Mitten in ... Uppsala "Riesiger Rucksack! Ich weiß, warum ihr den dabei habt", sagt der schwedische Student: "Euroscheine. Ihr wollt sie hier ausgeben, bevor sie gar nichts mehr wert sind." Ein schadenfrohes Willkommen in Uppsala! Älteste schwedische Universitätsstadt, bekannt für die tolle Ausbildung in internationaler Politik. Leider. Hier wissen sie, wie es um uns steht. Die Schweden haben damals gegen den Euro gestimmt, was ihnen heute erlaubt zu spotten - und uns zwingt, Geld zu wechseln. Also einen Bankautomaten suchen und Kronen abheben. Die erste Kreditkarte: "Transaktion nicht möglich." Das Gleiche bei der zweiten. Da tippt er uns von hinten auf die Schulter, unser grinsender schwedischer Freund. "Wusstet ihr nicht, dass Schweden alle Transaktionen von unsicheren EU-Konten gestoppt hat?" Die dritte Kreditkarte funktioniert. Karin Prummer, SZ vom 5./6.6.2010

17 / 39
(Foto: AFP/Getty)

Mitten in ... Hamburg Pfeffersäcke können vieles nicht, aber feiern, das schon. Es ist taghell, als die letzten Gäste der großen Journalistenpreis-Sause aus dem Schauspielhaus wackeln. Die Stimme ist weg, aber der Hamburger im Hauptbahnhof schmeckt schon wieder. Zuhause in München dann der Schock: Der iPod ist weg, irgendwie aus dem Anzug geplumpst. Wer ihn nicht besitzt, kann das Drama kaum nachvollziehen. Wenige Dinge sind so intim wie die eigene elektronische Liedersammlung. Dann, nach einer Woche, kommt plötzlich eine E-Mail: "Ahoi nach München!" Jemand hat das Gerät gefunden, die Namenskennung gelesen und offenbar entschieden, dass der geladene Mischmasch aus Sinatra und Bushido nichts für ihn ist. Finderlohn? Nein, danke. Der junge Mann - SZ-Abonummer 6977076000 - hätte lieber ein "nettes Promotion-Gimmick". Marc Felix Serrao, SZ vom 5./6.6.2010

18 / 39
(Foto: dpa)

Mitten in ... Bad Hofgastein Aufguss in der Alpentherme Bad Hofgastein. Der Saunameister - mächtiger Bauch, dünne Beine - hat Orange-Mandarine als Duft mitgebracht, "a bissl was Belebendes, gell". Er gießt auf und wedelt mit dem Handtuch. Ein Gast unterbricht das Schnaufen des Saunameisters und fragt, was es mit dem Klangschalen-Aufguss auf sich hat, der auf einem Schild angepriesen wird. Der Saunameister erklärt. Erst gieße man Wasser mit Duftöl auf die heißen Steine der Saunaheizung, um dann neben jedem Gast mit einem Schlegel auf eine fernöstliche Klangschale zu schlagen. Dies löse etwas aus, "da fangst an zu schwitzen wia a Depp". Der Gast nickt. Aber, fährt der Saunameister fort, dies müsse man richtig machen und viele seiner Kollegen seien der korrekten Technik unkundig, "weils ned aufbasst ham, wia da Tibeter da g'wesen ist". Sebastian Herrmann, SZ vom 29./30.5.2010

19 / 39
(Foto: AP)

Mitten in ... Orlando Orlando - Welthauptstadt von Mickey Mouse, Pluto, Wasserrutschen, Zuckerwatte und grenzenloser Kinderliebe. Die reicht bis ins Kino: 20-Uhr-Vorstellung von "Avatar" in 3D. Das Auditorium füllt sich - mit Eltern, die ihre lieben Kleinen in Buggies durch die Reihen schieben und in Babywippen auf den Nebensitzen platzieren. Nach den ersten zwanzig Filmminuten tun die das, was man von Babys erwarten darf, wenn sie ohrmuscheldurchpflügenden Soundeffekten und geifernden Leinwandmonstern ausgesetzt sind: Sie brüllen. Erst eins, dann zwei, dann schreien fünf im Kanon um die Wette. So geht das, mit Pausen, bis zum Abspann. Nach der Vorstellung fragen verärgerte Zuschauer, warum Kleinstkinder in kinderuntaugliche Filme gelassen werden. Die Antwort der Kinobetreiberin: "Wir können doch keine Babys diskriminieren!" Viola Schenz, SZ vom 29./30.5.2010

20 / 39
(Foto: AFP)

Mitten in ... New York In New York, der Heimat von Bernie Madoff und den Lehman Brothers, wurden schon viele obskure Formen der Geldvermehrung geboren. Doch der Handel mit Parkplätzen war bislang unbekannt. Dafür gibt es nun die iPhone-App StreetParkNYC. Nicht die Parkplätze selbst werden verkauft. Die sind selbst in Manhattan meist kostenlos. Gehandelt wird mit Informationen. Sagen wir, ich suche an der Ecke Columbus Avenue und 69. Straße einen Parkplatz: Laut StreetParkNYC gäbe es in der Gegend etwas. Für fünf Dollar bekomme ich die genau Adresse. Der, der dort parkte und jetzt wegfährt, kassiert drei Dollar für die Information. Der Rest geht an Rufus Davis, der sich das Programm ausgedacht hat. In Brooklyn gibt es Roadify, ein idealistischeres Modell, das ohne finanzielle Anreize auskommt. Experten halten diesen Service allerdings für Unsinn: Ohne höhere Parkgebühren wird man New Yorks Parkprobleme nie lösen, sagen sie. Jörg Häntzschel, SZ vom 29./30.5.2010

21 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... KollmannsödWas ist denn in Kollmannsöd los? Ist hier in 50 Jahren überhaupt mal eine Polizeistreife aufgekreuzt? In Nöham dasselbe. In Doblham auch. Ein Polizeiaufgebot ist das, man könnte meinen, einen Terroranschlag gelte es zu vereiteln. Dabei gilt Niederbayern zumindest in dieser Hinsicht als sicher. Kein Mensch würde so friedliche Dörfer heimsuchen. Ein Stier ist unterwegs, heißt es! Ausgebüxt beim Einladen in den Transporter seines Bauern in Kühnham. Bis der Landwirt den Verlust bemerkte, war der Mastbulle im Wald von Kollmannsöd verschwunden. Deswegen die Polizeistreifen, den ganzen Tag. Das Tier könnte Unheil anrichten. Nur - wo ist es? In Wangham? In Eggersham? Am nächsten Morgen schaut der Kühnhamer Bauer in den Stall. Und da steht: der Stier. Wartet auf sein Mastfutter. Schmeckt wohl besser als frisches Gras von der Wiese.Foto: AP(Rudolf Neumaier / SZ vom 15./16.5.2010)

22 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... WienWer derzeit ins Wiener Museumsquartier kommt, dem fällt unweigerlich die Biermösl Blosn ein: Deren Lied "Bist a do?" beschreibt, wie sich bayerische Politiker im Darmtrakt des jeweiligen Ministerpräsidenten einquartieren. Es muss allerdings schon ein sehr großer Hintern sein, der hier aller Welt sein Innenleben darbietet: die "ArschBar" lädt den Besucher zu Café und Würsten. Hier krümmt sich als dicker Wulst ein Plastikdickdarm nebst naturalistischer Endöffnung. Das Kunstgedärm des Niederländers Joep van Lieshout, auch "Bar Rectum" genannt, war ursprünglich gegenteilig konnotiert gewesen: als Toilette für die Kunstbiennale Yokohama. Aber die Japaner mochten das nicht. So richtig appetitanregend scheint das für das Jungvolk, das gewöhnlich das Museumsquartier bevölkert auch nicht. Eigentlich alles Wurscht.Foto: Museumsquartier und "Bar Rectum" / dpa(Michael Frank / SZ vom 15./16.5.2010)

23 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... NîmesFrühling in der Provence, der Himmel leuchtet hellblauheiter, die Schwalben fliegen hoch. Unten im Abwasserkanal aber müht sich ein schwarzer Vogel mit durchnässtem Gefieder, durch die Spalten des Gullydeckels zu gelangen, um der Unterwelt zu entkommen. Hinaus, ins Licht, ins Leben. Immer wieder flattert er empor, immer wieder stößt er gegen den gusseisernen Kanalverschluss und fällt zurück ins Dunkel. Die Flaneure spazieren über diesen Kampf hinweg. An so einem Tag schaut keiner nach unten. Mein Sohn aber erspäht die Schwalbe. Er lässt nicht locker, bis ich mich auf die Straße knie, den Gullydeckel abhebe und hinein in den Morast greife. Die Passanten raunen. "Ein Attentäter?" "Ein Spinner!" Wir setzen die Schwalbe an einen ruhigen Platz im Grünen. Ihre Federn trocknen. Womöglich schafft sie es und fliegt bis in den Sommer.Foto: dpa(Stefan Ulrich / SZ vom 15./16.5.2010)

24 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... Bad StaffelsteinAm Tresen sitzt Klaus: Bierbauch, die Haare im Nacken lang, gewellt und ebenso leicht ergraut wie der Schnauzbart. Sein Lachen klingt nach zu vielen Zigaretten, seine Hand landet schon mal auf dem Hintern der Bedienung. Mit Pils bereitet er sich mental auf das Relegationsspiel des Nürnberger Clubs vor; sein Tipp: 6:1 für Augsburg. Da beginnt hinten in der Ecke die Bedienung, von einem der Tische die Dekoblumen zu räumen und rotes Glitzerzeug aufzulegen. "Weihnachtsdeko?", fragt Klaus irritiert. "Da will einer einen Heiratsantrag machen, wir sollen mit Herzen eindecken", antwortet die Frau. "Da tät ich schwarz eindecken", sagt Klaus. Stille, schließlich ruft die Bedienung von hinten herüber: "Mit Heiratsanträgen musst du dich doch auskennen, Klaus!" Der sagt: "Drum tät ich ja schwarz eindecken." Vatertag im Café Treibhaus.Foto: AP(Kassian Stroh / SZ vom 15./16.5.2010)

25 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... BerlinVon links kommt der Neonazi, auf dem Weg zum nationalen Mai-Aufmarsch vermutlich, der ein paar Straßen weiter stattfinden soll. Von rechts kommt der Schwarze. Der Neonazi misst 1,65 Meter. Der Schwarze 1,95 Meter. Er mustert den Neonazi etwa auf die Weise, wie man im Zoo die seltenen Tierarten betrachtet, die man irrtümlich für ausgestorben hielt. Als sie aneinander vorbei sind, reißt der Neonazi die Hand zum Hitlergruß in die Luft, im Rücken seines Gegenübers. Aber der Schwarze hat's gesehen - und packt zu. Nimmt er den Neonazi in den Schwitzkasten? Das denkt man zunächst. Aber dann nimmt er ihn fast zärtlich in den Arm, morgens auf einem Gehweg in Prenzlauer Berg, und die beiden diskutieren eine Weile. Am Ende geben sie sich die Hand und gehen auseinander. In verschiedene Richtungen, das schon.Foto: getty(SZ vom 8./9.5.2010/Claudio Catuogno)

26 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... NairobiEin schönes Souvenir aus Kenia ist der Schlagstock der Massai, Rungu genannt, ein Knüppel mit einem langen Stil und einem runden Kopf aus Massivholz. Damit geben die Krieger den Takt der Musik vor, damit kastrieren sie Rinder, und damit schlagen sie die, die ihre Tiere stehlen wollen. Und weil die Totschläger gar so hübsch sind, liegen nun gleich zwei im Handgepäckkoffer. Bei der Kontrolle am Flughafen in Nairobi regt sich eine Frau auf, weil ihr die Nagelfeile abgenommen wird. Die Knüppel gehen ohne Probleme durch. Bei der nächsten Kontrolle in Amsterdam liegen Deos oder Parfüms in Plastiktüten auf dem Band. Beim Anblick der Rungus zoomt der Zöllner das Bild größer, dann schaut er skeptisch - und widmet sich anderen Gepäckstücken. Und auch bei der Ankunft in München interessiert sich kein Kontrolleur für die Massai-Waffen.Foto: getty(SZ vom 8./9.5.2010/Michael Bitala)

27 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... StarnbergWir waren 16 Leute und hielten es für eine gute Idee, in dem namhaften Lokal am See zu reservieren. 15 Gedecke fanden wir vor, an einem Tisch mit Platz für zwölf. Der Kellner trug Totenkopfring und sagte, bei einer Reservierung kämen eh nie alle. Den Wein servierte er, indem er ihn am Nachbartisch ins Glas goss, dieses am Kelch packte und mit den Worten "Schwuppdiwupp, Kartoffelsupp" herüberhob. Einer bat, die Weinflasche in einen Kühler zu tun. Der Kellner aber machte es so: Er goss den Wein in mehr Gläser, als Weintrinker da waren; die überzähligen Gläser stellte er in der Mitte des Tisches ab. Wir probierten einen Lugana, einen Chardonnay, und nachdem der auch nichts war, einen Rosé aus Südafrika. Die Suppe war fast warm, das Brot von vorgestern, die Renke ohne Gemüse. Früher ging hier Oskar Maria Graf hin.Foto: dpa(SZ vom 8./9.5.2010/Detlef Esslinger)

28 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... JerusalemTheoretisch kannte ich die Jerusalemer Gastfamilie von früher, praktisch aber nur noch die Tochter über Facebook. Beim Wiedersehen nach zehn Jahren kocht die Mutter, den Dank dafür wischt sie weg: Dieser Abend sei doch nichts Besonderes - morgen werde das natürlich anders sein. Alle drehen sich erwartungsvoll zu mir. Ich bin ratlos.Weitere Anspielungen, zunehmende Verwirrung, dann stellt sich heraus: Die Familie hat bei Facebook gesehen, dass ich am nächsten Tag Geburtstag habe - und eine riesige Überraschungsparty organisiert. So etwas kann passieren, wenn man bei Facebook ein fiktives Geburtsdatum angibt, zum Beispiel einen willkürlich gewählten Tag des Jahres 1908, weil das Unternehmen es nicht erlaubt, dass man die Felder mit persönlichen Daten einfach leer lässt.Mein 102. Geburtstag war ein schönes Fest.Ron Steinke, SZ vom 30.4.2010Foto: iStock

29 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... MünchenIn der S-Bahn zum Flughafen. Auf der anderen Seite des Gangs sitzt ein Pärchen Mitte 30. Sie trägt ein Kostüm in gedeckten Farben und liest Cosmopolitan. Er sitzt ihr im Anzug gegenüber und isst einen Döner. Sie blickt von ihrem Magazin auf, beugt sich zu ihm und erzählt in gedämpfter Stimme von einem befreundeten Paar.Sie: Bei denen ist eingebrochen worden.Er: (kaut) Und?Sie: Die haben Schmuck geklaut (sehr leise) und ihre String-Tangas und Kaffeepads.Er: Schmuck und was?Sie: (lauter) String-Tangas und Kaffeepads.Er: Was?Sie: (Jetzt sehr laut) STRING-TANGAS UND KAFFEEPADS!!Er: Wer klaut denn Kaffeepads?Sebastian Herrmann, SZ vom 30.4.2010Foto: dpa

30 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... KronbergKronberg im Taunus ist ein kleiner Ort voll hübscher Häuschen und hässlicher Geländewagen. Hier wohnen erfolgreiche Banker aus dem nahen Frankfurt und jede Menge Affen, Hängebauchschweine sowie ein eindrucksvoller Strauß. Letztere sonnen sich im örtlichen Zoo. Ein Dynamiker im lila Poloshirt, Typ Investmentbanker im Freizeitdress, ist beim Anblick des Straußes kaum zu bremsen. "Den könnte man auf drei Arten vermarkten", sagt er zu seinem Kompagnon. "Erstens das Gefieder. Dann das Fleisch, auch 'ne Delikatesse. Und drittens die Haut." Der Gefährte nickt wissend. Der Strauß hingegen tut das einzig richtige: Er versucht, mit seinem Schnabel nach dem lila Schnösel zu hacken.Leider, leider trennt ein Zaun die beiden. Man hätte gerne mal gesehen, wie sich ein Bürohengst in freier Wildbahn so schlägt.Marc Widmann, SZ vom 30.4.2010Foto: dpa

31 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... Port-au-PrinceGrob gesagt waren in Port-au-Prince vor dem Erdbeben oben die Reichen und unten die Armen, aber das stimmt jetzt auch nicht mehr. Die Armen und Obdachlosen sind nun überall, selbst auf der Place Saint-Pierre in Pétionville, der wohlhabenderen Oberstadt von Haitis zerstörter Kapitale in den Hügeln. Der Platz ist ein Flüchtlingslager geworden - fast alle Plätze sind Camps für Menschen unter Plastikplanen. Abends brennen da bloß noch ein paar Funzeln, sonst wird es stockdunkel. Aber dann steht da noch das ehrwürdige Hotel Kinam, weiß und türkis, mit Holz und Zinnen.Die Architektur widerstand dem Zorn der Natur. Da wohnen Entwicklungshelfer, Journalisten, Diplomaten, speisen auf der stets beleuchteten Veranda vor dem Pool. Tagsüber schauen sie in den Zeltlagern vorbei, nachts schützt sie ein Wachmann mit Gewehr.Peter Burghardt, SZ vom 30.4.2010Foto: AP

32 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... München Nur 'ne Vier? Das kann doch nicht sein. Philipp Tschauner und Stefan Aigner, zwei Fußballprofis vom Zweitligisten 1860 München, sitzen mittags in einem Giesinger Restaurant vor ihren Salat-Tellern. Auf dem Tisch liegt das aktuelle Kicker-Magazin. Mittelfeldspieler Aigner zeigt mit dem Finger auf eine Seite und sagt zu Torwart Tschauner: "Ey, schau dir mal die Note an. Der Fink (Anton, 22, Stürmer, derzeit bei Karlsruhe, zuvor bei Unterhaching tätig, d. Red.) kriegt nur 'ne Vier, obwohl der doch das 1:1 gegen Rostock gemacht hat."Beide schütteln den Kopf, nehmen einen Schluck Schorle und sinnieren über die Leistungsdaten der Bundesliga. Nach einer halben Stunde ordern sie die Rechnung. Aigner zahlt für beide, Tschauner sagt: "Ich würde auch für alle zahlen, wenn ich wie du einen Vertrag bis 2012 hätte." Den gibts aber nur mit guten Noten.Philipp Crone, SZ vom 17./18.4.2010Foto: AP

33 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... TeheranEs ist Nachmittag, die Sonne brennt. Hunger und Durst führen uns in eine der vielen Imbiss-Buden. Mein Dolmetscher Esmaeil erklärt das Angebot: Sandwich mit Hamburger, Würstchen, die wie Wiener aussehen, Hühnchen, Lammzunge, Lammhirn - alles zu dekorativen Haufen geschichtet in einer Kühlvitrine. Ich nehme mir vor, die Lammzunge zu testen, weiche aber auf Hamburger aus, als Esmaeil nur Würstchen ordert. Zu trinken gibt es Limo, so orange wie ein Müllauto oder Cola, aber süßer als das US-Original. Zwischen den Fleischbergen stehen verdächtige grüne Flaschen mit Getreideähren und einer Zitrone auf dem Etikett."Iranisches Bier", sagt Esmaeil grinsend. Oder vielmehr: iranisches Radler, bestehend aus Hopfen und Zucker. Alkohol? "0,0 Prozent", wie die Aufschrift versichert. Zu 100 Prozent Fleisch die perfekte Nährstoffergänzung.Paul-Anton Krüger, SZ vom 17./18.4.2010Foto: AP

34 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... BarcelonaImmerhin: Im Notfall-Waschbeutel befindet sich auch ein T-Shirt, weiß, Größe XXL, ein unförmiger Lappen. Taugt für die erste Nacht. Eigentlich kann es ja nicht so schwierig sein, einen Koffer von München nach Barcelona zu bringen, denkt man. Ist es aber offenbar. Der Anruf am nächsten Vormittag am Flughafen bringt nichts außer Ärger: mein Gepäck ist verschollen. Dummerweise ist Feiertag, in der Innenstadt haben nur chinesische Lebensmittelmärkte, marokkanische Geschenkeläden und katalanische Konfiserien offen.Die Klamotten stinken vom Vorabend nach Rauch, in spanischen Kneipen und Clubs wird gequalmt. Die Suche nach Unterwäsche endet im Hotelzimmer. Immerhin gibt es Seife und einen Föhn, Wasch- statt Antoni Gaudí-Tag. Übrigens, der Koffer fand sich in Mailand ein. Bis Barcelona schaffte er es in den vier Tagen nicht.Michael Ruhland, SZ vom 17./18.4.2010Foto: dpa

35 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... VölsDer Pfarrer ist beim Metzger! Krisensitzung hinter der Kasse, gegenüber von Schinken und Kaminwurzen. Die Schiebetür - zugezogen. Es geht hoch her, das kann man ja hören. Im Dorf tuscheln sie schon seit Tagen über den Pfarrer.Im Fernsehen und in den Zeitungen haben sie davon gehört, dass es in der Kirche nicht immer christlich zugeht. Da haben sie sich erinnert, dass ein junger Mann damals allein beim Pfarrer war. Auf der einsamen Hütte hinterm Schloss. Was die da wohl gemacht haben?Der Pfarrer hat von den Gerüchten Wind bekommen und sich so dermaßen über die grundlosen Unterstellungen geärgert, dass er seiner Gemeinde in der Messe nicht nur die Predigt, sondern auch den Segen verwehrt hat. Seitdem schlagen die Wellen hoch. Beim Friseur, beim Bäcker, beim Schuster. Nun soll der Metzger schlichten. Er ist ja Pfarrgemeinderat!Martin Zips, SZ vom 17./18.4.2010Foto: AP

36 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... Buenos AiresDer argentinische Ferienort Villa General Belgrano bei Córdoba ist bekannt für alpenländische Fassaden und sein Oktoberfest, das deutsche Einwanderer eingeführt haben. Weitere Höhepunkte im Kalender sind das Wiener Tortenfest sowie das Schokoladenfest. Lokale heißen Edelweiss, Don Otto, Tante Leny oder Altes Zeppelin, und für die Firma Bayer wirbt eine Holzfigur in Lederhosen. Zu den stilprägenden Bewohnern zählten Überlebende des Panzerschiffs Graf Spee, dessen Versinken in Buchhandlungen dokumentiert ist.In einem Schaufenster kleben zwischen Logos eiserner Kreuze von 1939 T-Shirts mit Aufdruck "Deutsche Luftwaffe". Die geschäftstüchtigen Anbieter haben einen Hinweis angehängt: Der Laden teile keineswegs die Ideologie von Nazis und Faschisten, "die Ware wird nur zu historischen Zwecken ausgestellt."Peter Burghardt/SZ vom 10./11.4.2010Foto: dpa

37 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... HelsinkiDie Kotiharju Sauna ist bekannt für ihre lange Tradition und für ihre angenehm weiche Hitze. Seit 1928 wird hier ausschließlich mit Holz gefeuert. Hektisch stopft ein etwa 40-jähriger Mann seine Kleidung in den hölzernen, kunstvoll verzierten Spind. Haare und Bart sind blond und lang. Das faserige Tattoo auf seinem blassen Arm zeigt die Westküste Finnlands. Deutlich sind die Hafenstädte Rauma und Vaasa eingezeichnet. Unruhig beginnt der Mann in seinem Rucksack zu kramen.Das Handtuch vergessen? Mit einer Hand zerrt er drei Dosen Bier hervor und platziert sie auf dem Dach seines Schließfachs. Wie Pokale stehen sie dort oben. Das erste Bier trinkt der blonde Nackte auf dem Weg zur Dusche. Das zweite leert er, noch bevor er sich abtrocknet. Das dritte hebt er sich auf - bis nach dem ersten Saunagang.Jonas Reese/SZ vom 10./11.4.2010Foto: AFP

38 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... MünchenFilme über den Kongo-Krieg gehören nicht zur Massenware, die bei Amazon verkauft wird. Es gibt sie aber. Der US-Sender ABC hat zwei Dokumentationen gedreht. Leider sind beide nicht von der Freiwilligen Selbstkontrolle überprüft worden und somit erst ab 18 Jahren zu haben, auch wenn weder Pornographie noch grobe Gewalt zu sehen ist. Der Postbote bringt die DVDs, grinst und bittet um den Ausweis. Leider sind die Paketdaten in seinem Lesegerät noch nicht vorhanden. "Sie müssen sich gedulden", sagt er, "bis Sie zu Ihrem Spaß kommen."Beim Einwand, dass Kongo-Filme kein Spaß sind, grinst er wieder. "Jaja, bis morgen." Am nächsten Tag ein anderer, grinsender Postbote, diesmal klappt's mit dem Lesegerät."Das muss ja krasses Zeug sein", sagt der Mann bei der Übergabe, "Sie wurden ja gleich zwei Mal überprüft."Michael Bitala/SZ vom 10./11.4.2010Foto: iStock

39 / 39
(Foto: N/A)

Mitten in ... IstanbulSchon mal Fernsehen verschrieben bekommen? Unser Sohn wurde operiert, er hörte schlecht: die Polypen. "Sie werden sehen", sagte der Arzt, "danach wird Ihr Sohn Sie bitten, den Fernseher um zwei Stufen leiser zu stellen." Die Schwester kam: Darf der Junge alles essen? Ja. Angeborene Krankheiten? Nein. Wie viel Stunden am Tag darf er fernsehen? Gar nicht. Die Schwester, verblüfft: "Gaaar nicht?" Nein, flüsterten wir verschämt. Unser Sohn ist drei. Die OP lief gut. Wieder zuhause schwenkte der Kleine freudig einen Malblock, den ihm die Klinik geschenkt hat. "Falsch/Richtig"-Bilder zum Ausmalen. Das Deckblatt zeigte einen Knirps vor dem Fernseher. "FALSCH" stand fett darunter. Sieh mal einer an!, dachte ich. Dann sah ich das zweite Bild. "RICHTIG": Derselbe Junge vor demselben Fernseher - aber zwischen beiden eine Linie: "Drei Meter Abstand".Kai Strittmatter/SZ vom 3./4.4. 2010Foto: dpa

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: