Kanada:Auf Spurensuche in Whistler

Nicht umsonst sind die Olympischen Winterspiele 2010 nach Vancouver vergeben worden: Die Ski- und Snowboard-Möglichkeiten im nahen Whistler sind fantastisch.

Stefan Herbke

Die Reize von Whistler entdeckt man bereits beim Frühstück. Hinter der Theke mit den leckeren Muffins und unterhalb der großen Tafel, auf der all die unterschiedlichen Kaffee- und Schokoladensorten aufgelistet sind, stehen die beiden Mädels, die wir nach dem Namen des Kaffees kurzerhand als Mogul's Sisters bezeichnen.

Kanada: Der Hubschrauber wartet schon!

Der Hubschrauber wartet schon!

(Foto: Foto: Herbke)

Gut gelaunt stehen sie da und warten auf die Bestellung, während wir Gefahr laufen, den Überblick zu verlieren. Was fasziniert mehr: der Blick auf die bauchfreien Shirts mit dem Piercing im Bauchnabel oder die Auswahl an kalorienreichem Gebäck? Es ist wirklich nicht einfach, hier die Übersicht zu bewahren, vor allem, wenn man erst mitten in der Nacht aus Europa eingeflogen ist und jetzt versucht, möglichst als erster am Lift zu sein.

Doch wer seine Spuren in den frischen Powder legen möchte, der muss sich beeilen. Auf dem Weg durch die Fußgängerzone Whistlers zeigt sich schnell, dass die Konkurrenz groß ist, und so wird - trotz verlockender Aussichten - selbst das Frühstück im Mogul's Coffee House abgekürzt, nur um keine Zeit zu verlieren.

Whistlers Skiberge

Blackcomb und Whistler Mountain heißen die beiden traumhaften Skiberge, die alles bieten, was man sich als Skifahrer oder Snowboarder nur wünschen kann. Jeder für sich wäre bereits ein Skigebiet der Superlative mit Möglichkeiten für mehrere Tage, und so wechseln nur wenige tagsüber das Skigebiet, sondern entscheiden sich bereits morgens für "nur" einen Berg. Es ist einfach unglaublich, wie viele Möglichkeiten es gibt. Bereits ein Lift hat gut und gerne zehn oder mehr Abfahrtsversionen, dazu kommen noch zahlreiche markierte, aber nicht präparierte Varianten, die vom Schwierigkeitsgrad weit über dem liegen, was man aus den Alpen kennt.

Schwer, schwerer, double black diamond

Erst 1980 erschlossen wurde der Blackcomb Mountain mit seinem kleinen Gletscher, auf dem selbst im Sommer Skibetrieb herrscht, und der die vielleicht anspruchsvollsten Skirouten Kanadas bietet. In mehreren Etappen ziehen die Lifte hinauf zum Showcase-Schlepplift, dem Tor zu den weiten Tiefschneehänge des Blackcomb Glaciers, der eine echte Genussabfahrt bietet.

Nur für Könner sind dagegen die Skirouten, die über den Eingang Spanky's Ladder zu erreichen sind: Schwierigkeitsgrad double black diamond, schwärzer geht's wirklich nicht. Steile, mit Felsabbrüchen durchsetzte Flanken ziehen in die Tiefe, so steil, dass man den Auslauf gar nicht sehen kann, geschweige denn weitere Schlüsselstellen in Form von hässlichen Blankeispassagen, Engstellen oder meterhohe Absätze. Hier haben nur Könner etwas verloren, alle anderen sollten nach einem Blick in die Tiefe auf der Stelle kehrt machen.

Doch die wahren Cracks halten sich nicht nur an die Skirouten, die fahren einfach überall, selbst dort, wo es nach menschlichem Ermessen gar nicht mehr geht. Immer wieder sieht man Spuren, die so unglaublich zwischen und über die Felsen führen, dass einem schon beim Hinschauen ganz anders wird.

Bereits 1966 startete der Skibetrieb am Whistler Mountain, der für seine Schneeschüsseln (Bowls) unter dem Gipfel bekannt ist. Traumhaft sind hier die langen Talabfahrten nach Whistler und vor allem nach Creekside, auf denen die Abfahrtsläufe während der Olympischen Winterspiele in Vancouver stattfinden.

Auf Spurensuche in Whistler

Skigebiete der Superlative

Whistler als Austragungsort der Skiwettbewerbe während der Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver ist aber nicht nur ein Top-Gebiet für Variantenfahrer, auch auf den Pisten gibt es reichlich zu entdecken: breite "Autobahnen", auf denen selbst Einsteiger gefahrlos ins Tal kommen, eine endlose Folge rasanter Steilhänge, auf denen man sich gut vorstellen kann, wie die weltbesten Skifahrer beim Abfahrtslauf dem Geschwindigkeitsrausch verfallen, oder Buckelpisten, die ihrem Namen wirklich alle Ehre machen.

Rund 280 Kilometer Strecken gibt es - 70 km schwer, 150 km mittel und 60 km leicht - in einem gut 3300 Hektar großen Areal, die von Whistler auf 675 Meter Höhe bis auf knapp 2300 Meter Höhe reichen. Bis zu elf Kilometer lang sind die 200 Abfahrten, die es zu entdecken gilt. Und wem selbst das nicht reicht, der kann beim Heliskiing seine letzten unerfüllten Träume verwirklichen.

Besser geht's nicht

Das lohnt sich vor allem, wenn Whistler unter einem Warmlufteinbruch leidet und sich die Talabfahrten, die bisher nur zu einem Teil beschneit werden können - bis zu den Olympischen Winterspielen gibt es noch viel zu tun -, in grüne Wiesen verwandeln. Mit dem Hubschrauber geht es innerhalb kürzester Zeit hinein in die hohen Berge, wo garantiert ausreichend Powder liegt. Und das Beste: Die Berge hier sind so vielseitig, dass jede Abfahrt neue Eindrücke garantiert. Je nach skifahrerischem Können suchen die Guides hier wirklich die passenden Hänge aus.

Retortenstation mit Charme

Zurück zu Whistler, das von Vancouver aus übrigens in zwei Fahrstunden zu erreichen ist. Sowohl das Skigebiet als auch der Ort sind perfekt durchgeplant. Die Pisten, Lifte und der Ort mit seiner Fußgängerzone gehen nahtlos ineinander über. Entsprechend kurz sind die Wege, alles kann zu Fuß erreicht werden. Einige Hotels haben sogar direkten Zugang zu den Pisten, bei anderen muss man einige Minuten durch die Fußgängerzone laufen, vorbei an Geschäften und Kaffees, und schon steht man am Ticketschalter und bei den Liften und kann je nach Lust und Laune auf einen der beiden Skiberge schweben.

Am Ende eines solchen Tags fährt man quasi mit Ski direkt zu den Restaurants und Bars, die sich rings um den großen "Zieleinlauf" gruppieren, und lässt dort die Sache gemütlich ausklingen. Letztlich ist Whistler mit seinem unübersehbaren Fünf-Sterne-Hotel "Château Whistler" eine Retortenstation, allerdings eine, die keineswegs mit einer in Frankreich verglichen werden darf.

Natürlich mag hier alles etwas künstlich wirken - vor allem die auffallend verschachtelten, fast schon monströs wirkenden Dächer -, dennoch fühlt man sich auf Anhieb wohl, nicht zuletzt deshalb, weil der Autoverkehr komplett aus dem Ort verbannt ist. Gerne spaziert man abends noch durch den Ort, stöbert in den Geschäften oder trinkt noch einen Kaffee. Diesmal allerdings nicht im Mogul's Coffee House, das macht erst wieder am nächsten Tag in der Früh' wieder auf.

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