Kulturhauptstadt 2010:Europa, schau auf Essen!

Berlin hatte zwei Kandidaten vorgeschlagen, in Brüssel fiel die Entscheidung: Essen wird 2010 neben dem ungarischen Pécs den Titel der Kulturhauptstadt Europas tragen. Die Ruhrgebiet-Metropole setzte sich gegen das sächsische Görlitz durch.

Die beiden Städte hatten dabei gegensätzlichen Konzepte verfolgt: Essen bewarb sich mit dem gesamten Ruhrgebiet als Region der Schwerindustrie im Wandel. Görlitz trat als Stadt mit zahlreichen Kulturdenkmälern an und wollte gemeinsam mit der polnischen Nachbarstadt Zgorzelec auf die Zukunft Europas im Osten verweisen.

Als weitere Kulturhauptstadt 2010 steht bereits Pécs in Ungarn als Vertreterin der neuen EU-Staaten fest. Als außereuropäische Stadt setzte sich Istanbul gegen die ukrainische Hauptstadt Kiew durch. Von den 15 alten EU-Staaten ist im Jahr 2010 Deutschland an der Reihe. 18 deutsche Städte waren 2003 zum Wettbewerb um den Titel angetreten.

In der nationalen Vorentscheidung landete Essen auf Platz eins und Görlitz auf dem zweiten Rang. Aus dem Feld geschlagen wurden unter anderem Potsdam, Schwerin, Köln, Bremen und Regensburg.

Da sich das Ruhrgebiet als Region nicht bewerben durfte, ging Essen voran, stellvertretend für das ganze Revier mit seinen 5,3 Millionen Menschen in elf kreisfreien Städten und vier Kreisen. Das Motto der Ruhrgebiets-Bewerbung: "Entdecken. Erleben. Bewegen."

Zentrale Lage in Europa

Das Ruhrgebiet präsentiert sich in modernem Gewand: Stillgelegte Zechen und Hochöfen wurden zu kulturellen Vorzeigeinstitutionen einer Region, die sich nach dem Ende der Bergbau- und Montan-Industrie zunehmend als Kulturmetropole begreift. Essen warb in Brüssel aber auch mit dem Revier als Einwanderungsregion und seiner zentralen Lage in Europa.

Zu den Vorzeige-Kulturprojekten zählen "Die Zweite Stadt" in 1000 Meter Tiefe in Schacht XII des Weltkulturerbes Zeche Zollverein und Lichtkunst entlang der zentralen Verkehrsader, der Autobahn 40. Zur Internationalen Bau-Ausstellung Emscherpark entstand aus einem alten Stahlwerk in Duisburg der "Landschaftspark Nord" - ein Freizeitpark für Kletterer und Taucher. Nachts wird die gesamte Anlage mit ihren Hochöfen mit einer Lichtinstallation in Szene gesetzt.

Einen guten Ruf genießen die Ruhrfestspiele Recklinghausen und das Schauspielhaus Bochum. 2002 startete das Theater-Festival Ruhrtriennale, das europäische Hochkultur in die alten Industriebauten bringt.

"Wandel durch Kultur - Kultur durch Wandel", so lautete die Losung der Essener Bewerbung. Beispielhaft für ähnliche Regionen in Europa will das Ruhrgebiet zeigen, wie die Kultur den Strukturwandel in einer einst von der Montanindustrie geprägten Region vorantreiben kann.

48 Millionen Euro Budget

Als Grundfinanzierung für Essen und das Ruhrgebiet als "Kulturhauptstadt Europas 2010" wurden für die Zeit von 2006 bis 2010 insgesamt 48 Millionen Euro veranschlagt. Dafür zahlt der Regionalverband Ruhr (RVR) 12 Millionen Euro, die Stadt Essen 6 Millionen Euro, das Land NRW 12 Millionen Euro und der Bund 9 Millionen Euro.

Sponsoren, also große im Ruhrgebiet ansässige Unternehmen, haben 8,5 Millionen Euro zugesagt. Dagegen ist der Beitrag der EU mit 500.000 Euro vergleichsweise bescheiden.

Diese Finanzierung soll noch durch Erschließung weiterer Finanzquellen auf insgesamt 78 Millionen Euro erhöht werden. Dabei wird allein die Zusammenarbeit mit dem Kulturfestival Ruhrtriennale mit 16 Millionen Euro veranschlagt.

Durch den Kulturtourismus rechnet der RVR allein im Hauptstadt-Jahr mit mindestens eine Million zusätzlicher Übernachtungen. Wenn jeder Tourist dabei 100 Euro ausgibt, kämen damit Einnahmen von etwa 100 Millionen Euro in die Region.

Zustimmung des Ministerrats Formsache

Görlitz wolllte unter dem Motto "From the middle of nowhere to the heart of Europe" (Aus dem Nirgendwo ins Herz von Europa) gemeinsam mit Zgorzelec eine kulturelle Brücke in die Zukunft Europas im Osten schlagen. Der EU-Ministerrat muss die Jury-Entscheidung im Herbst noch bestätigen, was aber als sicher gilt.

Die Kulturhauptstädte für die kommenden Jahre stehen bereits fest: 2006 darf sich das griechische Patras mit dem Titel schmücken. Ein Jahr präsentieren sich Luxemburg und das rumänische Sibiu.

2008 bieten Liverpool (Großbritannien) und das norwegische Stavanger ein buntes Programm für Kulturinteressierte. 2009 tragen das österreichische Linz und die litauische Hauptstadt Vilnius den Ehrentitel. Nach der Präsentation des deutschen Kandidaten Essen und des ungarischen Pécs erhält das estnische Tallinn das Etikett der Kulturhauptstadt.

Die siebenköpfige Jury in Brüssel wurde von dem Schotten Sir Jeremy Isaacs geleitet.

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