Lifestyle:Haute Couture in Carbon

Wer es sich leisten kann, fährt kein Rad mehr von der Stange

Von Sebastian Hepp

"Guten Tag. Ich hätte gerne 800 Gramm einer Schaltgruppe von Shimano, eine kleine Rippe vom Lenkergriff "Race Men" von Ergon, das Mittelstück des neuen Sattelmodells von Terry und den Flaschenöffner des Multifunktionswerkzeugs von Topeak."" Gerne. Ich packe Ihnen alles schon mal ein." "Danke, das ist nicht nötig. Ich habe den Rest gleich mitgebracht. Dann kann ich mir mein Mountainbike hier im Laden selber zusammenbauen."

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Ein Dialog dieser Art könnte - freilich in weniger überspitzter Form - in so manchen Fahrradläden bald Standard werden. Zumindest für jene Kundenschicht, die sich für die "Custom Made"-Version entscheidet und die über das nötige Kleingeld verfügt. Kombi-Lösungen sind auf dem Fahrradsektor inzwischen keine Ausnahme mehr. Die technische Entwicklung lässt inzwischen kaum noch Wünsche offen, die Kunden sind immer besser informiert und ihre Ansprüche an den Fahrkomfort steigen. Vollfederung, sitzfreundliche Sättel und handschonende Lenkergriffe liegen im Trend, und das hat auch seinen Grund. "Heute sind die Räder aus härterem Material als früher, dadurch werden an die Fahrer mehr Schläge weitergegeben", sagt Frank Hartwich, Verkäufer und Berater bei "Feine Fahrräder" in München. "Außerdem haben sich die Leute früher mehr bewegt. Heute üben sie eher eine sitzende Tätigkeit aus und sind weniger robust", fügt er hinzu.

Das Rad soll passen wie ein Handschuh

Bewegt haben sich deshalb vor allem die Hersteller und die Fachleute in den Fahrradläden. In ihrem Bestreben, das maßgeschneiderte Rad zu bauen, übertreffen sich einige von ihnen inzwischen gegenseitig. "Ich will mir einen Kundenkreis aufbauen, bei dem das Rad passt wie ein bequemer Handschuh", sagt etwa Zweiradmechanikermeister Klaus Lacher, der in München-Laim die Radl-Ecke Lacher betreibt. Ausführliche Sitzproben, um den idealen Rahmen, Sattel, Lenker und die optimale Trittposition für seinen Kunden herauszufinden, sind bei ihm fast schon ein Muss. Lacher baut nicht einfach Räder, er entwirft sie, meist anhand grammgenauer Gewichtsvorgaben für jedes einzelne Teil.

Haute Couture in Carbon

Freilich sind für Rennräder, Fitnessbikes oder Mountainbikes Komponenten wie Bremsen, Schalthebel, Gabeln, Zahnkränze, Kurbeln oder Innenlager nicht beliebig kombinierbar. Vielmehr gibt es je nach Fahrradtyp nur bestimmte Verträglichkeiten zwischen den jeweiligen Markenprodukten. Doch wie den Katalogen namhafter Hersteller zu entnehmen ist, hat der Kunde inzwischen eher die Qual der Wahl. Simplon beispielsweise, einer der Branchenführer in punkto Individualsysteme, bietet für Mountainbikes, Crossbikes, Trekkingbikes, Reiseräder oder Rennräder eine Vielzahl an Ausstattungsvarianten an. "Wir erstellen eine Liste zur Entwicklung eines neuen Radmodells nach Ihren ganz persönlichen Anforderungen", heißt es im Katalog. Ein echtes Simplon sei eben kein Rad von der Stange.

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"Man kann das Rad nicht neu erfinden", räumt Frank Hartwich ein. Das zeige auch das Beispiel des Sporttourenfahrrads, das in den Achtzigerjahren entwickelt wurde und das nun im Gewand des Fitnessbikes wieder auf den Markt gekommen sei. Eines aber zeichnet sich nach seinen Worten generell ab: "Man versucht, die Räder immer leichter und stabiler zu machen." Leichte Räder hätten schon ihre Vorteile, besonders bergauf, sagt Hartwich. Für eine Biker-Minderheit mit höchsten Ansprüchen ist inzwischen Carbon der Stoff, aus dem die Rahmenträume sind. Die Leichtigkeit und die besondere Steife des Materials haben natürlich ihren Preis. 1.200 bis 1.900 Euro muss man allein für einen guten Rahmen hinlegen. Die auch bei Fahrradkäufen zu beobachtende Geiz-ist-geil- Mentalität hält Hartwich für kurzsichtig. Der Anspruch, der Schnäppchen-Kauf für 1.000 Euro müsse "gut sein wie ein 2.000- Euro-Rad und leicht wie ein 5.000-Euro- Rad", der funktioniere halt nicht, so der Mountainbike-Fachmann. Die Gleichung "Nur teuer ist gut" stimmt andererseits auch wieder nicht. Das Serienrad mittlerer Preisklasse ist nach wie vor gefragt. "Für den, der ein möglichst leichtes Rad haben will, tut's der Alu-Rahmen schließlich auch", sagt Sylvia Rödig, Inhaberin der Kropfhamer Radzentrale in München. Der Hype ums Mountainbike ist nach ihren Worten in Metropolen wie München inzwischen rückläufig. "Was soll man damit in der Stadt auch anfangen", sagt sie.

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