Mississippi:Blues im Blut und die Seele zum Teufel

Musikalisch gesehen ist das Mississippi-Delta eine reiche Gegend: Heimat von Legenden wie B.B.King, John Lee Hooker und des neuen "Blues Trail".

Die Namen sind in aller Welt bekannt: John Lee Hooker, Muddy Waters, Sam Cooke und Ike Turner - sie alle hatten den Blues im Blut. Doch es gibt noch etwas anderes, das diese Sänger verband: Alle kamen aus dem Nordwesten des US-Bundesstaates Mississippi, aus dem "Delta" - einer flachen und im Sommer oft schwülen Landschaft voller Baumwollplantagen und Armut.

Urlauber aus Europa besuchen diese Gegend in den Südstaaten eher selten: Der Mississippi ist hier hinter hohen Deichen versteckt, auch sonst gibt es zunächst einmal wenig zu sehen. Musikfans aber pilgern schon seit langem auf den Spuren ihrer Idole in Kleinstädte wie Clarksdale, Indianola und Greenwood. Ein neuer Blues Trail, ins Leben gerufen von der staatlichen Blues-Kommission, soll das Interesse noch steigern.

Auf den ersten Blick wirkt die Kreuzung der Highways 49 und 61 wie so viele andere in den USA: Einen Reifen- und einen Möbelhändler gibt es hier, einen Schnapsladen und einen Schnellimbiss. Über dem Asphalt schaukeln die gelben Verkehrsampeln im Wind, an der Tankstelle nebenan stecken Autofahrer rasch ein paar Donuts in braune Papiertüten.

Doch dies ist kein Platz wie jeder andere - das zeigen die drei großen blauen Blechgitarren an, die an einem Mast in der Kreuzungsmitte hängen. Dieser Ort in Clarksdale symbolisiert "The Crossroads": jene Kreuzung, an der Robert Johnson dem Teufel seine Seele versprochen haben soll, damit er besser den Blues singen kann.

Ob diese Legende stimmt - wer weiß das schon? Johnson starb 1938 als begnadeter Musiker in jungen Jahren. Und der Teufel, den man ja noch fragen könnte, lässt sich heute in Clarksdale nicht blicken, obwohl es für ihn hier weiterhin viele "arme Seelen" zu holen gäbe.

"Clarksdale und Umgebung ist die ärmste Region im ärmsten Staat der USA", sagt Panny Mayfield, eine Blues-Fotografin aus dem Ort. "Es ist schwer, gute Leute zu finden, die hier arbeiten wollen, gute Ärzte oder Krankenschwestern", erzählt die Journalistin, während sie ihr Auto durch die endlos wirkende Weite der Plantagen steuert.

Lesen Sie weiter über die ersten Stationen auf dem Blues Trail.

Blues im Blut und die Seele zum Teufel

Immer wieder unterbrechen kleine weiße Kapellen der "Missionary Baptist Church" die Mais- und Baumwollfelder. Hier wurde und wird am Sonntag fleißig gebetet; Mississippi gehört zum "Bibelgürtel" in den US-Südstaaten.

Zum Feiern und Tanzen aber kamen die Plantagenarbeiter einst an jedem Wochenende nach Clarksdale, und bis heute ist die Stadt eine gute Adresse dafür geblieben: Zwei große Blues-Festivals - das "Jukejoint-Festival" im April und das "Sunflower-Festival" im August - sind die Höhepunkte im jährlichen Veranstaltungskalender.

In und um Clarksdale hat die Mississippi Blues Commission mehrere "Blues-Marker" errichten lassen. Sie kennzeichnen Stationen des neuen Blues Trails, der sich durch den ganzen Staat zieht.

Ende September gab es bereits 43 Marker. "Bis Ende 2009 sollen 140 fertig sein. Für so viele haben wir derzeit das Geld, es können aber auch mehr werden", sagt Luther Brown von der Delta State University in Cleveland, der ein Mitglied der Blues-Kommission ist.

Jeder Marker erzählt eine Geschichte

Jeder Marker erzählt eine Geschichte. Manchmal handelt sie von einzelnen Musikern, manchmal von besonderen Ereignissen. "Einer der Marker erinnert zum Beispiel an den großen Deichbruch von 1927, bei dem hier viele Menschen starben und Tausende obdachlos wurden", sagt Brown. "Etwa 25 Bluessongs wurden darüber geschrieben. Vor Hurrikan 'Katrina' war das die größte Naturkatastrophe in der US-Geschichte." Wichtig sei der Kommission die historische Genauigkeit der Angaben, die auf den großen Metallschildern zu lesen sind.

Einer der Plätze in Clarksdale, vor denen ein "Blues Marker" in der Sonne glänzt, ist das "Riverside Hotel". Die Lobby hängt voller alter Fotos und Zeitungsausschnitte. Anfangs war das Gebäude ein Krankenhaus für Afroamerikaner, die Bluessängerin Bessie Smith starb hier 1937 an den Folgen eines Verkehrsunfalls.

"Später, in den 40er und 50er Jahren, haben Ike Turner und Bob Nighthawk hier eine Zeit lang gewohnt", erzählt Inhaber Frank L. Ratliff, der sich über mangelnden Zuspruch für seine schlichten Zimmer nicht beklagen kann: "Für die Wochenenden der Blues-Festivals in der Stadt nehmen wir immer schon ein Jahr vorher die Reservierungen entgegen."

Livemusik in Morgan Freemans Blues-Club

Livemusik ist aber nicht nur zu Festivalzeiten zu hören. Überall im Stadtzentrum gibt es Bars und Cafés, in denen am Abend Gitarren, Bässe und Schlagzeuge strapaziert werden.

Einer der bekanntesten Treffpunkte ist der "Ground Zero Club", zu dessen Eigentümern der Schauspieler Morgan Freeman gehört. Der Name hat nichts mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York zu tun: "Der Club hieß schon vorher so", erzählt der Miteigentümer Bill Luckett. "Die Definition von 'Ground Zero' ist 'Der Ort, an dem etwas beginnt'. Und das kann man von Clarksdale und dem Blues ohne weiteres behaupten."

Lesen Sie auf der nächsten Seite über die Ursprünge des Blues in Mississippi.

Blues im Blut und die Seele zum Teufel

Die Erben von Muddy Waters und John Lee Hooker heißen heute Big Jack Johnson, Robert Belfour oder "Super Chikan and the Fighting Cooks". Sie treten in Clarksdale regelmäßig in Clubs wie "Red's Lounge" oder "Messenger's" auf und sind auch in anderen US-Staaten als Bluesmusiker bekannt.

Manchmal stoßen zu ihnen auch Künstler, die nicht erkannt werden wollen - wie beim "Jukejoint-Festival" im April 2008 der "Mississippi Marvel", ein Gitarrist, der nur hinter einem Vorhang in die Saiten griff. "Er soll ein Diakon aus einer Gemeinde zwei, drei Autostunden von hier entfernt sein", erzählt Panny Mayfield. "Und er will nicht identifiziert werden, weil Blues für viele Menschen noch immer vor allem die Musik des Teufels ist."

Entstanden ist der Blues im frühen 20. Jahrhundert als "schwarze Musik". Auf den riesigen Plantagen im Missisippi-Delta "gab es ein großes Publikum, das keinen Zugang hatte zu auf Platten aufgenommenen Stücken", erklärt Luther Brown. "Daher gab es ein großes Interesse an Livemusik."

Für viele Afroamerikaner nur noch "ein alter Hut"

Dieses Interesse ist auch heute noch da, aber die Zuhörer sind inzwischen andere: "Früher waren es weiße Clubbesitzer mit schwarzen Gästen, heute ist es umgekehrt", sagt der Lokalhistoriker Robert Birdsong aus Clarksdale. Seit es Funk und Rhythm & Blues gibt, sei der echte Blues für die meisten Afroamerikaner "ein alter Hut".

Wer mehr über die Geschichte des Delta-Blues erfahren will, hat mehrere Ausstellungen zur Auswahl: in Indianola das im August 2008 eröffnete B.B.King-Museum, das sich unter anderem mit Leben und Werk seines berühmten Namensgebers befasst, sowie in Clarksdale das Delta Blues Museum.

Hierhin sind zum Beispiel die Reste der kleine Holzhütte gebracht worden, in der Muddy Waters seine Kindheit verbrachte. Sie stand einst am Rand einer Plantage in der Nähe von Clarksdale und wurde 1987 von einem Tornado beschädigt. Der ZZ-Top-Gitarrist Billy Gibbons baute danach aus den Trümmern des Hauses die "Muddywood Guitar", die ebenfalls im Museum gezeigt wird.

Blues im Blut und die Seele zum Teufel

Wer auf dem "Blues Highway" 61 in Richtung Süden fährt, kommt bald nach Cleveland, wo etwas östlich der Stadt ein weiterer wichtiger Ort für Mississippis Musikgeschichte zu finden ist: Dockery Farms.

Manche Lokalpatrioten und Musikexperten sagen, diese alte Plantage sei "der eigentliche Geburtsort" des Blues. "Früher lebten hier 2500 Leute, es gab eigene Läden und einen eigenen Arzt", erzählt William Lester, der Direktor der Dockery-Farms-Stiftung. "Abends standen dann 400 bis 500 Menschen zwischen den Holzhäusern und hörten den Musikern zu. Das Leben war hart in den 1920er Jahren, und es gab damals keine andere Unterhaltung."

Natürlich hat auch Dockery Farms längst einen "Blues Marker" bekommen, "und dauernd treffe ich Leute auf dem Gelände, die einfach hier sitzen, Gitarre spielen und sich inspirieren lassen".

Drei Grabstätten für Robert Johnson

Und Robert Johnson, der Mann, der dem Teufel seine Seele versprach? Auch zu ihm führt der Mississippi Blues Trail. Weil man es aber 1938 mit den Friedhofsbüchern nicht so genau nahm, gibt es rund um den Ort Greenwood gleich drei Grabstätten für den Gitarristen und Sänger - von seinem Ruhm wollten mehrere Kirchengemeinden profitieren.

Die Blues-Kommission hat sich dann für eines der Gräber entschieden. Es liegt an der Little Zion Church nördlich von Greenwood und ist "die meistbesuchte Blues-Attraktion in der ganzen Stadt", wie Paige Hunt vom örtlichen Tourismusbüro sagt.

Erreicht wird der kleine Friedhof vom Stadtzentrum aus über einen breiten, von alten Eichen gesäumten Boulevard mit Südstaatenvillen auf jedem Grundstück. Sie stehen für den enormen Wohlstand, den Teile der Bevölkerung durch die Baumwolle hier einstmals erwarben.

Dann aber wird kurz vor der Friedhof der Tallahatchie-Fluss überquert, und mit der alten Pracht ist es vorbei - etwas verloren liegt die Kirche in der Weite der Felder. Johnsons Grab ist leicht zu finden: Es ist mit bunten Perlenketten geschmückt, eine angebrochene Flasche Gin steht neben dem Stein. "Das bringen Bluesfans hierher", sagt Hunt.

Auch Besäufnisse am Grab sollen immer wieder mal vorkommen - irgendwie ja kein Wunder, wenn der Teufel seine Hand im Spiel hat.

Informationen:

Anreise: Der nächstgelegene größere Flughafen ist Memphis in Tennessee. Auf dem Weg dorthin müssen Flugreisende aus Deutschland umsteigen, zum Beispiel in Atlanta (Delta Air Lines), New York/Newark (Continental Airlines), Chicago (Lufthansa/United sowie American Airlines) oder Amsterdam (KLM/Northwest). Von Memphis aus sind es etwa 125 Autokilometer nach Clarksdale und 205 nach Greenwood.

Formalitäten: Keine Visumspflicht für Deutsche, wenn sie maximal 90 Tage in den USA bleiben. Benötigt wird aber ein maschinenlesbarer Reisepass. Nach dem 26. Oktober 2005 ausgestellte Pässe müssen außerdem über biometrische Daten verfügen. Im Januar 2009 wird eine Online-Reiseanmeldung unter https://esta.cbp.dhs.gov verpflichtend.

Klima und Reisezeit: Im Norden von Mississippi ist es im Sommer (Juli/August) oft rund 40 Grad heiß bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit. Als beste Reisezeit für die Region gilt das Frühjahr (März bis Mai).

Touristische Informationen: Staatliches Verkehrsbüro Memphis & Mississippi, Horstheider Weg 106a, 33613 Bielefeld (Tel.: 0521/986 04 20) www.memphis-mississippi.de.

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