Krise der Regionalflughäfen:Totentanz auf den Subventionsgräbern

Billigfluggesellschaften wie Easyjet oder Ryanair ziehen immer dorthin, wo sie günstige Bedingungen vorfinden oder sich neue Passagierpotentiale erhoffen. Für viele Regionalflughäfen ist das existenzbedrohend.

Jahrelang steckten Kommunen und Länder Millionen in den Ausbau kleinerer Regionalflughäfen. Vor allem im Osten sollte nach der Wiedervereinigung manch heruntergekommener Militärflugplatz zum Luftverkehrs-Drehkreuz werden und auch andere Unternehmen zur Ansiedlung anlocken. Die meisten dieser hochsubventionierten Standorte - oft fern von den Ballungszentren gelegen - schreiben längst tiefrote Zahlen. Verschärft wird die Situation durch den Rückzug vieler Billigflieger.

Verkehrsexperten begrüßen das als längst fällige Marktbereinigung zugunsten des Steuerzahlers. Auch Air Berlin reagiert mit dem Rückzug aus der Region auf den scharfen Wettbewerb. Die zweitgrößte deutsche Airline ist selbst ins Trudeln geraten und dünnt jetzt ihr Streckennetz massiv aus. Im zweiten Halbjahr sollen mehr als 7500 Flüge wegfallen. Der Verzicht auf Erfurt ist schon beschlossene Sache. "Es ist durchaus möglich, dass auch andere Standorte geschlossen werden", kündigte Finanzvorstand Ulf Hüttmeyer jüngst an.

Die Luftverkehrssteuer soll schuld sein

Bei Easyjet heißt es, die zu Jahresbeginn eingeführte Luftverkehrssteuer sorge dafür, dass der Standort Deutschland an Attraktivität verliere. "Andere Märkte wachsen dafür stärker", betont Deutschlandchef Thomas Haagensen. Aus dem thüringischen Altenburg zog sich die irische Ryanair bereits ganz zurück - Ende März startete hier die letzte Maschine nach London. Jetzt will man in Altenburg mehr auf Geschäftsflüge setzen.

Auf dem von Rheinland-Pfalz kräftig subventionierten Hunsrückflughafen Hahn vollzieht sich gerade ein Teilrückzug der Iren. Neun Verbindungen mit zusammen 150 Flügen in der Woche hatte Airline-Chef Michael O'Leary zum Sommer gestrichen. Rund eine Million Passagiere und damit jeder vierte sollten nach seiner Prognose auf dem Hahn wegbleiben. Für den Winter sind bereits weitere Ryanair-Ziele gestrichen.

Nach den Statistiken des Flughafenverbands ADV ging allein im Juli die Passagierzahl in Weeze bei Kleve um 22,8, in Hahn um 21,7 und in Paderborn/Lippstadt um 11,1 Prozent zurück. Am Flughafen Lübeck rechnet man für dieses Jahr mit nur noch 400.000 Fluggästen, 2010 waren es noch rund 540.000.

Ein "heilsamer Prozess"

Der Erfurter Verkehrsforscher Matthias Gather sieht in der Entwicklung einen "heilsamen Prozess". Jahrelang habe durch die Subventionen eine Marktverzerrung stattgefunden, die nicht zur "erhofften Beflügelung der Regionen führte". An vielen Standorten wurde sogar doppelt subventioniert: In die Flughäfen und die einzelnen Flugverbindungen. Oft wurde das damit begründet, mittelgroße Städte besser internationale Drehkreuze anzubinden wie zum Beispiel Erfurt an München. Um die kleinen Regionalflughäfen Rostock-Laage oder Hahn siedelten sich aber infolge des Flugbetriebs kaum neue Unternehmen an. Vielen war das zu unsicher, "denn man wusste ja nicht, wie lange Ryanair und Co. ihr Angebot dort aufrechthalten."

Die Billigflieger seien wie ein Wanderzirkus. "Sie ziehen immer dorthin weiter, wo sie günstigere Bedingungen vorfinden oder neue Passagierpotenziale erreichen", betont Gather. Die Flughäfen abseits der Zentren sollten aber nicht per se in Frage gestellt werden, da auch sie wichtige Funktionen erfüllen, sagt Deutsche-Bank-Analyst Eric Heymann. "Doch überzogene Hoffnungen auf das Passagiergeschäft werden sich nicht erfüllen." Das liege zum einen schon daran, dass allein Ryanair auf das Geschäftsmodell mit den möglichst günstigsten Provinzpisten setzt, während die anderen Billigflieger sich eher auf die Flughäfen aus der zweiten Reihe hinter Frankfurt und München konzentrieren.

Dass Hessen nun ziemlich genau in der Mitte zwischen Paderborn und Erfurt-Weimar mit einem Aufwand von 270 Millionen Euro in Kassel-Calden einen dritten vollausgerüsteten Verkehrsflughafen ausbaut, wird von vielen nur noch mit regionalpolitischen Egoismen erklärt. Denn eine Fluggesellschaft, die regelmäßig von Nordhessen aus fliegen möchte, gibt es bislang jedenfalls noch nicht. Umweltschützer erwarten ein langjähriges Subventionsgrab.

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