Kiffer-Tourismus:Wie die Legalisierung Colorado verändert

Kiffer-Tourismus: Jedes Jahr feiern Marihuana-Freunde am 20. April überall in den USA große Parties. Seit der Legalisierung kommen immer mehr Touristen nach Denver in Colorado.

Jedes Jahr feiern Marihuana-Freunde am 20. April überall in den USA große Parties. Seit der Legalisierung kommen immer mehr Touristen nach Denver in Colorado.

(Foto: AP)
  • In Colorado versuchen Firmen und Agenturen, das Image von Marihuana zu verbessern, um neue Kunden anzusprechen. Manche bieten spezielle Touren an und zeigen Gewächshäuser sowie Spezialläden.
  • Die meisten Kunden sind älter als 30 und wohlhabend.
  • Durch die Legalisierung hat sich das Image von Colorado verändert - gerade unter jungen Amerikanern ist der Staat mit seiner Metropole Denver sehr populär.

Von Matthias Kolb

Wie der Marihuana-Tourismus wächst

Die Stimmung ist prächtig im schwarzen Bus, der langsam durch Denvers Innenstadt fährt. An der Außenwand steht in grünen Lettern "My420Tours", im Inneren kreisen Joints und Wasserpfeifen. "Geht es euch allen gut?", fragt Ashley Scott und verteilt Wasserflaschen an die 30 Männer und Frauen, die an diesem Wochenende eine Tour gebucht haben. "Trinken ist wichtig", ruft die junge Frau und mahnt zur Vorsicht beim Aussteigen aus dem Bus.

My420Tours hat nach der Legalisierung in Colorado als erste Firma im Januar 2014 spezielle Kiffer-Touren angeboten. Wer ein Paket bucht, wird Freitagabend vom Flughafen abgeholt, darf schon auf dem Weg ins Hotel den ersten Joint rauchen und geht samstags auf Städtetour. Die Gruppe hat bereits zwei Gewächshäuser besichtigt, nun folgt ein Besuch im "Native Roots"-Shop. Damit niemand, der unter 21 ist, den Laden betritt, werden die Ausweise kontrolliert, bevor es einige Treppenstufen nach unten geht.

Dort strahlen die Wände in leuchtendem Weiß, das Design ist stylisch und die Budtender genannten Verkäufer sind äußerst kompetent. "Wie oft rauchst du Cannabis? Hast du Interesse an Hasch-Keksen und wie viel Geld willst du ausgeben?" Eine halbe Stunde wird eingekauft, danach geht es in einen Laden, der Glas-Utensilien wie Wasserpfeifen verkauft. "Alle Bongs wurden von Künstlern gefertigt, die in Denver leben", ruft Scott stolz. "Support your neighborhood", das ist auch im Kiffer-Tourismus wichtig.

Neben Scott und dem Fahrer sind noch drei andere Mitarbeiter dabei, die stets aufpassen, dass den Teilnehmern nichts passiert und etwa den Bus nicht mehr finden. Vorsicht ist wichtig: Jeder in der Gruppe hat eine Broschüre bekommen, in der die rechtliche Hintergründe und Notfallnummern aufgeführt sind. Passiert sei noch nie etwas, meint Scott - wer zu viel Cannabis konsumiere, schlafe eben ein und werde nicht aggressiv, wie es bei so vielen Betrunkenen passiert.

Die Angebote im Cannabis-Tourismus, die auf diversen Websites aufgelistet sind, werden immer spezieller. Wer möchte, kann sich in der Stretch-Limousine durch Denver fahren lassen oder einen Ausflug zum Skifahren oder in die Wildnis buchen. Neben den Wochenend-Angeboten gibt es Tagestickets oder Kurzführungen. Für My420Tours arbeiten sechs Mitarbeiter in Vollzeit - und sie präsentieren sich nicht nur in ihren Videos äußerst professionell. Als nächstes, sagt My420Tours-Managerin Scott, wolle man versuchen, ähnliche Touren im Großraum Seattle anzubieten.

Wer für 4/20-Touren nach Colorado reist

Eines ist klar: Es ist eine kaufkräftige Klientel, die Touren bei einem professionellen Anbieter bucht. Inklusive Hotelzimmer kosten die "Pot-Packages" in der Regel mehrere hundert Dollar, hinzu kommt noch der Flug. Die älteste Teilnehmerin sei 82 gewesen, erinnert sich Ashley Scott. Die Leute kämen von überall her und gehörten keiner besonderen Gruppe an - "from all walks of life", wie es in Amerika gern heißt.

Unter den Leuten, die im schwarzen Bus-Ungetüm auf Stadtrundfahrt gehen, ist keiner jünger als 30. Es sind viele Paare darunter, die meisten sind weiß, aber es ist auch eine schwarze Familie, die den 40. Geburtstag von Mike feiert. Er lebt in Atlanta in Georgia, wo Kiffen verboten ist. "Ich wollte sehen, wie das hier funktioniert", meint er. Mike ist begeistert und führt ein beliebtes Argument an: "Für mich ist es Teil der persönlichen Freiheit, dass mir der Staat nicht vorschreibt, was ich konsumieren darf und was nicht."

Auch andere hoffen, dass nach Colorado, Washington, Oregon, Alaska und der Hauptstadt Washington DC bald weitere Staaten den Privatkonsum von Marihuana erlauben. Sie interessieren sich für die geschäftlichen Aspekte (mehr über das Milliarden-Geschäft rund um Cannabis in diesem SZ.de-Text). Aus Boston ist der 50-jährige Bob mit seinem Vater angereist. Er will sich darauf vorbereiten, eine ähnliche Tour anzubieten, wenn Massachusetts nachzieht.

Während der "My420Tour" erzählen die Fremdenführer auch davon, wie oft Marihuana in Colorado mittlerweile als Schmerzmittel eingesetzt wird (medical marijuana) und dass die Besucher nicht zu viel und zu schnell von den Cannabis-Keksen naschen sollen: Deren Wirkung setze erst nach zwei Stunden ein und überrasche viele in ihrer Heftigkeit. Und Ashley Scott weiß natürlich auch, wieso so viele Anbieter das Datum 4/20 im Namen tragen: Der 20. April gilt in den USA seit den siebziger Jahren als Feiertag für Kiffer. Damals wurden vor allem in Kalifornien demonstrativ Joints geraucht, um die Freigabe zu fordern. In Denver steigt rund um dieses Datum ein großes Festival in der Innenstadt, zu dem Besucher aus aller Welt anreisen.

Was die Cannabis-Legalisierung für Colorados Image bedeutet

Hinterland der USA - Irgendwo in Iowa

Weit weg von den Metropolen der Küsten gibt es im "American Heartland" Iowa wenige Menschen und weite Landschaften. Bilder aus einem Staat, den Touristen oft links liegen lassen.

Dank der Vorreiter-Rolle Colorados hat Ricardo Baca einen einzigartigen Job: Er ist der offizielle "Marijuana Editor" der Denver Post und hat für die Zeitung eine eigene Website namens The Cannabist aufgebaut, die das Thema in allen Aspekten beleuchtet. "Marihuana hat das Image von Colorado definitiv verändert. Je nach Perspektive finden das die Leute hier wunderbar - oder schrecklich", sagt er der Süddeutschen Zeitung. Nicht alle seien froh, dass Denver nun als "Amsterdam of America" gelte - einige konservative Organisationen hätten ihre Mitglieder aufgerufen, nicht mehr zum Skifahren nach Vail oder Aspen zu fahren, um gegen diese "sündige" Entscheidung zu protestieren.

Allerdings, berichtet Baca, würden viele jüngere Ski-Fans genau aus diesem Grund nach Colorado reisen: "Sie sagten uns: 'Wir lieben Park City in Utah und Beckenridge in Colorado, aber bei euch kann man nun kiffen. Deswegen sind wir hier.'" (Mehr über die Folgen der Cannabis-Legalisierung für die Ski-Orte, lesen Sie in diesem SZ-Text). Sowohl Denver als auch die nahe gelegene Uni-Stadt Boulder gehören zu den beliebtesten Städten für jene jungen Akademiker, um die alle US-Regionen buhlen . Gerade Denver, wo sich zuletzt eine großartige Szene aus Restaurants und kleinen Brauereien entwickelt hat, wächst rasant und die Freigabe von Marihuana fördert den Ruf als weltoffene Stadt mit hoher Lebensqualität.

Marihuana-Korrespondent Ricardo Baca begrüßt die Entwicklung. Gerade in den ersten Tagen nach der Legalisierung seien viele Leute aus den konservativen Nachbarstaaten Kansas und Oklahoma gereist. Einige standen schließlich weinend in Läden wie "Native Roots": "Sie konnten es kaum fassen, dass man nun Marihuana einfach so kaufen kann. Einige von ihnen saßen jahrelang im Knast, weil sie mit der Droge erwischt wurden oder gedealt hatten." Da sei ihm klar geworden, wie wichtig das Experiment sei, das Colorado gestartet habe, sagt der Journalist.

Wie die Welt künftig über Kiffen denken soll

Für Baca steht die in seinen Augen positive Veränderung der US-Gesellschaft im Vordergrund. Andere wollen das Image des Kiffens verändert, um mehr Umsatz zu machen. In Denver haben sich zuletzt viele kleine Agenturen gegründet (Details bei der New York Times), die die Öffentlichkeit überzeugen wollen, dass Marihuana weder gefährlich ist noch ausschließlich von Rastazöpfe tragenden, arbeitslosen Stoners konsumiert wird.

In Wahrheit würden Hausfrauen ebenso gern wie erfolgreiche Manager um die 50 gern ab und an einen Joint rauchen, argumentieren sie. Gerade die essbaren Cannabis-Produkte, die 45 Prozent des Markts ausmachen, sind hier besonders interessant.

Wieso Kochen für das neue Image so wichtig ist

Auch die Organisatoren von My420Tours wollen den Marihuana-Konsum so mehrheitsfähig wie möglich machen. Sie setzen dabei auch auf Essen: Wer das ganze Paket ihrer Tour bucht, der verbringt den Sonntagmorgen mit einem zweistündigen Kochkurs. Der 27-jährige Blaine Alexander zeigt, wie man besonderes Studentenfutter, Cookies und karamelisiertes Popcorn anfertigt. Der Clou: Das normale Öl wird dabei durch eine Cannabis-Infusion ersetzt.

Die Gruppe ist begeistert und packt vor allem das Studentenfutter und das Popcorn in Plastikbeutel ein. Manch einer wird das meiste noch in Denver essen, andere wollen im Flugzeug naschen oder diese Snacks ihren Freunden zeigen.

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