Ein Engel schwebt vom Campanile auf den Markusplatz ins Zentrum der opulenten Pracht: Auf dem Maskenball in Venedig weiß man sich in Szene zu setzen - mal mit, mal ohne Gondel. Der Carnevale di Venezia in Bildern. So kennt man Venedig in den Wintermonaten: romantisch, beschaulich und leicht melancholisch. Doch die Lagunenstadt kann auch anders.
Hier ist die fünfte Jahreszeit zwar weniger verrückt als andernorts. Dafür gilt die öffentiche Maskenschau als einzigartig, so dass sie der Stadt im unwirtlichen Februar enorme Besucherzahlen beschert. Das kann auch das wenig einladende Symbol des diesjährigen Karnevals nicht verhindern, ein Bulle mit glühenden Augen und dekorativ verschränkten Hörnern, inspiriert von einer früheren blutigen Tradition in Venedig: dem Stierkampf samt Köpfen des Bullen. Das Maskottchen auf dem Floß zeigt schon, was wichtig ist in Venedig zur Zeit der Masken: Nicht heiße Rhythmen, nein, nur die Pose zählt - am besten vor wiedererkennbaren Sehenswürdigkeiten wie ...
... Gondeln mit Lagune, ...
... Gondel ohne Lagune oder ...
... Lagune (fast) ohne Gondeln, aber mit Campanile von San Giorgio Maggiore. Der "Doppelgänger" des Turms am Markusplatz steht auf der gleichnamigen Insel.
Doch die Szenerie dominieren noch bis zum 21. Februar Masken und Posen. Dass man sich dabei hochgeschlossener gibt als in Rio de Janeiro, ist sinnvoll.
Schnee und Eis bedecken derzeit die Dächer und Plätze von Venedig.
Wer auf dem zugigen Markusplatz zu sehr friert und es sich leisten kann, ...
... investiert einen Teil seines Urlaubsgeldes in einen wärmenden caffè corretto im berühmten Caffè Florian direkt am Platz - vorausgesetzt, er möchte sich in die illustre Gesellschaft einfügen, die sich dort im Karneval trifft und den Besuch zur Zeitreise macht. Wer lieber im Jetzt bleibt, sucht sich eines der zahlreichen Museen und Theater aus, die ein umfangreiches Kulturprogramm bieten.
Menschen ohne Maske haben keine Entschuldigung - die Accessoires sind Pflicht, es gibt sie überall zu kaufen. Das diesjährige Motto des Carnevale di Venezia lautet: "La vita è teatro. Tutti in maschera" (Das Leben ist ein Theater. Jeder ist maskiert). In diesem Sinne wird an allen Ecken posiert, als spielten die Kostümierten die Hauptrolle in einem Bühnenstück - ganz Venedig wird zum Theater. Erstmals erwähnt wurde der Carnevale di Venezia im Jahr 1094.
Ein Höhepunkt ist der Volo dell'Angelo (Engelsflug): Immer zehn Tage vor Aschermittwoch schwebt eine mehr oder weniger prominente Frau am Drahtseil vom fast hundert Meter hohen Campanile hinab auf den Markusplatz. Trotz Eiseskälte verfolgten Tausende Menschen den Flug der 21-jährigen Giulia Selero, die sich dafür im vergangenen Jahr in einem Wettbewerb qualifiziert hatte. Wer das traditionelle Ereignis verpasst hat, das inzwischen von einem Sportartikel-Hersteller gesponsert wird und daher im Englischen als "Reebok Angel Flight" nicht mehr ganz so romantisch klingt wie früher, hat am Sonntag, 19. Februar, und am Dienstag, 21. Februar, noch mal die Chance, die Engelsgleiche herabgleiten zu sehen.
Zur ersten Maskenparade am vergangenen Sonntag waren nach Angaben der Stadtverwaltung etwa 23.000 Venezianer und Touristen auf den Markusplatz geströmt, um zu sehen, gesehen zu werden und um Fotos zu machen. Allerdings waren entgegen dem Motto nicht alle kostümiert.
Bei der Parade wird täglich noch bis zum 21. Februar das beste Kostüm prämiert. Eigentlich sind nicht die berühmten weißen Masken, die das gesamte Gesicht bedecken und in allen Größen als Souvenirs verkauft werden, die typischen venezianischen Masken.
Zu den Anfangszeiten des Karnevals verdeckten die Teilnehmer ihr Gesicht meist nur mit Theatermasken, die Kinn und Mund freilassen - Träger dieser Masken sind bei der Kaffeepause eindeutig im Vorteil. Aber geht es in Venedig denn niemals so ausgelassen zu wie in Köln oder gar Rio?
Zumindest einige Maskenträger geben sich Mühe, so fröhlich zu wirken wie die Feiernden zur frühen Hochzeit des venezianischen Karnevals, ...
... zu Zeiten des ebenfalls legendären Casanova im 18. Jahrhundert. Abschluss der Tage voller Konzerte, Auftritte und Bälle ist am 21. Februar die Vogata del Silenzio, eine stille Wasserparade. Allein mit Kerzen beleuchtet, fahren traditionelle Ruderboote und Gondeln den Canal Grande hinunter. An der Punta della Dogana wird dann der symbolische Bulle vom Floß gestoßen und in der Lagune versenkt - und mit ihm der Carnevale 2012.