Karlsbrücke in Prag:Auf Magie gebaut

Fluten, Armeen, Touristen - die Prager Karlsbrücke hat in 650 Jahren vieles ausgehalten, nun ist sie reif zur Renovierung

Klaus Brill

Man kennt aus alter Überlieferung den Tag und die Stunde, ja sogar die Minute, und deshalb war es ein Leichtes, fürs Jubiläum den magischen Moment genau zu ermitteln.

Karlsbrücke, dpa
(Foto: Foto: dpa)

In der Nacht zum Montag, um 5.31 Uhr, ist es genau 650 Jahre her, dass Kaiser Karl IV. in seiner Hauptstadt Prag den Grundstein für jene Brücke legte, die seinen Namen trägt. Am Montag früh um 5.31 Uhr werden deshalb die heutigen Nachfolger des spätmittelalterlichen Herrschers auf der Karlsbrücke jenes historischen Augenblicks gedenken, der eigens von den Hofastrologen berechnet worden war.

Dem Bauwerk sollte Glück beschieden sein, und tatsächlich hat es seit dem 9.Juli 1357 alle Arten von Belastungen überstanden, den Andrang des Wassers und der Besucher ebenso wie die Angriffe von Soldaten und Jahrhundertfluten. Und gegen moderne Vandalen ist es seit neues-tem ebenfalls geschützt.

Wenn also am Montag früh der Prager Erzbischof, Kardinal Miloslav Vlk, im Beisein des Staatspräsidenten und des Oberbürgermeisters die Brücke betritt, um wieder, wie vor 650 Jahren, den Grundstein zu segnen, dann kann er dies mit einem Dankgebet verbinden.

Der damals begonnene Bau, der vom Veitsdom-Architekten Peter Parler aus Schwäbisch Gmünd geleitet und erst nach 1400 fertiggestellt wurde, hat es zu Weltruhm gebracht. Heutzutage betreten manchmal bis zu 30.000 Touristen am Tag die Brücke und bummeln die 500 Meter lange Strecke von der Altstadt zur Kleinseite hinüber und umgekehrt, vorbei an 30 smog-geschwärzten Skulpturen, die die Pfeiler krönen.

Banausen wie jene jungen Briten, die mit Billigflügen in Mitteleuropas Metropolen einfallen, um den Junggesellenabschied mit einem kollektiven Besäufnis nebst Besuch im Puff zu adeln, haben in jüngerer Zeit 18 Brückenheilige beschädigt. Ein Engelchen wurde hinabgestürzt, von einem Kreuz die hebräische Inschrift abgerissen, auch Nasenspitzen wurden abgehackt.

Manches fanden städtische Taucher am Grunde der Moldau wieder - und noch viel mehr, was in Jahrhunderten im Wasser gelandet war. Seit kurzem sind die Statuen elektronisch gesichert, außerdem hält die Polizei die Karlsbrücke mittels zehn Überwachungskameras ständig im Blick.

Auf Magie gebaut

Nicht immer war das Bauwerk, das wie die ganze Innenstadt von der Unesco zum Weltkulturerbe gerechnet wird, so sehr den Fremden ausgeliefert. Jahrhundertelang diente es den Pragern als einzige Verbindung zwischen Altstadt und Hradschin, erst 1870 erhielt es den heutigen Namen.

Auch Fuhrwerke und Straßenbahnen überquerten hier die Moldau, seit 1965 sind nur noch Fußgänger zugelassen. Und seitdem in großer Zahl die Touristen kommen, haben sich auch Kleinkünstler und Händler auf der Brücke breitgemacht.

Waschbrett-Artisten, Gitarristen oder Jongleure bitten ebenso um Aufmerksamkeit und Kleingeld wie Maler oder Schnellzeichner, die Passanten porträtieren. Natürlich offeriert man auch Tausende Karlsbrücken in Öl und Aquarell sowie Schwarzweißfotos aus Zeiten, als man das Bauwerk nachts noch in einem heute äußerst selten anzutreffenden Zustand ablichten konnte: leer.

Das Logo des Kaisers

Zur Feier des Geburtstags wird sie wohl wieder voll sein, auch wenn der mittelalterliche Zauber, der aus diesem Anlass schon von Sonntag an entfesselt wird, sich hauptsächlich am Altstädter Ring entfalten soll: Ritterturniere, Auftritte von Musikanten, Gauklern und Gespenstern. Danach wird es ernst.

Ende Juli beginnt die seit langem angekündigte und immer wieder verzögerte umfassende Restaurierung, die bis zu 13 Jahre dauern könnte. Unter anderem ist eine gründliche Abdichtung der Fundamente und eine Erneuerung jener Wasserteiler nötig, die dem Schutz der Pfeiler dienen. Viel Zeit wird auch ein Austausch schadhafter Steine beanspruchen. In welchem Umfang dafür Absperrungen nötig sind und ob zur Finanzierung ein Brückenzoll erhoben werden soll, ist immer wieder Gegenstand heftiger Diskussionen.

Indes steht denkbaren Einschränkungen seit kurzem ein neues Angebot gegenüber, das Brückenmuseum, das die Geschichte des Bauwerks und seinen Gründer ausgiebig präsentiert. Das Logo dieser neuen Einrichtung ist die magische Zahl des alten Kaisers, die in auf- und absteigender Linie alle ungeraden Ziffern enthält: 1-3-5-7-9-7-5-3-1. Wie gesagt: Im Jahre 1357, am 9.Juli, um 5.31Uhr wurde der Grundstein gelegt.

Allerdings hat ein Wissender am Zauber gekratzt: Laut Stadtarchivar Vaclav Ledvinka ist eine exakte Zeitangabe der Grundsteinlegung gar nicht zweifelsfrei überliefert (was andere Historiker bestreiten). Zudem hat man damals nach dem Julianischen Kalender gerechnet, zwei Jahrhunderte später wurde aber der Gregorianische Kalender eingeführt, es ergab sich eine Verschiebung um zwei Wochen. Bei Montag früh aber bleibt's.

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