Karneval in Rio de Janeiro:Alles zurück auf Tanz

Ein schwerer Unfall überschattet den Wettkampf der Sambagruppen beim Karneval in Rio de Janeiro. Doch die Show muss weitergehen.

1 / 12
(Foto: REUTERS)

Wir feiern - trotzdem. So lautete das Motto von Anfang an. Trotz Wirtschaftskrise, trotz der verfallenden Olympia-Stadien, trotz Gewalt - in 16 Städten mussten aus Sicherheitsgründen alle Umzüge abgesagt werden - und trotz eines Bürgermeisters, der nichts übrig hat für dieses Spektakel und nicht einmal symbolisch den Stadtschlüssel von Rio de Janeiro persönlich überreichte. Schließlich gehört der Karneval am Zuckerhut nicht nur zum Lebensgefühl der Einwohner, er ist auch ein Riesengeschäft: 1,1 Millionen Touristen werden diese Woche in Rio erwartet. Im Sambódromo herrschte in der Nacht zum Rosenmontag von Beginn an ordnungsgemäß ausgelassene Stimmung, als die erste von sechs Sambaschulen (in der Nacht zum Dienstag haben weitere sechs ihren Auftritt) durch die Tribünenstraße zog. Doch dann geriet einer der Prachtwagen außer Kontrolle.

2 / 12
(Foto: Reuters)

Der letzte Wagen der Sambaschule Paraíso do Tuiuti sei plötzlich rückwärts gefahren und habe Menschen gegen das Gitter auf der einen Seite der Promenade gedrückt. "In dem Chaos machten die Fahrer ein schnelles Manöver in die entgegengesetzte Richtung und verletzten noch mehr Leute", sagte Polizei-Ermittler William Lourenco Bezerra. Zwölf Menschen erlitten nach Angaben des Rettungsdienstes meist leichte, in einem Fall aber auch schwere Verletzungen, andere Quellen sprechen von noch mehr Verletzten. Die meisten Karnevalsbesucher bekamen den Zwischenfall zunächst gar nicht mit. Viele stimmten der Entscheidung zu, die Parade fortzusetzen. "Es ist sehr traurig, aber den Karneval zu stoppen, würde ein noch größeres Problem erzeugen", sagte ein Tourist aus Salvador, Jonas Elias. Sprich: hohe Einbußen, enttäuschte Besucher und einen Imageschaden für die Stadt.

3 / 12
(Foto: AP)

Noch keine Stunde läuft zum Zeitpunkt des Unfalls das Finale der zwölf besten Sambaschulen im von Oscar Niemeyer entworfenen Sambódromo. Die 1952 gegründete Schule Paraíso do Tuiuti, die noch nie den Titel gewann und im vergangenen Jahr den Aufstieg in den erlauchten Kreis der zwölf Besten schaffte, hatte ein Jahr lang auf diesen Tag hingearbeitet.

4 / 12
(Foto: AP)

Doch kaum sind die Krankenwagen um Mitternacht abgefahren, die Spuren des Unfalls bei strömendem Regen weggewischt, kommt die Ansage: Wir machen weiter! Die 72 000 Menschen auf den Tribünen jubeln. Die folgende Schule Gres Acadêmicos legt eine kurze Pause ein, bittet um Solidarität mit den Verletzten. Dann läuft die Show, die auch im Fernsehen übertragen wird, erneut an. Auf der Straße hinter dem Sambódromo warten ungeduldig die nächsten Schulen auf den 75 Minuten dauernden Durchmarsch durch das 700 Meter lange Stadion, bei dem sie die Zuschauer, aber vor allem die Jury beeindrucken wollen.

5 / 12
(Foto: Reuters)

Einer hat von vornherein klargemacht, was er von dem Spektakel hält: Marcelo Crivella. Seit diesem Jahr ist er der neue Bürgermeister der Metropole am Zuckerhut, ein Bischof der umstrittenen neocharismatischen "Universalkirche des Königreiches Gottes". Schwarzen warf er schon mal vor, vor allem Cachaça-Schnaps zu mögen, Homosexuelle sieht er als "Opfer eines schrecklichen Übels". Zur Schlüsselübergabe ließ er die Narren stundenlang warten, dann erschien nur die Kulturbeauftragte zur symbolischen Übergabe des Stadtschlüssels an König Momo. Seine Frau habe eine Grippe, ließ der Bürgermeister ausrichten.

6 / 12
(Foto: Reuters)

Die Sambaschulen kontern den Boykott der Bürgermeisters auf ihre Weise, etwa mit Huldigungen der afrobrasilianischen Religionskulte, wie dem Candomblé.

7 / 12
(Foto: Reuters)

Besonders politisch war der Auftritt eines der Favoriten: Die Schule Imperatriz hatte als Gegner nicht den feierunwilligen Bürgermeister, sondern Geschäftemacher im Agrarbusiness gewählt: Die Wagen und Tänzer würdigten das indigene Volk der Xingu im Amazonasgebiet, deren Leben durch die Abholzung des Regenwaldes für den Anbau von Soja sowie den Abbau von Rohstoffen gefährdet ist.

8 / 12
(Foto: Reuters)

Die Hauptpersonen waren nicht nur etwas skurril auf den Köpfern der Tänzer von Imperatriz vertreten, sondern ...

9 / 12
(Foto: AFP)

... nahmen auch persönlich an der Parade teil, darunter die Häuptlinge Raoni Metuktire (Mitte) und Megaron Txucarramae (zweiter von rechts).

10 / 12
(Foto: AFP)

Und auch sie durften nicht fehlen: Die Samba-Tänzerinnen, bereits beim Umzug ungekrönte Königinnen. Wie sehr sie trainieren müssen, um etwas über eine Stunde lang möglichst perfekt zu tanzen, sieht man den Bauchmuskeln dieser Dame in Grün an.

11 / 12
(Foto: Reuters)

Trotz der Anstrengung darf das Lächeln nicht verrutschen, denn auch Charme und Ausstrahlung der Darbieter tragen zu Sieg oder Niederlage der Sambaschule bei. Hier verbreitet eine Tänzerin von Vila Isabel gute Laune.

12 / 12
(Foto: Reuters)

Da rücken profane Probleme zumindest zeitweise in den Hintergrund. Allerdings machte sich die Wirtschaftskrise auch durch Gerüche bemerkbar: An der Zahl der Chemie-Toiletten wurde in diesem Jahr ebenfalls gespart. Die Show geht in der Nacht zum Faschingsdienstag weiter: Dann haben die nächsten sechs Sambaschulen ihren großen Auftritt. Am Aschermittwoch gibt die Jury ihre Entscheidung bekannt. Und am Samstag tanzen die sechs besten der zwölf angetretenen Sambaschulen noch einmal durchs Sambódromo.

© SZ.de/kaeb/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: