Katalogsprache:Streicheleinheiten für den Hybrid-Urlauber

Wenn der Strandaufenthalt zur Performance hochgejubelt wird: Die sprachlichen Untiefen bei der Beschreibung von Luxus-Reisen.

Hilmar Klute

Eine nicht totzukriegende Akrobatikfigur ist die baumelnde Seele. Kurt Tucholsky hat sie 1931 in seinem Roman "Schloß Gripsholm" zum ersten Mal aufführen lassen - damals noch auf einer grünen Wiese; seitdem ist jeder, der ein paar Tage ausspannen will, aufgerufen, die Seele baumeln zu lassen wie einen Elefantenrüssel. Ließe man alle Seelen in den Resorts und Spa-Oasen dieser Welt nebeneinander baumeln, könnte man mit ihnen alternative Energien erzeugen, die ganze Saunalandschaften versorgen.

Aber die Touristiker wollen ja genau das Gegenteil: Sie möchten, dass die Kunden, die eine Traumreise buchen, keinen Handschlag zu viel machen: "Lassen Sie die Seele inmitten eines tropischen Blütenmeers in einer Hängematte baumeln", empfiehlt der Veranstalter Dertour in seinem Katalog. Dass etwas derart Flüchtiges wie die Seele in einem so grobmaschigen Möbel wie der Hängematte baumeln darf, ist so überraschend wie einleuchtend: Das Leben soll im Urlaub dermaßen leicht sein, dass man es gar nicht mehr spürt.

Vor zehn Jahren hätte es ausgereicht, wenn man den Urlaubern gesagt hätte: Kommt nach Thailand, fahrt auf die Malediven und macht euch ein paar schöne Tage in einer Gegend, die an sich schon paradiesisch ist! Mittlerweile ist die Schönheit so vertraut, dass sie durch exklusive Handreichungen und Darbietungen sensationeller gemacht werden muss.

Die erste Handreichung ist der Katalog. Dertour leistet sich für den Einband seines Hotelführers eine Blindprägung in mattem Silber auf weißem Grund mit UV-Beschichtung. Eine charmante Überflüssigkeit, die erst dann ins Auge fällt, wenn man sie erklärt bekommt.

Reiche Schnäppchenjäger

Adressaten dieser Erholungsfibel sind die Vertreter der "luxusaffinen" Klientel, die der Veranstalter auch "hybride Kunden" nennt, was folgendes meint: Urlaubswillige, die soviel Geld besitzen, sind bereit, 4000 Euro für eine luxuriöse Reise auszugeben. Gleichzeitig möchten sie das Gefühl haben, sie hätten ein Schnäppchen gemacht. Es sind Menschen, die zuhause bei Aldi einkaufen und in der Karibik in Schokoladenextrakten baden. Millionäre mit eingebautem Müntefering-Reflex. Und für diese Art stilistischen Spagats haben die Reiseveranstalter eine adäquate Katalogsprache erfunden.

Für die Destinationen USA und Karibik gilt beispielsweise: "Hier wird echter ,lifestyle' groß geschrieben." Dass Lifestyle in diesem Satz kleingeschrieben ist, zeigt dabei nur, wie lässig Anspruch und Wirklichkeit ineinander verschmelzen dürfen.

Streicheleinheiten für den Hybrid-Urlauber

Die Verlockungen in den Katalogen sind ja eigentlich nicht neu: In den Paradiesen des Indischen Ozeans eröffnen sich "pittoreske Buchten" und "schneeweiße Sandstrände" - alles bekannt und beliebt. Die Frage ist: Was macht der hybride Kunde daraus?

Die Antwort: Er lässt sich "inspirieren", "entwickelt" seine Wünsche und lässt parallel dazu seine Phantasie "beflügeln". Also liegt er nicht faul wie ein Apfel am Strand herum, sondern darf sein süßes Nichtstun als kreativen Akt begreifen. Die Kataloge schreiben ihm seine Strandaufenthalte in Performances um.

Alles, womit sich der Tourist umgibt oder beschäftigt, ist "hochwertig": der Reiseführer, die Reiseunterlagen, die Hotellerie. Auch die Kulissen der Urlaubsorte sind von einem unerhörten Variantenreichtum. Die Hotels auf den Malediven wurden zum Beispiel nach den Verheerungen durch den Tsunami recht schick renoviert und haben an Eleganz gewonnen. Viele sind bekanntlich auf Stelzen gebaut.

Aber, laut Katalog, auf atemberaubend abwechslungsreiche Weise: Away Spa ist "auf Stelzen in die Lagune gebaut", wohingegen das One&Only Spa "auf Stelzen über die Lagune gebaut" ist, während das Restaurant Sunset Grill immerhin "auf Stelzen über dem Meer" steht. Übertroffen werden alle drei vom Open-Air-Restaurant Celsius: Es ist "in die Lagune gebaut mit Sandboden".

Krieg um den Entspannungsplatz

In den Katalogen zeigen die Veranstalter ihre besondere Zuneigung zu frisch Vermählten: "Tui hat ein großes Herz für Paare auf Hochzeitsreise." Dabei tritt Tui gewissermaßen als sanfte Zweitinstanz nach dem Standesamt auf: Innerhalb von vier Wochen soll man sich bei Tui melden, dann bekommt man eine Flasche Wein, Obst und Schokolade auf das Zimmer. Wenn ein Paar das Luxury Zimmer bucht, erhält es eine Flasche Sekt und ein Handtuch. Mit dem Handtuch kann es dann die Liegestühle markieren und so den stummen Krieg um den Entspannungs-Platz erklären. Dertour macht in Sachen Hochzeitsreisen sogar Anleihen bei morgenländischen Basaren und bietet Paaren eine Ermäßigung von 50 Prozent auf den Hotelpreis der Braut an. Dazu werden ein Candle-Light-Dinner, 1 Pareo und 1 T-Shirt gereicht.

Ständig wird etwas geschenkt, inklusiv angeboten oder nachgeschickt. Wenn man wieder zu Hause ist, wirft der lange Arm der Tui dem Urlauber sogar noch eine Ausgabe der Zeitschrift Feinschmecker in den Briefkasten. Die Touristiker vertrauen mehr denn je auf die Macht der schönen Worte. Und der hybride Kunde lässt sich gerne beschreiben, wie hochwertig, inspirierend und beflügelnd es ist, wenn die Seele auf Stelzen durch die Lagune baumelt.

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