Hotelbranche:Wie's dem Gast gefällt

Hotel Schani Wien

Die Zukunft ist digital im Wiener Hotel Schani. Eine Rezeption gibt es dennoch.

(Foto: Hotel Schani)

Schreibtisch, Telefon, Minibar? In den Hotels der Zukunft gehört das der Vergangenheit an. Wie die Idee, dass das gleiche Zimmer für alle Kunden passt.

Von Hans Gasser

Die Zukunft erinnert zunächst eher an Ikea als an ein Raumschiff. Wer im Wiener Hotel Schani ganz zeitgemäß per Smartphone-App sein Hotelzimmer aufgesperrt hat, sieht sich bunten Schrankmodulen ohne Türen gegenüber. Das Waschbecken und die Dusche stehen gleich neben dem Bett, abtrennbar nur durch einen Vorhang. Die Wand vor dem Bett ziert ein künstlerisch gestalteter Stadtplan mit wichtigen Sehenswürdigkeiten und natürlich ein großer Flachbildfernseher. Auf ihm kann man per "Screen Mirroring" etwa seine Netflix- oder Youtube-Filme vom Smartphone im Großformat sehen. Das Wlan dafür ist schnell.

Vergeblich sucht man in diesem Zimmer einen Schreibtisch, ein Telefon für den Room-Service oder einen Kühlschrank mit der Minibar. Das alles sind Dinge von gestern, wenn man Vanessa Borkmann glaubt.

Die gelernte Architektin arbeitet für das Fraunhofer Institut und befasst sich dort seit 2008 mit Konzepten für das "Hotel der Zukunft". Mit Kooperationspartnern wie dem Familienbetrieb Hotel Schani am neuen Wiener Hauptbahnhof lotet sie aus, was für Hoteliers und Gäste am besten funktioniert. "Wir machen zwei Haupttrends aus, die sich in den nächsten Jahren weiter beschleunigen werden: die Digitalisierung und die Spezialisierung", sagt Borkmann.

15 bis 20 Personen verlegen ein- bis zweimal pro Woche ihr Büro hierher

Wie schnell es geht, zeigt sich daran, dass manches in dem vor nicht einmal zwei Jahren eröffneten Hotel Schani schon wieder überholt ist. So hatte man etwa in fünf Experimentierzimmern die Steuerung der Raumbeleuchtung per hoteleigenem iPad angeboten. "Heute würde man das eher per App auf dem eigenen Smartphone machen oder, noch intuitiver, per Sprachsteuerung", sagt Borkmann. Viele Menschen seien mittlerweile mit derartiger Smarthome-Technik vertraut.

Was im Schani noch nicht überholt ist und sich nach und nach auch bei großen Hotelketten durchsetzt, ist etwa der Online-Check-in sowie die damit verbundene Zimmerauswahl, ähnlich wie im Flugzeug. 25 Prozent ihrer Gäste buchten über die Hotel-Website und wählten somit auch ihr Zimmer online aus, sagt Anita Komarek, die zusammen mit ihren Geschwistern das Hotel betreibt. Von den Online-Buchern wiederum nutze die Hälfte den Smartphone-Zimmerschlüssel. Der Check-out funktioniert automatisch, der Gast erhält die Rechnung als E-Mail.

An der Rezeption gibt es Bier und Kaffee

Trotz all dieser Möglichkeiten gibt es weiterhin eine Rezeption im Hotel Schani, denn auf eine persönliche Ansprache und Tipps wollen die Gäste laut Fraunhofer-Umfrage trotzdem nicht verzichten. Die Rezeption wurde im Schani allerdings mit der Bar fusioniert, was bedeutet, dass die Rezeptionisten auch mal Kaffee machen oder ein Bier zapfen müssen.

Die dahinter anschließende Lobby ist eine Mischung aus Wohnzimmer mit bunten Designersesseln, Frühstücksraum und Arbeitsplatz. Auf einer Galerie sind an Holztischen Arbeitsplätze eingerichtet mit schneller Internetverbindung. Co-Working soll hier stattfinden: Start-ups und andere Unternehmen können sich tageweise einmieten und miteinander austauschen. 15 bis 20 Personen, meist aus dem Speckgürtel der Stadt, verlegten nun ein- bis zweimal pro Woche ihr Büro hierher, um kleinere Meetings in einer lockeren Atmosphäre abzuhalten.

So etwas, erklärt Fraunhofer-Forscherin Borkmann, entspreche der heutigen Lebens- und Arbeitsweise viel mehr als Schreibtische und Telefone im Zimmer und große, sterile Konferenzräume. Wobei es natürlich immer davon abhänge, welche Gästegruppe die jeweiligen Hoteliers ansprechen wollten. Hier präge sich der zweite große Trend immer stärker aus: die Spezialisierung auf klar abgegrenzte Zielgruppen - hier das Hotel für junge Kreative, dort jenes für klassische Businessleute, und dann jenes zentrumsnahe für die Stadttouristen.

Bei Marriot International, der weltweit größten Hotelgruppe mit 6200 Häusern, treibt man dieses Konzept auf die Spitze. "Das ist ein starker Trend im Hotelwesen, und mit unseren 30 Hotelmarken muss man jede klar positionieren, um Erfolg zu haben", sagt Marriott-Sprecherin Michaela Belling. So richten sich etwa die Moxy-Hotels an eine junge Zielgruppe, die immer online ist und im Hotel Party machen möchte. Die Bar-Lobby mit zahlreichen Sofas ist 24 Stunden besetzt, es gibt DJs und Life-Konzerte, die Zimmer sind eher klein und schlicht - nur das Bett und der Flachbildfernseher fallen aus dem Rahmen. Auch hier gibt es keine schließbaren Schränke mehr.

Gut ausgelastet

Mit dem Tourismus geht es in Deutschland seit geraumer Zeit bergauf. Nach einer Analyse der Immobilienbank DG Hyp gab es bei den Übernachtungszahlen binnen 20 Jahren einen Zuwachs von 80 Prozent. An den Top-Standorten - Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart - haben sich die Hotelübernachtungen fast verdreifacht. Dementsprechend sind die Hotelkapazitäten ausgeweitet worden. Vor 20 Jahren kamen die Top-Standorte zusammen auf 100 000 Hotelbetten, heute sind es 220 000. Trotzdem hat sich die Auslastung in den Spitzen-Städten spürbar verbessert, von etwas über 40 Prozent Mitte der 1990er-Jahre auf über 56 Prozent. Die Zimmerbelegungsrate - sie ist höher als die Auslastung, weil Doppelzimmer auch mit einer Person belegt sein können - reicht von knapp unter 70 Prozent in Düsseldorf und Frankfurt bis zu etwas über 80 Prozent in Hamburg.

Der aus der Kombination von Zimmerbelegungsrate und Zimmerpreis resultierende Erlös pro Zimmer beträgt im Top-Durchschnitt 75 Euro pro Tag. SZ

Die Marke Le Méridien spricht Kunst- und Kulturinteressierte an, die Schlüsselkarte des Hotelzimmers verschafft dem Gast etwa in München auch Zutritt zum Haus der Kunst oder zur Pinakothek der Moderne. Westin wiederum ist auf Wellness- und Fitnessbegeisterte ausgerichtet, es gibt Superfood und man kann Laufschuhe ausleihen.

Die teuren Grundstückspreise und der generelle Platzmangel in Städten führen dazu, dass Hotels den Platz sehr effizient nutzen müssen, um pro Quadratmeter möglichst viel für die Investoren herauszuholen. Das führt auch dazu, dass die Zimmer eher klein gehalten sind, Lobby und Bar dafür großzügig und wohnlich. Motel One, eine der erfolgreichsten deutschen Hotelketten mit 17 000 Betten, setzt schon länger auf dieses Konzept, war die erste Kette, die anspruchsvolles Design mit günstigen Zimmerpreisen in guten Innenstadtlagen verband. "Dem bleiben wir auch weiter treu", sagt Ursula Schelle-Müller, die bei Motel One für Design und Marketing zuständig ist. Allerdings müsse man in neuen Hotels die Internet-Bandbreite vergrößern, generell die IT-Infrastruktur ausbauen. Mit Smart-Home-Technik werde erst noch experimentiert.

Und was will eigentlich der Gast?

Aber was will der Gast eigentlich? Um das herauszufinden, nutzen Hotelkonzerne immer öfter eigene Hotel-Apps. Die dienen dem Gast nicht nur zum Aufsperren des Zimmers, sondern auch für Fragen zum Hotel, die etwa bei der Marriott-Marke Aloft von einem Chatbot beantwortet werden, also einem dazulernenden Computer. Andererseits dienen diese Apps dazu, Informationen über den Gast zu sammeln, um ihm individualisierte Angebote zu machen.

Wer etwa über die App öfter mal einen Termin für einen Trainer im Fitnessstudio gebucht hat, wird bei künftigen Aufenthalten Angebote zum betreuten Workout bekommen. Wer mal Whisky aufs Zimmer bestellt hat, wird später auch nach Cognac oder Gin gefragt. "Damit kann man einen Service, den in teuren Hotels ein guter Concierge leistet, nämlich die Wünsche seiner Kunden zu erkennen, in digitaler Form auch auf günstigere Hotels ausdehnen", sagt Belling. Big Data lässt grüßen.

Innovationen und neue Raumkonzepte probiert der Konzern in einem eigenen "Pop-up-Hotel" In Los Angeles aus, in dem Gäste interaktiv sofort die Neuerungen bewerten und kritisieren können. Dort wurden etwa jeweils vier Zimmer um einen Gemeinschaftsraum gruppiert, der gleichzeitig Küche und Lounge ist. Das richtet sich an Geschäftskunden, aber auch an größere Familien, die so unter sich bleiben können. Es gibt dort auch einen mobilen Weinwagen, der per Aktivierung durch die Schlüsselkarte automatisch Wein ausschenkt.

Bei all der Digitalisierung, die immer rasanter voranschreitet, gibt es natürlich auch eine Gegenbewegung. "Hotels werden sich in Zukunft auch von Mitbewerbern absetzen können, indem sie echte Erlebnisse anbieten", sagt Fraunhofer-Forscherin Borkmann. "Gemüse oder Obst ernten im Dachgarten, um dann daraus etwas zu kochen, Malwerkstätten oder Literaturabende." Lauter Dinge also, für die man sein Smartphone ruhig auf dem Zimmer lassen kann.

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