Hippe kleine Städteschwestern:Bern, die gemütlichste Hauptstadt der Welt

Zürich - Bern

Zürich? Lieber nach Bern - in die gemütlichste Hauptstadt der Welt.

(Foto: dpa/Dražen Lovric-iStockphoto)

Touristen fahren in der Schweiz Ski - oder nach Zürich. Dabei ist Bern "mega härzig", also ganz besonders nett: schnuckelige Altstadt, Kunst, Kultur, Szene-Bars, Bären und Berge.

Von Sarah K. Schmidt

Mit Tausenden anderen vor Museen die Füße platt stehen, an völlig überhöhten Hotelpreisen verzweifeln und das klassische Sightseeing-Programm abspulen? Das muss nicht sein, denn es gibt lohnende Alternativen zu den überlaufenen Tourismus-Hotspots Europas. Kleine Städte-Schwestern bieten viel, zu günstigeren Preisen und ohne Anstehen. Für ein entspanntes verlängertes Wochenende sind sie nicht die zweite, sondern die erste Wahl. Wir stellen wöchentlich die schönsten vor.

Bern statt Zürich

Städtereise in die Schweiz? Da schauen schon alle skeptisch, die bei Schweiz nur an Pistengaudi in St. Moritz oder Wanderurlaub denken. Und wenn schon in die Stadt, dann geht es nach Zürich, vielleicht noch nach Genf oder Luzern - damit hat es sich. Übrig bleibt Bern. Doch statt sich zu grämen, dass kaum ein Tourist bei ihnen vorbeischaut, genießen die Berner einfach die herrliche Altstadt, den Blick auf die Alpen, Kunst und Kultur, eine spannende Szene, bestes Essen und ein erfrischendes Bad in der Aare. "Mega härzig", wie die Schweizer es sagen würden. Bern dürfte die gemütlichste Hauptstadt der Welt sein (auch wenn diese in der Schweiz ganz offiziell Bundesstadt heißt - einen kleinen Exkurs zur Schweizer Hauptstadtfrage finden Sie hier). Bern fliegt jedenfalls derart tief unter dem touristischen Radar, dass viele gar nicht wissen, dass von hier aus die Schweiz regiert wird.

In Bern hat Einstein die Relativitätstheorie entdeckt, Goethe fand die Stadt wundervoll und hier wurde Toblerone erfunden. Braucht es noch mehr Gründe, um mal vorbeizuschauen? Nun gut: Bern ist von Deutschland aus bestens zu erreichen, nicht einmal zwei Stunden braucht der Zug von Freiburg aus.

Ansehen: Brunnen, Bären, Kinderfresser

Umarmt von der Aare, liegt Berns Altstadt auf einer Art Insel (zu sehen auf der Seite bern-von-oben.ch, die Aufnahmen aus der Vogelperspektive präsentiert). Die mittelalterliche Struktur der Stadt ist noch erhalten - Kopfsteinpflaster, helle Sandsteingebäude, mit kunstvollen Figuren geschmückte alte Brunnen, alles heil und in Bestform. Aus Kriegen haben die Schweizer sich ja lieber herausgehalten. Die Unesco hat den 1a-Zustand von Berns Historie honoriert und gleich die gesamte Altstadt zum Weltkulturerbe ernannt. An sich ist alles gut zu Fuß erreichbar, doch die Schweizer, diese Streber-Gastgeber, bieten gleich noch ein kostenloses Ticket und Leihräder (für vier Stunden gratis) an. Auf dem umfangreichen Internet-Portal "Bärn isch eso" präsentieren zahlreiche bekannte und weniger bekannte Berner ihre Stadt in Lieblingstouren, Hörbeiträgen und Kurzfilmen. Das Angebot gibt es auch als Gratis-App zum Mitnehmen.

Und auch die Stadtgründer haben schon vorausschauend das Wohl von Bürgern und Besuchern im Blick gehabt und die Altstadthäuser mit sogenannten Lauben ausgestattet - überdachte Gehsteige quasi. Aneinandergereiht, fügen sie sich zu den Berner Arkaden, zu einer der längsten überdachten Einkaufsstraßen der Welt.

Mehr als 100 alte Brunnen sind in der ganzen Stadt erhalten. Ein besonders eindrucksvolles Mahnmal mittelalterlicher, schwarzer Pädagogik ist der Kindlifresserbrunnen. Auf Schwyzerdütsch klingt das fast niedlich, etwas gruselig ist es aber schon, wie sich die Brunnenfigur gerade ein nacktes Kleinkind zwischen die Kiemen schiebt.

Besondere Sehenswürdigkeiten sind die Zytglogge, der Zeitglockenturm mit astronomischer Uhr und Glockenspiel, und der Bundesplatz - der zentrale Platz, an dem Regierung und Parlament tagen, aber auch die Schweizerische Nationalbank ihren Hauptsitz hat.

Das Münster ist mit 100 Metern die höchste Kirche der Schweiz. 344 Stufen geht es die Wendeltreppe hoch. Anstrengend, aber es lohnt sich - bei klarer Sicht kann man herrlich über die Stadt und auf die Alpen schauen. Das Hauptportal der Kirche zeigt das Jüngste Gericht. Bei dem bedauernswerten Kameraden im blauen Dress, der gerade von einem Dämon angeknabbert wird, soll es sich übrigens um einen Beamten aus Zürich handeln.

Der Bärengraben am Ende der Nydeggbrücke heißt nur noch so. 2009 sind die Bären, das Wappentier der Stadt Bern, in ein größeres Gehege umgezogen. Im neuen Bärenpark leben die Tiere nun auf einem Hang mit Flussblick - was den Besuchern wiederum beste Sicht auf die Tiere verschafft. Gleich oberhalb liegt der Rosengarten: ein wirklich schöner Park mit tollem Ausblick, doch wer es einsam mag, ist hier falsch.

Jetzt noch in die Matte - früher war das Viertel Armeleute-Quartier und Rotlichtmilieu. Gangs haben hier einst eine eigene Geheimsprache erfunden: Mattenenglisch. Silben umstellen und i's und e's ergänzen, so einfach geht das. Heute ist das Mattenquartier gentrifizierter Lebensraum von Berns Kreativen und Hipstern.

Kunst, Klee und Hausberg

1879 eröffnete das Kunstmuseum Bern - damit ist es das älteste des Landes. Die umfassende Sammlung enthält Werke aus der Gotik bis zur Gegenwart, von Ferdinand Hodler bis Jackson Pollock. Dalí, Cézanne, Matisse, Picasso und viele weitere hochkarätige Namen sind hier vertreten. Bald könnte ein ganzer Schwung Gemälde dazukommen. Das Museum ist Alleinerbe der Sammlung des jüngst verstorbenen Kunsthändlersohns Cornelius Gurlitt. Ob das Haus das Erbe antritt, ist allerdings noch offen.

Kramgasse 49, das war von 1903 bis 1905 die Adresse von Albert Einstein und seiner ersten Frau Mileva Marić. In der Wohnung im zweiten Stock ist heute ein Museum, das zeigt, wie der Nobelpreisträger damals gelebt hat.

Außerhalb gelegen, aber für Fans des Schweizer Malers ein Muss ist das Zentrum Paul Klee. 4000 Werke von Klee, der mehr als die Hälfte seines Lebens in Bern verbrachte, sind hier versammelt. Der italienische Stararchitekt Renzo Piano hat das wellenförmige Gebäude entworfen.

Nach so viel Kultur geht es an die frische Luft: auf den Gurten, den Hausberg der Berner, den diese zärtlich "Güsche" nennen - für Faule und Fußkranke gibt es eine Standseilbahn.

Das Sommerhighlight ist das Marzili-Schwimmbad. In dem kostenlosen Freibad kann man nicht nur im Becken, sondern gleich in der Aare schwimmen, einem natürlichen Strömungskanal. Im Paradiesli ziehen die Damen blank, im Männerbad die Herren. So gibt's nahtlose Sommer- und Herbstbräune.

Die Trostpreise für die kalte Jahreszeit: Von Mitte Oktober bis Ende November wird beim "Rendez-vous Bundesplatz" das Parlamentsgebäude mit einer Lasershow in Szene gesetzt. Jeweils am vierten Montag im November findet der "Zibelemärit", der Zwiebelmarkt statt. Bei dem traditionellen Volksfest werden tonnenweise Zwiebeln in jeder denkbaren Dareichungsform verkauft. Von Dezember bis Februar kann man dann auf dem Bundesplatz auf Schlittschuhen seine Runden drehen.

Anbeißen: Speisen mit Ferien-Feeling, Schweizer Aromen und Aussicht

Kleiner Abstecher an die "Riviera" gefällig? Dann auf zum "Schwellenmätteli". Der Komplex direkt an der Aare liegt absolut idyllisch - fast wie auf einer Insel. Terrasse und Casa heißen die beiden Einzelelemente. Auf ersterer sitzt man luftig-hell auf Holzdielen, ideal für den Sonntagsbrunch. Im Ristorante Casa gibt es italienische Spezialitäten an der langen Tafel - im Winter mit Kaminfeuer.

Das "Lötschberg AOC" kombiniert Tradition und Moderne. Rot-weiß-karierte Tischdecken treffen auf große Fensterfront und türkise Wände. Bei den Schweizer Klassikern auf der Speisekarte wie Käsefondue oder Rösti werden jedoch keine Kompromisse gemacht. Für knapp 15 Euro gibt es ein Tagesmenü. Und zum Nachtisch Tobleroneschoggiküchlein.

Gutbürgerlich geht es im "Alten Tram Depot" zu. Neben der traditionellen und saisonal variierten Speisekarte machen die hauseigene Brauerei und die Lage das Restaurant direkt am Bärenpark zu einem Highlight. Die Giebelstruktur der Halle ist erhalten geblieben - ganz besonders schön ist aber die Terrasse, von der aus man einen weiten Blick über die Stadt hat.

Genug von Schnitzel- und Raclette-Aromen? Dann ist das "Fugu Nydegg" eine geschmackliche Alternative. Der schlicht und edel designte Asiate bietet einen leckeren Querschnitt durch die japanische und thailändische Küche.

Veggie-Küchen-Kette, Kaffee zu Panini und süße Seiten

Das "Tibits" im Berner Bahnhof ist zwar eine Kette, aber nichts spricht schließlich gegen gute Ideen in Serie. Vegetarische Gerichte in Form eines Buffets - regional, saisonal, nachhaltig, so das Versprechen. Die Einrichtung ist fröhlich und gemütlich. Und auch zu später Stunde bekommen Freunde grüner Küche noch etwas Warmes in den Magen: Bis 23 Uhr, am Wochenende bis Mitternacht haben das Tibits im Bahnhof und auch die zweite Berner Dependance in der Gurtengasse geöffnet.

Frisch gerösteten Kaffee mit Blick auf die Zytglogge - das gibt es im "Adriano's" . Dazu Panini oder Dolce della casa, Mandelgebäck aus eigener Herstellung. Die ambitionierte Kaffee-Bar bildet in Kursen außerdem Homebarista aus und verkauft "die besten Kaffemaschinen für jedes Budget".

Das "Apfelgold" verspricht "desserts & livres" und will sich ausschließlich den süßen Seiten des Lebens widmen. Zu Torten und Kuchen, die täglich wechseln (immer ist auch etwas Apfeliges mit dabei) gibt es Tee und Kaffee aus Omas bestem Geschirr - und etwas Gutes zu lesen. Die gemütliche Mischung aus Buchhandlung und Café öffnet von Donnerstag bis Sonntag die Türen.

Ausgehen: Kinokunst, Mahogany und Turnhalle

Bern ist eine wahre Freude für Kino-Fans. Das "Kino Kunstmuseum" zeigt monatlich neu Retrospektiven zu wichtigen Filmschaffenden und regelmäßig Premieren von Independent-Filmen. Auch das "Lichtspiel/Kinemathek" , das im Dachgeschoss einer alten Strickwarenfabrik residiert, zeigt regelmäßig Highlights aus der umfangreichen historischen Filmsammlung des Vereins.

Jazz-Liebhaber finden in "Marians Jazzroom" eine wunderbar plüschige Location. In dem Club im alten Hotel Innere Enge treten regelmäßig hochkarätige Interpreten der Szene auf. Ab und an gibt es auch in der "Mahogany Hall", Berns ältestem Club, Jazz-Konzerte - hier ist das Programm jedoch mittlerweile deutlich abwechslungsreicher. Rock, Folk, Blues, Reggea - einfach das bunte Programm checken.

In Bern gibt es eine ganze Reihe Bars und Clubs, die an spannenden Orten mit tollem Ambiente überzeugen. Auf jeden Fall gehört die "Turnhalle" dazu. Die Bar liegt tatsächlich in einer alten Turnhalle. Man sitzt vor hohen Fenstern auf dem alten Parkett oder auf einer Empore. Bei gutem Wetter lockt zudem ein schöner Hof.

Feiern im Cuba und in der Dampfzentrale

Einen Caipi im "Cuba": In der gemütlichen Bar schlürft man unter Gewölbedecken und in farbenfroher Deko prima Cocktails. Etwa 10 Euro pro Mixgetränk sind bei der frischen Zubereitung in Ordnung.

"Wohnzimmer" heißt der kleine Club, der zur Bar "Les Amis" gehört. Beide sind ziemlich lässig. Das Publikum ist gemischt, Life-Konzerte wechseln sich mit DJs ab.

"DüDü" nennen die Berner zärtlich das "Du Théatre". Hier feiern die Reichen und Schönen in einem Saal mit Stuckkuppel. Très chic, aber auch très aufgebrezelt.

Einen Club "Dampfzentrale" zu nennen: nette Idee. Zudem überzeugt hier die Lage: Der angesagte Club ist in einem alten Industriekomplex direkt am Fluss untergebracht. Hier wird gefeiert, es finden jedoch auch Events wie Flohmärkte, Musik-, Theater- und Tanzevents statt.

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