Istrien:Ab nach Neu-Italien

Ob Trüffel, Wein oder Olivenöl - Istrien hat sich innerhalb weniger Jahre zum Dorado für Gourmets entwickelt.

Gottfried Knapp

Da liegt sie auf einer Schale, 650 Gramm schwer, groß wie die Faust eines Schwergewichtsboxers, eine bizarr geschwollene Kartoffel, die einen alarmierenden Duft ausströmt.

Trüffel, dpa

Welch leckere Prachtsücke: Trüffel.

(Foto: Foto: dpa)

Sie gehört vielleicht nicht zur alleredelsten Sorte, aber ein paar Tausend Euro wird sie schon erbringen, wenn sie in einem guten Restaurant grammweise über die Nudeln gehobelt wird.

Das Objekt, das von den Food-Fotografen geradezu ekstatisch umtanzt wird - das bislang größte Prachtstück der eben eröffneten Trüffelsaison in Istrien -, ist nur eine der Sensationen beim zweitägigen kulinarischen Marathon "Tartufo d'Oro" im Großhotel der spanischen Sol-Gruppe an der Adriaküste.

Der legendäre französische Trüffelkoch Clément Bruno weist gern darauf hin, dass er im Lauf eines Jahres ganze Zentner von Trüffeln - vor allem die schwarzen aus dem Périgord - in seinen Lokalen verarbeitet.

Bohnen und Speck

Am Abend vorher hat er 80 Gäste und Kollegen aus der europäischen Spitzengastronomie im Hotel-Restaurant mit acht Trüffel-Gängen zu verwöhnen versucht.

Der Triumph gelang ihm freilich nur zum Teil, weil die als Einzelgänge konzipierten butter- und trüffelsatten Gerichte sich in der Massierung gegenseitig ein wenig um ihre mögliche Wirkung brachten.

Am Tag darauf thronte das Koch-Monument Clément Bruno dann als Chef der internationalen Jury beim kulinarischen Wettbewerb "Tartufo d'Oro" mitten unter den genießenden Gästen.

Wie in den Jahren zuvor waren je ein Spitzenkoch aus Italien, Österreich, Slowenien und Kroatien zum Wettbewerb, zum Zelebrieren der in Istrien gewachsenen märchenhaften Knollen angetreten. Jeder Koch hatte mit den istrischen Trüffeln zwei Gerichte zu gestalten.

Glückliche Gesichter

An diesem zweiten langen Trüffel-Abend im Sol-Hotel "Aurora" in Umag sahen die Gesichter der versammelten Kenner noch deutlich glücklicher aus als beim Franzosen-Tag, denn es passierte das Wunder, dass sich die acht originellen bis avantgardistisch kühnen Gerichte, die an diesem Abend ohne vorherige Absprache hintereinander geschaltet wurden, aufs originellste ergänzten.

Der erste Preis - die Goldene Trüffel - ging in diesem Jahr an das Zwei-Sterne-Restaurant Arnolfo im toskanischen Städtchen Colle di Val d'Elsa.

Dessen Koch Gaetano Trovato hatte in seiner Vorspeise den Trüffeln einen wirkungsvollen Auftritt auf einer Art Dinkelpolenta verschafft; ergänzt wurde die Komposition durch einen Hauch von weißen Bohnen und Kaisergarnelen in grünem Speck: Italien überzeugte also mit Ländlichem in einer originellen Mischung.

Doch auch was Thomas Guggenberger vom Karnerhof am Faaker See oder der in Spanien geschulte junge slowenische Koch zu bieten hatten, ließ die wuchtigen Kreationen des Franzosen vom Tag zuvor ein wenig plump aussehen.

Mit dem internationalen Kochwettbewerb um die "Goldene Trüffel" eröffnet Istrien nun schon seit fünf Jahren seine herbstliche Schlemmersaison.

Perfekte Adaption

Die auf der Landkarte wie eine Traube in die nördliche Adria hängende Halbinsel Istrien - ein schmaler Streifen Land an der Nordküste gehört zu Slowenien, alles Übrige zu Kroatien - ist ja neben der Region Alba im italienischen Piemont die einzige Landschaft der Welt, in der das monströs duftende Kultobjekt der Gourmets, der "Tuber Magnatum Pico", die unübertrefflich intensiv duftende und schmeckende weiße Alba-Herbsttrüffel, in verwertbaren Mengen vorkommt.

Und da auch die anderen bekannteren Trüffelsorten - es gibt noch zwei weiße und sieben schwarze, die zu unterschiedlichen Zeiten gedeihen - in den Wäldern im Innern der Halbinsel reichlich geerntet werden, konnte Istrien die Kultformen aus dem benachbarten Italien perfekt für sich adaptieren. So wurde das Land innerhalb weniger Jahre zum zweiten wichtigen Wallfahrtsort für menschliche "Trüffelschweine".

Es ist vor allem ein recht unbedeutend aussehender, von Kanälen flankierter Auenwald im Mirnatal zu Füßen der schönen Bergstadt Motovun, in dessen Steineichendschungel die lizenzierten Trüffeljäger mit ihren Hundemeuten in den feuchten Morgenstunden die unter der Erdoberfläche gewachsenen Weißen Trüffeln aufspüren.

Den Ruhm versilbert

In diesem Wald wurde vor einigen Jahren auch die größte Trüffel aller Zeiten - ein 1300 Gramm schweres Exemplar - gefunden. Der glückliche Finder, der geniale Selbstvermarkter Giancarlo Zigante, ist nicht nur im Guinness Buch der Rekorde registriert, er hat seinen Ruhm auch geschickt versilbert, hat ein kleines Trüffel-Verkaufs- und Verwertungs-Imperium aufgebaut, das mit seinen Filialen inzwischen bis nach München reicht.

Zentrum der Zigantischen Aktivitäten ist das Dorf Livade in Sichtweite des Trüffelwaldes. Dort hat der Trüffelpapst in einem schönen Haus aus jenen k. und k. Tagen, als noch Züge aus Wien das Land durchquerten und eine kleine Regionalbahn sich in zahllosen Kurven über die Weinhügel hinweg von Tal zu Tal kämpfte, eine Weihestätte für die lokale Trüffel eingerichtet: das Restaurant Zigante.

Der fensterlose, mit Schmiedeeisengittern ornamentierte Steinraum ist zwar sicher nicht nach dem Geschmack aller Feinschmecker, doch was der Spitzenkoch, den man in die Provinz gelockt hat, mit den omnipräsenten schwarzen und weißen Trüffeln an verblüffenden Varianten zaubert, ist jeden Umweg wert.

Im neuen Gault-Millau von Österreich hat Zigantes Restaurant zwei Hauben geerntet - und es ist keineswegs das einzige Haus in dieser gehobenen Kategorie im kleinen Istrien.

Zwölf Hauben und viele Punkte haben die Tester von Gault-Millau bei ihrer letzten Umschau nach Istrien vergeben. Schon allein das zeigt, wie rasch und kreativ die immer schon nach Italien orientierten Istrier die kulinarischen und gastronomischen Erfolgsrezepte des Nachbarlandes auf die eigenen Möglichkeiten angewandt und dabei alte, im Sozialismus fast vergessene lokale Traditionen wiederbelebt haben.

Die Welt zu Füßen

Beim Olivenöl beispielsweise setzt man heute wieder auf allerhöchste Qualität - und kann, wie der Direktvergleich beim Kochwettbewerb zeigte, im Idealfall sogar mit den Spitzenerzeugern der Toskana, denen die Welt zu Füßen liegt, mithalten.

Auch beim Wein hat sich Gewaltiges getan seit den Tagen der großjugoslawischen Massenerzeugung. Ob die neuen Spitzenwinzer allerdings gut beraten sind, wenn sie fast all ihre Weine - auch den filigranen, ortstypischen Malvasier - in teure, die Frische tötende Barriques stecken, die den Preis ins Unanständige hinauftreiben, darf bezweifelt werden.

Eine Straße des Olivenöls und drei Weinstraßen erschließen vom Meer aus das schöne, hügelig-grüne Hinterland, das immer wieder prächtige Blicke aufs nahe Meer bereithält und von einigen reizvollen Bergstädtchen gekrönt ist.

Endlose Felsstrände

Im Sommer jedenfalls, wenn die in den letzten Jahren großenteils modernisierten Riesenhotels aus sozialistischer Zeit und die meist frei zugänglichen endlosen Felsstrände mit ihren schönen Pinien-Steineichen-Hainen überfüllt sind, kann man mit dem Auto in wenigen Viertelstunden das weitgehend unverbaute Hinterland und seine ländlichen Refugien erreichen.

Das kroatische Istrien, das als Region schon im Europäischen Rat der Regionen vertreten ist, ist auf seinem Weg in Richtung Westen also schon enorm weit vorangekommen.

Man kann die kleinen Hotels und Restaurants, die hohes gastronomisches Niveau mit schöner Individualität verbinden, wie das wunderbare Hotel San Rocco in Brtonigla oder das fabelhafte Fischrestaurant cok in Novigrad, zwar immer noch an beiden Händen aufzählen, doch wenn es im gleichen Tempo in Richtung Individualtourismus weitergeht, hat Istrien mit seinem Hinterland als ruhige Ferienregion am Mittelmeer beste Zukunftschancen.

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Informationen

Restaurants: Zigante, Livade 7, 52427 Livade, Kroatien, Telefon: 00385/52/66 43-02, Fax:- 03, E-Mail: cea-trade@pu.tel.hr, Internet: www.zigantetartufi.com

Konoba cok, Sv. Antona 2, 52466 Novigrad, Kroatien. Telefon: 00385/52/75 76 43, E-Mail: sergio.jugovac@pu.tel.hr

San Rocco, Srednja ulica 2, 52474 Brtonigla, Kroatien, Telefon: 00385/52/72 50-00, Fax:- 26, E-Mail: info@san-rocco.hr, Internet: www.san-rocco.hr

Weitere Auskünfte: Istrien Information, Bayerstr. 24, 80335 München, Telefon: 089/543 70 48-0, Fax: -1 E-Mail: info@istra.hr, www.istra.hr

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