Kurstadt Meran:Neuer Glanz

Stammgäste und Szenegänger: Meran macht eine Verjüngungskur und zieht internationale Besucher an.

Von Ingrid Brunner

Wer etwas über Meran erfahren möchte, ist bei Aaron Stecher an der richtigen Adresse. Seit vier Jahren ist er Barchef im Hotel Therme Meran, und wenn er Zeit hat für einen kleinen Plausch, gibt er seinen Gästen Tipps, wohin man in der Kurstadt schick ausgehen kann und wo außer bei ihm sonst noch ein gepflegter Cocktail geschüttelt wird. Tatsächlich gibt es etliche Möglichkeiten. Da ist zum Beispiel das Rossini in der Freiheitsstraße. Im Rossini hat Aaron Stecher sein Handwerk erlernt. Dort trifft man auch schon mittags Einheimische und Besucher beim Aperitif, sie naschen dazu Oliven und dünn gehobelten Speck. Doch da geht noch mehr, man muss nicht weit gehen, um vom Rossini gleich nebenan ins Why not? oder ins Café Forum auf einen trockenen Südtiroler Weißwein weiterzuziehen. Nun sind Nachtleben und Kurstadt ja nicht unbedingt Brüder im Geiste. Eher schon sucht man in jungen Jahren das eine und später im Leben das andere, Letzteres nicht selten, um die Torheiten der Jugend zu kurieren. Doch in Meran geht beides, erzählt der Barmann.

Seit zwölf Jahren lebt Stecher, der aus Prad am Stilfserjoch stammt, nun in Meran. In der Zeit habe sich hier einiges getan. Nicht nur seine Arbeit in der Bar habe sich verändert, erzählt er. Zum Beispiel gehe der Trend weg von üppigen Drinks wie der Piña Colada mit Schirmchen und viel Deko zurück zu den Klassikern wie Martinis oder zu neuen Kreationen mit Gin wie etwa der Basil Smash mit viel zerstampftem Basilikum, dazu Gin und Zitrone. Ein guter Sommerdrink, der mit der Zutat Basilikum gut nach Italien passt.

"Das Durchschnittsalter der Gäste liegt bei 44 Jahren", sagt Hoteldirektor Rudi Theiner

Auch draußen, auf der Promenade und in der Altstadt ist Veränderung sichtbar. "Die Gäste sind jünger geworden", erzählt er, "wir sehen viele junge Paare und junge Familien." Auch sein Chef Rudi Theiner ist mit 38 Jahren jung für einen Hoteldirektor. Theiner bestätigt die Verjüngung des Publikums. "Das Durchschnittsalter der Gäste in Meran liegt bei 44 Jahren", sagt er. Das würde man sich auf so manchem Kreuzfahrtschiff wünschen. Theiner kommt auch aus Prad, Südtirol ist nun mal eine kleine Welt, in der man sich kennt. Dann zog ihn der Job in große Häuser nach Tschechien und in die Schweiz. Seit 2011 ist er zurück. Er ist stolz auf das Hotel, das er leitet und dessen elegante Ausstattung vom Südtiroler Designer Matteo Thun stammt. Doch die jüngste Attraktion im Haus ist der im April eröffnete 2700 Quadratmeter große Sky Spa auf dem Dach des Hauses. Eine Wellness-Landschaft, die auch in New York oder Singapur Eindruck schinden dürfte. Vom Pool aus bietet sich ein grandioser Blick auf das alte Kurhaus, auf die Stadt und die umliegenden Berge.

Unten, am Bozner Tor, ist viel los. Die Stimmung ist quirlig in den Gassen, die Leute stehen Schlange an den Eisdielen, etwa bei Konstantin direkt an der Passer. Die prächtig restaurierten Traditionshotels prägen nach wie vor das Stadtbild, doch in etliche historische Bauten sind neue, originelle Geschäfte eingezogen. Einheimische schätzen zum Beispiel die Pizza von 357 in der Via Plankenstein. Dort reitet Sternekoch Andrea Fenoglio, Chef im Ristorante Sissi, sein Steckenpferd: die neapolitanische Pizza, mit dickem Rand, für die er eigens einen Pizzaiolo aus Neapel engagiert hat. Auch im La Bruschetta im Ortsteil Untermais setzen die Wirtsleute auf original italienische Küche. Freitag ist Fischtag. Der Gast sucht sich seinen Fisch an der Theke aus, der dann für ihn zubereitet wird.

Reiseinformationen

Anreise: Aus Deutschland mit der Bahn über Innsbruck und Bozen. Mit dem Auto aus Deutschland über den Brenner- oder den Reschenpass. Eine günstige und schnelle Alternative ist der Fernbus. Ab München ZOB Hackerbrücke in knapp viereinhalb Stunden ab circa 20 Euro (www.flixbus.de). Unterkunft: Hotel Therme Meran, Thermenplatz, 1, 39012 Meran; die Nacht ab 131 Euro pro Person im DZ inkl. Frühstück und Nutzung des Sky sowie des Garden Spa (www.hoteltermemerano.it). Ottmanngut Suite & Breakfast, Verdistr. 18, 39012 Meran, die Nacht ab 120 Euro pro Person im DZ mit Frühstück (www.ottmangut.it), auch externe Gäste sind zum Frühstück willkommen - aber nur nach Reservierung unter Tel. 0039/0473/449656. Kosten: 30 Euro.

Ist Meran also italienischer geworden? "Ich finde, eher internationaler", sagt Barmann Stecher. So entwirft und näht im Schneiderladen Moujo in der Passeirer Gasse Gabi Bertagnolli nach eigenen Entwürfen farbenfroh gemusterte Kleider, Röcke, Tunikas aus afrikanischen Baumwollstoffen. Ein guineischer Schneidermeister unterstützt sie dabei. Und seit Tyler Brûlé, der Chefredakteur des englischsprachigen Lifestyle-Magazins Monocle, in Meran ein Haus gekauft und eine Boutique eröffnet hat, interessieren sich plötzlich Gäste von weit her für die 40 000 Einwohner zählende Stadt. Im Garten des historischen Restaurants Schloss Kallmünz am Sandplatz sitzt man bei Oktopussalat mit mediterranem Gemüse wie in einem eleganten Szenelokal, das sich ebenso gut in Berlin befinden könnte - wären da nicht die vielen gut gekleideten italienischen Gäste.

Wer nun fürchtet, die Stadt, in der schon Kaiserin Sisi kurte und von deren Glanz der Ort noch heute zehrt, verliere ihre Seele, kann ganz beruhigt sein. Das alte Meran ist ohne das neue nicht vorstellbar. Die Spazierwege an der Gilfpromenade und die wild rauschende Passerklamm ziehen wie eh und je Spaziergänger an. Ein Stück höher führt der Tappeiner Weg zum öffentlichen Kräutergarten der Stadt und zum Pulverturm. Gänzlich beschaulich - oder auch schon wieder retro - ist der Einsessellift, den es schon in den Vierzigerjahren gab. Für vier Euro geht es hinauf nach Dorf Tirol, einem beliebten Startpunkt für Wanderungen. Nicht wenigen ist das Spazieren und Flanieren ein wenig zu langsam, sie joggen stattdessen auf Merans Wegenetz. Ein gutes Work-out mit Panoramablick, nach dem man sich einen Besuch im Pur Südtirol verdient hat. Dort findet der anspruchsvolle Genießer, was Südtirol an Köstlichkeiten zu bieten hat. Man bekommt dort Speck von "glücklichen" Schweinen, die noch wie früher gefüttert wurden und ein schönes Leben hatten. Dazu handgemachte Käse, prämierte Südtiroler Weine, Tee, Nudeln, Handwerkskunst - alles, was das moderne ebenso wie das traditionelle Südtirol ausmacht. Wer will, kann gleich an Ort und Stelle eine Marende oder ein paar Häppchen mit Wein zu sich nehmen. Das Interieur wurde authentisch mit regionalen Materialien vom Meraner Designer Harry Thaler gestaltet.

Doch Coolness allein wäre zu wenig. Nicht einmal Aaron Stechers durchgestylte Bar kommt ohne Bezüge zur Heimat aus. Auch wenn die Location Palm Lounge heißt, schwebt über der langen Theke eine mächtige Skulptur aus abgeworfenen Hirschgeweihen. "Die Geweihstangen sind ein Geschenk des Jagdvereins Südtirol", erklärt er, "und das Lichtstudio in Meran hat daraus etwas Kreatives gemacht."

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