Hotelbranche:Kampf um Kunden: Hoteliers gegen Vergleichsportale

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Viele kleinere Hotels und Pensionen setzen auf die Dirketbuchung: in diesem Beispiel sogar ganz analog. (Foto: dpa)
  • Kleinere Hoteliers in Europa werben gemeinsam dafür, dass Kunden direkt bei ihnen buchen - damit wollen sie sich gegen die Marktmacht der Buchungsportale wehren.
  • HRS, einer der großen Anbieter, argumentiert hingegen, dass Hotels sich so Werbekosten sparen.

Von Michael Kuntz

Ein bunter Aufkleber steht für die Verzweiflung vieler Hoteliers in Europa. "Direkt buchen" steht darauf, eine Bitte an die Kunden, doch bitte beim Hotel selbst zu reservieren statt über die großen Portale im Internet. Denn ihnen fühlen sich viele Hoteliers mehr und mehr ausgeliefert, 90 Prozent der Herbergen in Europa sind Kleinbetriebe.

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Die Aufforderung "Direkt buchen" ist seit Kurzem die neueste Waffe in ihrem Kampf gegen die Netz-Konzerne. Die 1,8 Millionen Mitgliedsbetriebe können den vom Branchenverband Hotrec erdachten Schriftzug auf ihre Homepage stellen, ihn als Aufsteller, Flyer oder Aufkleber verwenden. Denn der Kunde bucht immer häufiger online und in etwa einem Fünftel der Fälle bei den großen Zimmervermittlern wie Booking, HRS oder Expedia.

Diese haben inzwischen eine erdrückende Marktmacht erlangt. Kassierten sie anfangs noch fünf Prozent Provision für jeden von ihnen vermittelten Gast, so gelten inzwischen 15 und mehr Prozent als üblich. In Einzelfällen geht sogar die Hälfte des Übernachtungspreises an den Internet-Vermittler, so berichten es zumindest Hoteliers über Buchungen im letzten Moment oder Sonderaktionen, die innerhalb von drei Tagen schon einmal mehrere Hundert Reservierungen bringen können. Natürlich gilt dabei: Egal, welche Vergütung die Internetportale verlangen, viele Hoteliers finden sie immer zu hoch.

Die Darstellung im Netz erspart den Betrieben Kosten für Werbung

Was zu hoch ist, hängt allerdings auch mit der Frage zusammen, wie viel ein Übernachtungsbetrieb investieren muss, damit ein Gast bei ihm bucht. "Das wissen die meisten Hotelbesitzer überhaupt nicht", sagt ein Insider. Fest steht: Ohne Werbung bleiben die Hotelbetten kalt. Also wird geworben. Es entstehen Kosten, so oder so. Vergleichsweise günstig findet HRS-Chef Tobias Ragge da seine 15 Prozent Provision - auch für den Hotelier. Denn der könne Gäste ohne die Internet-Vermittler nicht unbedingt günstiger anlocken.

HRS war einst als Kartei mit gefragten Messezimmern in Köln gestartet, das Unternehmen ist seit Mitte der 1990er-Jahre im Netz präsent und damit ein deutscher Internet-Pionier. HRS mit den Schwesterportalen Hotel.de für Privatreisen und Tiscover für Alpenhotels behauptete sich in Deutschland jahrelang sehr erfolgreich gegen die große Konkurrenz des amerikanischen Online-Gemischtwarenladens Priceline. Dessen deutscher Ableger Booking überholte HRS erst, nachdem das Bundeskartellamt eingegriffen hatte. Es leitete Ermittlungen gegen das Unternehmen ein wegen seines Versprechens, einem Gast den jeweils besten Preis zu garantieren, obwohl solche Zusagen schon damals in der Branche weit verbreitet waren. Erst jetzt geht die Behörde gegen Booking.com mit der gleichen Strenge vor.

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Die Wettbewerbshüter untersagen dem Buchungsportal seine Preispolitik: Diese verbietet es Hoteliers, Zimmer woanders billiger anzubieten.

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HRS-Chef Ragge hat dies dem Bundeskartellamt schon im Herbst vorgeworfen: "Wenn man glaubt, dass aus der Kundenperspektive etwas nicht in Ordnung ist, dann sollte man das regeln, aber für die gesamte Branche. Die Kunden buchen ja auch woanders und nicht nur bei uns. Ich will gar keinen Vorteil, nur einen fairen Wettbewerb für alle", sagte er.

Man habe "handwerklich auf der Seite des Kartellamtes richtig geschlampt" und die Marktabgrenzungen "völlig willkürlich getroffen". Er meint die Märkte für Privatkunden und für Selbständige einerseits, die völlig getrennt seien von den Geschäften mit den Großkunden wie internationale Unternehmen andererseits. Wenig Sinn mache es auch, nur Hotelportale zu betrachten und die anderen Anbieter nicht. "Tatsächlich googelt der Kunde heute Hotels in Köln und was er dann zu sehen bekommt, ist für ihn der relevante Markt", sagt Ragge. Dazu gehörten auch Suchmaschinen, die teilweise auf eigene Buchungsseiten weiterleiten.

Auch ein Wirtschaftswissenschaftler kritisiert das Kartellamt

Tobias Ragge steht mit dieser Meinung über das Bundeskartellamt nicht allein. Der Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap von der Universität Düsseldorf sieht das Vorgehen der Behörde ebenfalls kritisch. Haucap gelangt in einem Papier über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von solchen "Meistbegünstigungsklauseln" auf Buchungsplattformen letztlich zum selben Ergebnis.

Die Analysen der Bundesbehörde erschienen ihm "einseitig", schreibt der Wissenschaftler. Insbesondere die Abgrenzung der jeweils wichtigen Märkte sieht er kritisch. So ziele das Bundeskartellamt lediglich auf die Geschäfte zwischen Kunden und Buchungsportalen ab, vernachlässige aber die Rolle der Hotels, die ja Möglichkeiten hätten, den Buchungsportalen zu entkommen.

Eine solche Ausweichmöglichkeit für Hotels ist das direkte Geschäft mit dem Kunden. Während die Kleinhoteliers sich dafür ihre Hotrec-Aufkleber bestellen, haben Hotelkonzerne wie Accor oder Hilton längst eigene, moderne Buchungsseiten - mit eigener Bestpreisgarantie. Die war einst eine Erfindung des US-Unternehmens Marriott, bevor sie zum Standard in der Branche wurde.

© SZ vom 23.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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