Mehr als nur Ski-WM:Out of Garmisch

Alle Welt schaut auf die Ski-Weltmeisterschaft - dabei gibt es auch drumherum viel zu entdecken: Sechs Tipps für das Wettersteingebirge abseits des Rummels.

Dominik Prantl und Jochen Temsch

Von 7. bis 20. Februar dreht sich in Garmisch-Partenkirchen alles um die Alpine Ski-Weltmeisterschaft. Für aktive Besucher hat das Wettersteingebirge abseits des WM-Rummels allerdings viel mehr zu bieten als die häufig schattigen Hänge nahe der Zugspitze. Am besten lässt sich das Blickfeld mit dem folgenden Hexathlon des Wintersports erweitern.

SZ-Grafik Garmisch

Rauf auf den Berg und selbst fahren statt nur zuschauen in Garmisch-Partenkirchen.

(Foto: SZ-Grafik)

Morgengruß aus Indien

"Betriebsruhe" ist ein schönes Wort. Vor allem, wenn man in München mit der Sonne aufgestanden ist, um ja ohne Stau und Stress an die Zugspitze zu gelangen - aber die übliche Autothrombose auf der Bundesstraße bei Oberau beginnt an diesem Samstagmorgen schon vor Eschenlohe, sprich noch auf der Autobahn. Im Schritttempo geht es eine halbe Stunde später durch Garmisch, eher findet man ein gutes Lied auf einer Après-Ski-Knaller-CD als einen Parkplatz vor Hobis Backstube, und drinnen steht man für signalgelbe, mit Curry gewürzte Taj-Mahal-Semmeln fast so lange Schlange wie bei der Besichtigung des indischen Originals.

Aber dann die Talstation der Tiroler Zugspitzbahn in Ehrwald: kaum Autos, kein Mensch jenseits des Zustiegs zur Gondel, und am Waldrand eben jenes Schild, das darauf hinweist, dass die Hochthörlehütte zurzeit Betriebsruhe hat. Angesichts dieses entspannten Begriffs stellt auch der Schneeschuhgeher seinen großstädtischen Ärger-Betrieb sofort ein und auf Erholung um.

Auf dem Schützensteig im Grenzgebiet von Bayern und Tirol geht es steil durch den tief verschneiten Hochwald. Haut man auf die Schneekugeln am Wegesrand, schnalzen Jungfichten aus ihren schweren Kokons. Wer aus Jux mit dem Skistock an einen Zweig klopft, löst heftige Baumlawinen aus. Würde man dabei nicht so laut lachen, zeigten sich bestimmt Hasen und Rehe, ihre Spuren sind überall. Ansonsten ist nur das Klappern der Schneeschuhe zu hören und ab und zu ein entferntes Knistern: die Zugspitz-Gondel, die das in der Morgensonne leuchtende Wettersteinmassiv entlangsurrt.

Die einzigen anderen Menschen sind zwei Wanderinnen ohne Schneeschuhe. Sie haben den von einer Pistenraupe planierten Weg zum Eibseeblick genommen und freuen sich nun, dass ihnen die besser Ausgerüsteten die letzten, ungeräumten Meter spuren. Im Sommer ist der See leuchtend türkis, jetzt unspektakulär weiß. Die Taj-Mahal-Semmeln schmecken trotzdem. Über allen Gipfeln ist Betriebsruhe.

Panorama * * *

Nervenkitzel *

Entspannung * * *

Ehrwalder Alm

Kürzlich haben die Snowboarder im Skigebiet Ehrwalder Alm einen Teil ihrer Wettkampftour "Chill&Destroy" ausgetragen, wobei sich der Name höchstwahrscheinlich aus der inneren Gegensätzlichkeit der Snowboarder ableitet. Hängen die Einbrettfahrer doch nur zu gerne auf den Hängen ab, bevor sie selbige wie von Sinnen - gewissermaßen alles verwüstend - hinunterbügeln. Allerdings ist die Ehrwalder Alm jenseits des rampenbestückten Snowparks eindeutig mehr Chill als Destroy.

Schwarze Pisten? Mangelware. Steile Tiefschneeabfahrten? Sind so kurz wie harmlos. Dafür gondeln und kurven Genussfahrer neben Familien auf der Sonnenseite der Zugspitze über breite Pisten. Und während drüben im Garmischer Classicgebiet die langen Schatten der Berge die fröstelnden Wintersportler von den Hängen treiben, ziehen hier die Skifahrer noch die eigenen Schatten hinter sich her. Selbst die ewig dauernde Fahrt im Zweiersessellift zum Issentalkopf wird zum Erlebnis: dort der Tajakopf, da drüben die Sonnenspitze und linker Hand in der Sonne glänzende Felswände. Wer will schon zerstören, wenn er so schön chillen kann.

Panorama * * *

Nervenkitzel * *

Entspannung * *

Lermoos

Die Pferde heißen Cindy und Tricksy, ihr Fell ist so dunkelbraun wie Zartbitterschokolade, und vor allem die weiblichen Fiakergäste finden die Tiere zum Reinbeißen süß. Sie bemerken auch die glänzenden Hufe als erste. "Wie Nagellack", findet eine Passagierin. Für weitere Assoziationen mit dem Menschlichen ist der Kutscher zuständig. Er erklärt, dass man die Laune der Pferde an der Stellung ihrer Ohren ablesen kann.

Momentan bewegen sie ihre Lauscher spielerisch locker hin und her - das bedeute, sie sind gut drauf. "Frauen lassen sich leider nicht so leicht durchschauen", sagt der Kutscher, "wegen der langen Haare." So scherzt man, wenn man zu zwölft unter Wolldecken durch die Gegend zockelt.

Die Beckenlandschaft um Lermoos ist von der Sonne verwöhnt und bietet am Abend Postkartenansichten des leuchtenden Wettersteinmassivs. "Unsere Lieblingsnachbarn, die Deutschen, haben den höchsten Punkt des Wettersteins - wir die schönere Seite", sagt der Kutscher. Außerdem erfährt man, dass so gut wie alles, was man sieht, jemandem gehört: die Berge zum Beispiel, zumindest die Liftanlagen, den Swarovskis und den Unternehmern vom Hintertuxer Gletscher. Selbst die leise dahinplätschernde Loisach ist in Privatbesitz. Die Wasserrechte trat einst der klamme König Ludwig II. ab, um seine Schlösser zu finanzieren. Der fuhr auch immer Pferdekutsche.

Panorama * * *

Nervenkitzel *

Entspannung * * *

Dammkar

Der Weg ins Glück beginnt für den Freerider um Punkt neun Uhr an der Talstation der Karwendelbahn; er führt per Gondel 1300 Höhenmeter bergauf und anschließend durch einen 400 Meter langen Felstunnel hinaus ins Freie. Im Süden lockt eigentlich der Ausblick auf die Karwendel-Hauptkette, doch im Grunde hat der Skifahrer nur Augen für das Dammkar, mit sieben Kilometern die längste Skiroute Deutschlands.

Das Glück selbst beginnt dann um halb zehn mit der ersten, schon recht buckligen Passage neben der östlichen Grubn, bevor es über die Schrägfahrt hineingeht in die sogenannte Obere Stube.

Bis vor etwa zehn Jahren wurde die Abfahrt noch aufwendig mit zwei Pistenbullys gewalzt. Aber wieso viel Geld ausgeben für eine Abfahrt, die von der Natur viel besser präpariert wird - zumindest für geübte Tiefschneefahrer! Mittlere Stube, Untere Stube, Brotzeitfelsen, gut, dass die örtliche Lawinenkommision regelmäßig prüft und sprengt und notfalls sperrt. Weiter, immer weiter: breiter Bergwachthang, Flachstück, Kanonenrohr, ehe man sich auf dem drei Kilometer langen Forstweg endlich Gedanken über die Worte des Karwendelbahn-Betriebsleiters Hans Gehrz machen kann: "Manche Kunden fahren das Dammkar zehnmal am Tag." Bleibt die Frage: Wie oft darf man sein Glück herausfordern?

Panorama * *

Nervenkitzel * * *

Entspannung *

Wettersteinhütte

Der Mann an der Mautstelle von Klamm kassiert vier Euro für 500 Meter Straße, der Parkplatz Stupfer ist fast voll, der Schlitten viel zu schwer. Doch ist die Mautgebühr nach wenigen Metern vergessen, von den anderen Autofahrern nichts mehr zu sehen, und seltsamerweise wird der Rodel mit jedem Schritt leichter.

Auf der Wettersteinhütte, nach etwas mehr als 500 Höhenmetern, wiegt er kaum mehr etwas, weil die Aussichten auf Leutaschtal, Hohe Munde und Tiroler Traditionsgerichte Kraft geben. Oben entscheidet man sich für die mächtige Speckknödelsuppe und die etwas leichtere von zwei rasanten Abfahrtsvarianten. Erst weiter unten hat man Zeit, um neben der Mahlzeit jene Schussfahrt zu verdauen, die das Kind im Manne weckte.

Panorama * * *

Nervenkitzel * *

Entspannung * *

Elmauer Tal

Auch für das Elmauer Tal, seit jeher ein Ort elitärer Abgeschiedenheit, ist eine Mautgebühr fällig. Die drei Euro, die man kurz hinterm Dorf Klais bei einem gut gelaunten, mit Lederhose und Gamsbarthut angetanen Mann entrichtet, sind das Eintrittsgeld in eine eigentümliche Atmosphäre - halb landschaftliche Idylle, halb neo-nostalgische Gediegenheit, was die Logiermöglichkeiten in traditionsreichen, halbwegs sanft in die Landschaft eingeschmiegten Häusern angeht. Das Knifflige daran ist, dass man als Tagesausflügler ohne Hotel-Parkkarte Probleme hat, sein Auto irgendwo abzustellen.

Das Gute daran ist, das kein hässliches Blech den Gesamteindruck stört. Und das beste sind die abwechslungsreichen, da mit überraschend vielen Aufstiegen und Abfahrten gespickten Loipen, die sogar noch spät nachmittags unverschattet sind. Trotzdem kann ein verheißungsvoller Wegweiser statt zur Sonnenhügel-Loipe schon mal in steinige, erdige Trekkerfurchen führen. Auch die Hotelbar bleibt den Langläufern versperrt - leider nur für Hausgäste.

Panorama * * *

Nervenkitzel *

Entspannung * * *

Informationen

Informationen

Anreise: Von Garmisch-Partenkirchen dauert es nach Mittenwald oder Ehrwald etwa 25 Minuten mit dem Auto. Nach Klamm weitere 20 Minuten.

Schneeschuhwandern: Verleih von Schneeschuhen in den Ehrwalder Sportgeschäften. Geführte Touren: Intersport Tiroler Skischule, Kirchplatz 12 + 13, Tel.: 0043/567320084, www.intersport-leitner.com

Skigebiet Ehrwalder Alm: Tages-Skipässe für 36,50 Euro sind für die gesamte Tiroler Zugspitzarena (ohne Zugspitzbahn) gültig. Sportliche Fahrer können beispielsweise auf die Grubigalm ausweichen, www.ehrwalderalmbahn.at

Pferdeschlitten: Kurt Schretter, Tel.: 0043/69910581281, oder Anmeldung im Haus Jägers Rast, Lussgasse 4, Lermoos.

Dammkar: Die Bahn hat im Winter von 9 bis 16 Uhr geöffnet. Skifahrer sollten neben der Lawinengefahr allerdings genau prüfen, ob die Skiroute geschlossen oder gesperrt ist. Bei einer Sperrung ist eine Befahrung nicht möglich, bei einer Schließung auf eigene Gefahr, Wetter- und Sportinformationen der Karwendelbahn: Tel.: 08823/5396, www.karwendelbahn.de

Rodeln: Rodelverleih an der Mautstelle zum Gaistal. Eine kürzere, einfachere Schlittenfahrt als von der Wettersteinhütte ist an der nicht weit entfernten Hämmermoosalm möglich.

Langlauf: Tourist-Information Wallgau, Mittenwalder Str. 8, 82499 Wallgau, Tel.: 08825/925050, www.wallgau.de

Weitere Auskünfte: Tiroler Zugspitzarena, Am Rettensee 1, 6632 Ehrwald, Österreich Tel.: 0043/567320000, www.zugspitzarena.com, Tourist-Information Mittenwald, Dammkarstr. 3, 82481 Mittenwald, www.alpenwelt-karwendel.de

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