Italien:Pizza fünf Sterne

La Thuile im italienischen Aostatal hat das Zeug zu einem mondänen Skiort. Immerhin gibt es dort schon mal ein erstes Luxushotel. Auch wenn sich dieses als solches nicht auf den ersten Blick zu erkennen geben möchte.

Von Hans Gasser

Der Inder Manvinder Puri muss ein unterhaltsamer Mensch sein. Nicht, dass wir ihn selbst getroffen hätten. Er ist schwer zu greifen, sitzt ständig in Flugzeugen zwischen Mailand, Mauritius und London. Aber es werden lustige Geschichten über ihn erzählt. Dass er sich zum Beispiel ein ganzes Wochenende durch die Pizzerien von Neapel gegessen habe; nur um herauszufinden, welches der beste Pizzaofen für sein neues Hotel in La Thuile sei. "Buy it! Buy it!", rufe er seinen Managern zu, sobald er etwas entdeckt hat, was er für eines seiner Hotels der Gruppe Nira zu brauchen glaubt.

Das jüngste dieser bisher vier Hotels umfassenden Kette steht in La Thuile, einem Dorf auf 1450 Meter im Aostatal in Italien. Fast wären wir am Fünfsterne-Haus Nira Montana vorbeigefahren, denn von außen sieht es, nun ja, sehr nach Understatement aus. Spitzer Giebel, Holzbalkone, weißer Verputz. Kein Naturstein, keine Glasfassade, keine auch nur ansatzweise originelle Architektur. Als Oligarch hätte man seinen SUV wohl gewendet und wäre Richtung Chamonix oder St. Moritz weitergefahren. Als Nicht-Oligarch betritt man das Nira Montana und stellt fest, dass es einen relativ großen Unterschied zwischen draußen und drinnen gibt.

Vom geölten Massivholzboden über die italienischen Designerlampen bis hin zur Alcantara-bezogenen Sitzgarnitur am offenen Kamin sind hier alle Insignien des Luxus zumeist geschmackvoll aneinandergereiht. Das überaus freundliche Personal empfängt einen in lila Wollpullovern, eine Farbe, die sich im Teppichboden der Zimmerflure wiederfindet. Altes Stadelholz wird auf den Zimmern kombiniert mit monochromer Baumtapete, Flokati und weißen Designer-Hirschköpfen. Die "Pizzeria", wo der teure neapolitanische Ofen seine Dienste tut, ist mit einem dieser nun vielerorts in Räumen sprießenden Birkenwälder von der Bar abgetrennt, an der ambitionierte Keeper Edelweiß-Gin-Tonic oder Chili-Pampelmusen-Spritz mischen.

La Thuile, das ist ein typisches Aostaner Bergdorf, mit steingedeckten Häusern und relativ wenigen großen Bausünden - wenn man mal von den vielen Zweitwohnungen absieht, bei denen die meiste Zeit des Jahres die Fensterläden zu sind. Das 700-Einwohner-Dorf liegt in einem breiten Wiesengrund, umgeben von hohen Bergen. Von hier geht die Straße zum Kleinen St.-Bernhard-Pass hinauf, der die Grenze zu Frankreich markiert. Im Winter ist der Pass geschlossen, aber man kann sehr gut auf Skiern rübermachen. Das Skigebiet Espace San Bernardo verbindet das italienische La Thuile mit dem französischen La Rosière. Vom Belvedere, dem mit gut 2600 Metern höchsten Punkt des Skigebiets, sieht man das beeindruckende Mont-Blanc-Massiv, nur zehn Kilometer Luftlinie entfernt. Dabei ist La Thuile nicht so mondän wie das nahe Courmayeur auf der Süd- und das weltbekannte Chamonix auf der Nordseite des Mont Blancs. Eine Shopping-Fußgängerzone gibt es hier noch nicht, dafür Bäcker, Metzger und unaufgeregte Bars, in denen man entspannt sein Glas Wein trinken kann.

Informationen

Anreise: Der nächste Flughafen ist Genf, von dort am besten per Mietwagen in knapp zwei Stunden nach La Thuile: drei Tage Kompaktklasse kosten ab 158 Euro, www.autoeurope.de

Hotel: Nira Montana in La Thuile, Doppelzimmer mit Frühstück ab 350 Euro, www.niramontana.com

Skifahren: Der Tagesskipass (150 Pistenkilometer) kostet 40 Euro, www.lathuile.it

Das Skigebiet bietet neben seinen schönen, teils anspruchsvollen Pisten auch gute Freeride-Möglichkeiten, und die kennt niemand so gut wie Mauro Collomb. Der Skilehrer und Bergführer, der auch im Winter nur mit Flipflops und Socken durch das Dorf läuft, ist ein La Thuiler Original. Seine langen weißen Haare hat der Endvierziger, seit er von einer großen Lawine oben am Chaz Dura erfasst wurde. "Ich dachte, jetzt ist es vorbei. Aber dann hat sie mich wieder ausgespuckt - zwei Monate später waren meine Haare weiß." Collomb, dessen Urgroßvater der erste Bergführer von La Thuile war, führt Gäste zum Freeriden oder zum Heliskiing, das hier und im benachbarten Valgrisenche erlaubt ist. Doch die betuchte Kundschaft ist weniger geworden, die italienische Wirtschaftskrise sei deutlich spürbar, sagt Collomb. Früher seien die reichen Mailänder oder Turiner eine Woche zum Skifahren mit Skilehrer gekommen, heute höchstens noch ein Wochenende. "Oder sie rufen mich an und sagen: "Wir können nicht mehr kommen, Mauro."

Dass Manvinder Puri nun ausgerechnet sein Fünfsterne-Hotel samt schickem Wellness-Bereich während der Krise in La Thuile eröffnet hat, ist kein Zufall, sondern Strategie: Der Inder sucht sich stets weniger bekannte und weniger teure Lagen in der Nähe bekannter Orte. Er will damit Kunden erreichen, die den Trubel und das Angeberische satt haben, trotzdem aber auf gewohnten Luxus nicht verzichten wollen. So gesehen ergibt die schmucklose Fassade des Hotels Sinn. Ob das Konzept in La Thuile, wo es sonst vor allem in die Jahre gekommene Drei- und wenige Viersterne-Hotels gibt, funktioniert, muss sich noch zeigen.

Die Neugierigen unter den Einheimischen kommen immerhin schon mal zaghaft in die öffentlich zugängliche Bar und das Restaurant des neuen Hotels. Die Güte der Pizza hat sich bereits herumgesprochen, auch ihr Preis. Damit sein Luxushotel nicht zur Pizzeria verkommt, hat der Hoteldirektor ihn bei 17 Euro angesetzt.

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