Interview:"Carving macht das Skifahren nicht gefährlicher"

Das Vorurteil, Carvingski würden zum Rasen verleiten und das Verletzungsrisiko erhöhen, hält sich hartnäckig. Michael Berner, Sicherheitsexperte beim Deutschen Skiverband (DSV), widerlegt es.

Martina Guttenberger

SZ: Die Stiftung Sicherheit im Skisport (SiS) des DSV analysiert seit Jahren das Unfall- und Verletzungsrisiko deutscher Skifahrer. Hat die Zahl der Unfälle nun zugenommen oder nicht?

Berner: In den 25 Jahren, die wir auswerten, hat die Zahl der gemeldeten Verletzungen um 42 Prozent abgenommen.

SZ: Wie kommt das? Man hat schließlich den Eindruck, dass Skifahren durch die Carvingskier immer schneller wird und es folglich mehr Kollisionsunfälle geben müsste.

Berner: Das ist definitiv nicht so. Skifahren mit Carvingskiern ist auf keinen Fall gefährlicher geworden, das belegen unsere Zahlen eindeutig. Kollisionsunfälle sind um fast 50 Prozent zurückgegangen.

Viele haben einen Anstieg der Unfallzahlen allerdings vermutet, als Carvingskier vor gut zehn Jahren auf den Markt gekommen sind. Es hat sich aber nicht bewahrheitet, zumindest nicht für den Breitensport.

SZ: Wie erklären Sie den deutlichen Rückgang der Unfälle und der dabei entstehenden Verletzungen?

Berner: Dafür gibt es viele Gründe. Zum einen muss man natürlich das Material betrachten. Sehen Sie sich die Sicherheitsbindungen oder Schuhe von vor 25 Jahren an - da hat sich viel getan. Dann natürlich die Pistenpflege: Pisten werden heute wesentlich besser präpariert und abgesichert. Der Skihelm ist sicher ein ganz wichtiger Faktor, auch die Länge der Ski. Carvingskier werden kürzer gefahren und sind damit leichter zu steuern. Seit Einführung der Carver sind zum Beispiel die Knieverletzungen zurückgegangen.

SZ: Wohin geht die Tendenz, welche Verletzungen nehmen zu?

Berner: Wir registrieren momentan eine leichte Zunahme von Polytraumata, also schwerwiegenden Mehrfachverletzungen. Es könnte sich dabei allerdings um einen statistischen Ausreißer oder eine saisonale Schwankung handeln. Ob diesbezüglich der vermehrte Einsatz von künstlichem Schnee eine Rolle spielt, ist noch nicht belegt.

SZ: Könnte es auch daran liegen, dass die Anzahl von Skifahrern auf den Pisten gestiegen ist?

Berner: Nein, das ist ein Trugschluss, wie wir bereits nachgewiesen haben. Es befinden sich zwar mehr Skifahrer als früher auf den Pisten, aber die Kapazitäten haben schließlich zugenommen. Unsere Untersuchungen haben aber ergeben, dass sich die meisten Skifahrer unter diesen Umständen vorsichtiger verhalten, das heißt, langsamer und kontrollierter fahren als früher.

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