Klo-Lektüre:Die schönsten Toiletten der Welt

Nur Sitzplätze: Ein Reiseführer konzentriert sich auf Klos - auf die schönsten, skurrilsten, witzigsten und einsamsten.

Rezension von Max Scharnigg

Ein Irrtum ist es ja, eine Reise anzutreten, um der Banalität des Lebens zu entfliehen. Schließlich importiert man mit sich hochgradig banale Vorgänge: Essenmüssen, Schlafenmüssen, Verdauenmüssen. Während man dem Essen mit exotischen Rezepten und in Garküchen, dem Schlafen in tollen Hotels und romantischen Hängematten immerhin einigen Erlebniswert zutraut, sollen sich die Erlebnisse in sanitären Angelegenheiten doch bitte in engen Grenzen halten.

Dabei ist die Toilettenkultur eine aufregende Spielwiese der Zivilisation, und es ist eigentlich schade, dass man immer nur davon berichtet, wenn sich Schauerliches zugetragen hat. Wenn man sich also angesichts eines Loches im indonesischen Boden akrobatisch oder beim freundlich begleiteten Klogang in Zentralafrika ungewohnt öffentlich erleichtern musste.

Dass der Gang zum Abort auch Höhepunkt einer Reise sein kann oder zumindest eine Postkarte wert, stellt nun ein neues Fotobuch des Reiseführer-Verlags Lonley Planet unter Beweis. Untertitel: "Die schönsten Antworten, wenn die Natur ruft."

Die derart zu Ehren gekommenen Örtchen sind also zwar still, erzählen aber trotzdem einiges über Land und Leute. Um die Vielfalt der Völker anschaulich zu machen ist das Klo ist eine sehr taugliche Maßeinheit, denn es gibt wirklich überall eines. Nur eben meistens nicht dort, wo man es dringend braucht.

Als Stiefkind der Architektur ist die öffentliche Bedürfnisanstalt in ihrer Gestaltung zudem sehenswerten Schwankungen unterworfen, wurde oft von Laien oder ohne Budget gezimmert oder nur irgendwie den örtlichen Gegebenheiten abgerungen. Wenn man so möchte, ist es der reinste aller Zweckbauten, als vom Wind zerfetzer Verschlag in der großen indischen Wüste etwa oder als verwitterte Blechbaracke auf dem Dach der Welt.

Genauso oft merkt man den Toiletten aber auch die Erleichterung an, die Menschen damit verknüpfen, es sind verspielte, heitere Örtchen wie die bunte Trissebude auf einem Felsen der Hohen Tatra oder die von einem Maori-Künstler verzierten Klozylinder bei Rotorua in Neuseeland. Dieses Land ist übrigens im Buch auffallend häufig vertreten. Stark frequentierte Wanderwege und eine Nähe zur Natur wirken sich offenbar günstig auf Klo-Kreativität aus.

Was, wenn das mein dringendes Örtchen sein müsste?

Egal wo, der Vorgang, der diese Bauten notwendig macht, ist überall gleich und jedem vertraut. Deswegen laden die Fotos auch stets zu einer kleinen Kopfreise ein: Was, wenn das mein dringendes Örtchen sein müsste? Das japanische Hightech-Klo mit Display wirkt dabei weniger einladend als eine Bretterhütte in den finnischen Wäldern oder das Treibholzhäuschen, irgendwo in den Klippen von British Columbia.

Es verfügt, wie man liest, nicht nur über einen sagenhaften Blick, sondern auch über eine moderne Gezeitenspülung. Bedeutet, zweimal in 24 Stunden sorgt die Flut für saubere Verhältnisse unter dem Lokus.

Vieles im Buch erfreut in derart rustikaler Ungeniertheit, aber es gibt auch Aufnahmen, in denen das Klo den Höhepunkt der Zivilisation markiert. So kann man im Peninsula Hotel dekadent pinkeln, mit Blick über die Tower von Hongkong, oder in Wien jene mondäne Kultur genießen, die Adolf Loos 1909 den öffentlichen Toiletten dort angedeihen ließ.

Zukunft in Form einer nüchternen Vorrichtung für Raumschiffe ist ebenso vertreten wie Vergangenheit, angesichts der ziemlich netten Gesellschaftstoiletten aus Marmor, die im antiken Ephesus genutzt wurden. Auch wenn dieser Reiseführer also nicht gleich Tickets buchen lässt - er macht eine wichtige Banalität endlich Coffeetable-tauglich.

Toilets: A Spotter's Guide by Lonely Planet

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