Hintergrund:Mit dem Strom fahren

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Der rasante E-Bike-Trend eröffnet neue Möglichkeiten - für Touristen und Urlaubsregionen. Denn nun kommt fast jeder den Berg hinauf und selbst auf Kreuzfahrten werden die Räder bereits mitgenommen.

Von Hans Gasser

Wer hätte gedacht, dass die ganze Arbeit umsonst sein würde? Mehr als 200 Aufladestationen hat man in den vergangenen Jahren im Schwarzwald installiert, in Restaurants, an Hotels und Touristinformationen. Es ist eines der engsten Netze, um E-Bikes, denen der Saft ausgegangen ist, wieder neue Energie einzuimpfen. Und nun werden sie kaum mehr genutzt, wie Sascha Hotz ganz ohne Bitterkeit feststellt. "Die neuen Akkus werden einfach nicht so schnell leer. Und der normale Gast will nicht den ganzen Tag im Sattel sitzen", so Hotz, "der fährt seine 30, 40 Kilometer, setzt sich dann in die Sonne, und abends im Hotel ist der Akku noch halb voll."

Hotz ist bei der Schwarzwald Tourismus GmbH zuständig für Radtourismus und damit auch für E-Bikes, die besonders in touristischen Regionen sehr gut ankommen. In zwei Dritteln aller Orte im Schwarzwald gebe es einen E-Bike-Verleih, häufig sei ein halber Tag mit einem solchen Fahrrad in der Gästekarte inkludiert, sagt Hotz. Aber nicht nur die Ausdauer der Akkus hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert, auch die Nutzer. Viele, die sich mal ein Pedelec - also ein E-Bike, bei dem das Treten durch einen Hilfsmotor unterstützt wird, gemietet haben -, hätten sich bald selbst eines gekauft. So reisen heute viele Gäste mit dem eigenen Pedelec an.

535 000 E-Bikes wurden laut Zweirad-Industrie-Verband 2015 in Deutschland verkauft, das sind fast 13 Prozent aller verkauften Fahrräder. Die jährlichen Zuwächse sind beeindruckend: Waren es 2010 noch 200 000 E-Bikes, rechnet der Verband für 2016 mit dem Verkauf von 560 000 Stück. Zur Altersstruktur der Käufer werden keine Zahlen veröffentlicht. Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) hat allerdings in seiner jährlichen Radreiseanalyse herausgefunden, dass die E-Bike-Touristen im Schnitt deutlich älter sind (54 Jahre) als die normalen Radlurlauber (47 Jahre). Hersteller und Verleiher versichern, dass E-Mountainbikes oder Cross-Fahrräder immer öfter auch jüngere Käufer finden. Besonders als Autoersatz für Pendler könnten E-Bikes noch eine große Zukunft haben.

Von wegen Seniorenrad - E-Mountainbikes haben auch immer mehr jüngere Nutzer

Im Tourismus hat sich das Gefährt bereits etabliert. Anbieter wie Travelbike oder Marktführer Movelo aus Bad Reichenhall liefern Hotels und Tourismusorten gegen eine monatliche Leasinggebühr E-Bikes, kümmern sich um die Wartung und zusätzliches Marketing. "Ältere Menschen, die sonst nicht mehr fahren würden, sind ein wichtiger Teil der Kundschaft", sagt Maren Hauke, Sprecherin von Movelo. "Aber es gibt auch immer mehr sportliche, jüngere Nutzer, etwa mit dem E-Mountainbike im Frühling die Forststraße hoch, und wo der Schnee beginnt, geht es mit den Skiern weiter." 1000 Stationen mit etwa 3500 Elektrofahrrädern bestückt Movelo, vor allem in Deutschland, Österreich und Norditalien. Zunehmend sei der Service auch auf Kreuzfahrtschiffen gefragt, um damit Landausflüge zu unternehmen. Im Schnitt kostet ein herkömmliches E-Bike pro Tag um die 20 Euro, ein E-Mountainbike zwischen 30 und 40 Euro. Ladestationen, wie man sie zusammen mit dem ehemaligen Geschäftspartner, dem Schweizer E-Bike-Pionier Flyer aufgebaut habe, brauche es heute kaum noch, sagt auch Hauke. Der Großteil der Menschen mache nur Tagesausflüge, und bei mehrtägigen Touren reiche es, abends im Hotel aufzuladen.

Ob der E-Bike-Trend nun mehr Gäste in eine Region bringt, dazu gibt es keine expliziten Zahlen. Laut ADFC stieg aber die Zahl derjenigen, die eine Fahrradreise mit mindestens drei Übernachtungen unternommen haben: 2014 waren es vier Millionen, 2015 bereits 4,5 Millionen, also gut zwölf Prozent mehr. Dass ein Teil des Zuwachses auf das Konto von Menschen geht, die ohne E-Bike nicht mehr im Urlaub Rad gefahren wären, ist zumindest wahrscheinlich. So war etwa der Schwarzwald, wo die Gäste einen Altersschnitt von 55 Jahren haben, noch vor wenigen Jahren vor allem ein Ziel für Wanderer, sagt Sascha Hotz: "Radfahrern unten am Rheinradweg diente der Schwarzwald nur als Kulisse, weil sie die Höhenmeter abgeschreckt haben." Durch die E-Bikes sei nun auch der Schwarzwald zum Radreiseziel geworden. Besonders gefragt seien Tourenvorschläge, die man mit GPS-Daten und hochauflösenden Karten auf das eigene Smartphone laden kann, am einfachsten gehe dies mit der Schwarzwald-App.

Viele Tourismustreibende haben das Potenzial der E-Biker längst erkannt. Die 5500 vom ADFC zertifizierten Bett & Bike-Unterkünfte, die abschließbare Fahrradgaragen, Kartenmaterial und Reparaturmöglichkeiten bieten, haben immer öfter auch Akkulademöglichkeiten im Keller, sodass die Gäste das nicht auf dem Zimmer machen müssen.

Die 200 Ladestationen an den Radwegen im Schwarzwald will man aber trotzdem beibehalten. "Das Geld ist ja ausgegeben", sagt Sascha Hotz, " und wenn die Leute auch nicht den Fahrrad-Akku am Gasthaus aufladen müssen, so bleiben sie doch eher stehen, um selbst etwas zu essen und zu trinken.

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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