Islands neue Küche:Exotik am Polarkreis

Dank heißer Quellen gedeihen in Island Zitronengras und Bananen. Mit heimischem Fisch und Lamm entstehen daraus neue Gerichte.

Von Ingrid Brunner

Wenn im Restaurant "Plássið" in Stykkishólmur als Appetizer Brot und Tomatentapenade auf den Tisch kommen, sollte der Gast nicht gleich die Nase rümpfen: Denn erstens gibt es dazu auch noch hausgemachten Matjes in einer Blaubeer-Buttermilch-Marinade. Zweitens ist das Brot frisch gebacken - und die Tomaten stammen sehr wahrscheinlich aus isländischem Bioanbau. Seit Islands Gärtner und Bauern die Erdwärme für sich entdeckt haben, heiße Quellen anzapfen und damit Beete und Gewächshäuser temperieren, gedeihen nur wenig südlich vom Polarkreis sogar Bananen, Zitronengras und Koriander. Das Beste daran: Die Energie kostet praktisch nichts, denn eine eigene heiße Quelle auf dem Grundstück zu haben, ist in Island fast der Normalfall: Auf 80 Prozent der Inselfläche sprudeln heiße Thermalquellen.

Doch heimische Tomaten bilden nur den Auftakt zu der einen oder anderen kulinarischen Überraschung. Die Rede ist hier ausdrücklich nicht vom fermentierten Grönlandhai, der schon Heerscharen von Touristen das Gruseln gelehrt hat. Ebenso wenig wie vom Súr Hvalur - gesäuertem Wal -, oder von Papageientauchern, die geräuchert oder gekocht serviert werden. Wer etwa im alten Hafenviertel von Reykjavik im Restaurant "Mar" speist, wird all das vergeblich suchen. Denn das Mar gehört zu Elding, einer Unternehmensgruppe, die sich ganz dem Schutz der Meeressäuger verschrieben hat. Nur wenige Schritte vom Restaurant entfernt liegen Eldings Whale-Watching-Boote im Hafenbecken. "Meet us, don't eat us" lautet das Firmen-Motto. Stattdessen setzt der junge Küchenchef Jóhann G. Jóhannesson im Mar täglich eine Auswahl an fangfrischem Fisch auf die Karte. Ein Klassiker ist die köstlich duftende Muschelsuppe. Sie wird in Terrinen serviert, der Gast nimmt sich so viel er möchte. Das ist in Island üblich. Die Portionen sind traditionell üppig, aber die Zubereitung ist modern. Auf schickem Geschirr wird dem Gast eine Fusion aus isländischen Zutaten und eurasischer Zubereitung serviert. Etwa marinierte Jakobsmuscheln aus dem Breiðafjörður in Kokos-Ananas-Limettensoße oder Wildpilz-Hummer-Risotto mit isländischem Schinken. Aber auch Fisch mit Chips aus Süßkartoffeln oder zartes isländisches Lamm stehen auf der Karte. Auf ihr Lammfleisch sind die Isländer stolz: Die Tiere verbringen den Sommer im Freien und ernähren sich von den Kräutern des Hochlands - etwa dem arktischen Thymian. Das Lammfleisch, scherzen die Einheimischen, sei schon vormariniert. Der "Réttir" im Herbst ist alljährlich ein soziales Ereignis, zu dem Freunde und Verwandte aus der Stadt anreisen und den Bauern helfen, die Schafe aus dem Hochland ins Tal zu treiben. Natürlich auf dem Rücken eines Islandpferdes.

Islands neue Küche: Isländer lieben ihre Schafe - die heimischen Kräuter würzen das Lammfleisch schon auf der Weide.

Isländer lieben ihre Schafe - die heimischen Kräuter würzen das Lammfleisch schon auf der Weide.

(Foto: Brunn)
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